Über die Umfunktionierung und Instrumentalisierung der „Ein-Euro-Jobs“
Arbeitsgelegenheiten zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit gab es schon vor den Ein-Euro-Jobs. Die massive Umfunktionierung und Instrumentalisierung sozialer Hilfen durch die neu eingeführten Ein-Euro-Jobs analysiert Professorin Helga Spindler. Es gehe nicht mehr darum, zu helfen, sondern Menschen mit der nackten Wahrheit zu konfrontieren, dass man nichts mehr für Ihre Integration am Arbeitsmarkt ausrichten könne.
1.) Ganz neu sind die „Ein-Euro-Jobs“ nicht!
In § 19 Abs. 2 Satz 1, 2.Alternative BSHG, das zum 1.1. 2005 abgeschafft worden ist, waren die Arbeitsgelegenheiten zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit
vorgesehen, für die unter Weitergewährung der Sozialhilfe eine
angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gewährt werden konnte,
ohne ein Arbeitsverhältnis zu begründen. So richtig konnte man dieses
Begriffsungetüm gar nicht fassen, deshalb hat sich die Bezeichnung
„Mehraufwandsvariante“ oder einfach „gz- Arbeit“ dafür eingebürgert.
Aber jeder wusste was gemeint war: kostenlose Arbeitskräfte vom
Sozialamt, die manchmal keinen, manchmal viel Betreuungsaufwand
erforderten, manchmal freiwillig und manchmal gegen ihren Willen kamen.
2.) Ein Instrument der „Hilfe zur Arbeit“ war diese
Beschäftigungsmöglichkeit und sie sollte geeignet sein Hilfesuchende,
die keine Arbeit finden können, besser in das Arbeitsleben
einzugliedern. In geeigneten Fällen sollte dafür sogar ein Gesamtplan
erstellt werden. Anders als die AB-Maßnahmen (ABM), wurden diese
Maßnahmen aber nie unabhängig dahingehend untersucht, inwieweit oder
unter welchen Bedingungen sie eine berufliche (Anschluss-) Perspektive
ermöglichten. Auch Ökonomen, die AB-Maßnahmen immer heftig kritisiert
und deshalb kritisch untersucht haben, waren von der
Mehraufwandsbeschäftigung immer angetan und haben sogar den Ausbau
gefordert. Daneben gab es noch die Möglichkeit zur Überprüfung der
Arbeitsbereitschaft oder falls völlig Arbeitsentwöhnte überhaupt erst
wieder an eine berufliche Tätigkeit gewöhnt werden sollte, besondere
Arbeitsgelegenheiten nach § 20 BSHG in der Mehraufwandsvariante zu
schaffen.
3.) Gerade die Mehraufwandsvariante war immer schon heftig umstritten,
weil sie keine wirkliche Arbeit, keinerlei Arbeitsrechte, keine
Sozialversicherung, keinen Leistungslohn geboten hat, weil durch die
geforderte Zusätzlichkeit die Betroffenen im Kreis der Kollegen
häufiger aus- statt eingegliedert wurden und weil in den bevorzugt
gewählten „gemeinnützigen“ Arbeitsfeldern einfacher, aber notwendiger
Dienstleistungen keine neuen Arbeitsplätze entstanden, in die Leute
hätten überwechseln können, sondern über die Jahre stetig abgebaut
wurden. Um wenigstens den Charakter eines Hilfeangebots zu wahren,
wurde Anfang der 80er Jahre vielfach –allen voran von Utz Krahmer,
dessen Kommentierung des § 19 BSHG bis heute lesenswert ist (1) -
Freiwilligkeit bei der Aufnahme dieser Beschäftigung gefordert. Das
wurde jedoch zunächst vom Bundesverwaltungsgericht und dann 1993 vom
Gesetzgeber nicht nachvollzogen: auch wer sich weigerte derartige
„Hilfe“ anzunehmen, musste, wenn er keine Gründe vortragen konnte, was
den Betroffenen mangels Aufklärung und Überblick schwer fiel, mit
Sanktionen rechnen. Das eröffnete Behörden auch die Möglichkeit solche
Arbeitsgelegenheiten zur verdeckten Kontrolle und ohne ernsthafte
Perspektive einzusetzen und die gesetzliche Zielsetzung damit zu
verändern.
Arbeitslosen aus der Arbeitslosenversicherung mutete man diese
Eingliederungsmaßnahme nie zu: Dort gab es ABM, SAM und
Weiterbildungsmaßnahmen, selbst für Langzeitarbeitslose wurden lange
Zeit Sonderprogramme mit degressiven Lohnkostenzuschüssen aufgelegt.
4.) Es gab immer auch Möglichkeiten, diese Maßnahmen sinnvoll
einzusetzen, z.B. wenn sich jemand während seiner Arbeitslosigkeit in
seiner Stadtteilinitiative, einem Kulturprojekt oder bei einem
Wohlfahrtsverband engagieren wollte, um nicht untätig zu Hause zu
sitzen, wenn jemand total überschuldet war und die Gläubiger jeden
neuen Arbeitgeber abgeschreckt haben, wenn Zuwanderer hier Fuß fassen
wollten, oder wenn jemand zunächst langsam oder probeweise verschiedene
Arbeitsfelder kennen lernen sollte, dessen Fähigkeiten noch nicht so
klar erkennbar waren. In begründeten Fällen waren sie auch zu
Kontrollzwecken notwendig. Immer aber sollten nach der Rechtsprechung
diese Einsätze zeitlich möglichst begrenzt sein (max. 6 Monate),
möglichst nur Halbtagstätigkeiten umfassen und möglichst bald in eine echte Anschlussperspektive münden,
in ein Vertragsverhältnis, eine Bildungsmaßnahme oder ähnliches. Das
war ein Gebot der Verhältnismäßigkeit, weil zu berücksichtigen war,
dass es sich hier eben nicht um eine vollwertige Arbeit handelt.
5.) Trotzdem hat der Einsatz dieses Instrumentes bis Ende der 90er Jahre nicht überhand genommen und das lag daran, dass auch die kommunale Sozialhilfe seine Perspektivlosigkeit erkannt hatte.
Allerdings weniger aus dem Blickwinkel der Hilfebedürftigen, als aus
dem der Gemeindekasse. Die Leute belasteten ja bei fehlendem
Eingliederungserfolg den Sozialhilfeetat weiter. Deshalb konnten die ab
Mitte der 80er Jahre in den Ländern aufgelegten Programme: „Arbeit
statt Sozialhilfe“ so viele Anhänger gewinnen. Ein weiteres
Förderinstrument nach § 19 BSHG war nämlich die Arbeitsgelegenheit in
der Vertragsvariante - gemeinnützig und zusätzlich oder auch auf dem
allgemeine Arbeitsmarkt -, wo ein richtiges Arbeitsverhältnis
geschaffen und bezuschusst wurde. Das war versicherungspflichtig und
mündete nach einem Jahr Mindestbestandzeit im schlimmsten Fall in den
Arbeitslosengeldbezug und bei völliger Erfolglosigkeit in den
dauerhaften Arbeitslosenhilfebezug. (Ganz clevere Sozialhilfeträger
versuchten diesen Effekt schon nach 5 Monaten zu erzielen, als es noch
die originäre Arbeitslosenhilfe gab). Nach einem Jahr erlahmte
allerdings die Eingliederungsbemühung erkennbar und ohne Rücksicht auf
etwa notwendige Stabilisierung der Berufserfahrung. Weil man für diese
Form der Beschäftigung kurzfristig mehr Geld in die Hand nehmen musste,
gab es überdies vielerorts Landeszuschüsse für die Kommune, was das
ganze zusammen mit den nach 1990 sprudelnden Europamitteln noch
attraktiver machte.
Für die Betroffenen hatte es ebenfalls Vorteile: zwar kurze, aber echte
Arbeitsverhältnisse (zu Beginn sogar noch voll tariflich entlohnt) und
danach entweder Anschlussarbeit oder wenigstens Arbeitserfahrung und
Zugang zum Arbeitsamt und allen Förderangeboten des AFG - und nie mehr
Sozialamt und Ein- Euro Jobs.
6.) Um sich einen ungefähren Überblick über die quantitative Verbreitung
dieser Maßnahmen zu verschaffen, hier einige Daten: Eine bundesweite
Umfrage des deutschen Städtetags für das Jahr 1998 erbrachte folgende
Ergebnisse:
- 150.000 Vertragsverhältnisses nach § 19 Abs.1 und Abs. 2 1.Alt. BSHG.
- 132.000 Mehraufwandsverhältnisse nach § 19 Abs. 2 2.Alt. plus
- 18.000 Beschäftigungsverhältnisse nach § 20 BSHG.
Wie viel die Landkreise noch angeboten haben ist nicht zu ermitteln.
Gleichzeitig gab es in diesem Jahr nach den Angaben der Bundesanstalt für Arbeit:
- 366.555 Neueintritte in ABM Maßnahmen ( der Jahresdurchschnitt liegt etwas niedriger bei ca.210.800 ) dazu kamen ca.
- 608 000 Neueintritte in berufliche Weiterbildung und
- 66.000 in Strukturanpassungsmaßnahmen ( ohne Ost ) dazu noch im Jahresdurchschnitt
- 70.780 Förderungen von Löhnen durch Eingliederungszuschüsse. (2)
Die Bundesagentur hat im November 2005 einen Monatsbericht mit
aktuellen Zahlen veröffentlicht, der auch Daten zu den
arbeitsmarktpolitischen Instrumenten enthält ( a.a.O. S.13 f. und
Tabellen). Daraus stammen die Bestandszahlen der Arbeitsgelegenheiten
nach § 16 Abs.3 SGB II im November 2005:
- 13.764 Vertragsverhältnisse (entsprechen § 19 Abs.1 und 2 1.Alt. BSHG )
- 261.520 Mehraufwandsverhältnisse (entsprechen § 19 Abs.2 2.Alt. BSHG )
Insgesamt sind bis zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2005 schon über eine
halbe Million, genau 529.369 Arbeitslose mit diesen
Beschäftigungsverhältnissen „versorgt“ worden. Bei den geplanten
600.000 Bestandstellen würden so pro Jahr etwa 1,2 Millionen Menschen
durch diese Stellen geschleust werden können. Die Daten sind noch
vorläufig, es fehlen wohl noch Angaben von Optionskommunen, bei denen
zu befürchten ist, dass sie nur Mehraufwandsverhältnisse schaffen, weil
sie die SGB III Instrumente nicht kennen.
Und zum Vergleich (auch Bestand November 2005) die weiteren
Integrationsmaßnahmen für Leistungsbezieher nach SGB II, die eigentlich
mit der Zusammenlegung versprochen worden und vorher zumindest den
Arbeitslosenhilfebeziehern auch zugute gekommen waren:
-39.388 ABM Maßnahmen ( Gesamtzahl 2005: 51.932 )
-37.849 Maßnahmen berufliche Weiterbildung ( Gesamtzahl 2005: 54.632 )
Zusätzlich werden für Versicherte im Bereich des SGB III nur noch 8.047
ABM Maßnahmen und 74.670 berufliche Weiterbildungsmaßnahmen
ausgewiesen. Strukturanpassungsmaßnahmen und Lohnzuschüsse sind
ausgelaufen.
Der Vergleich zu 1998 zeigt jetzt schon, dass in der Tendenz alle
anderen beschäftigungsschaffenden Maßnahmen, vor allem die mit
geförderten Arbeitsverträgen, zugunsten der Erweiterung der Ein- Euro
Jobs abgebaut oder ganz gestrichen werden und das für alle Arbeitslosen.
7.) So hätten eigentlich alle weiterleben können, wenn, ja wenn den
Akteuren das Ganze nicht zu teuer geworden wäre, wenn insbesondere der
Bund nicht nach 2002 von den ansteigenden Arbeitslosenhilfekosten hätte
wegkommen wolle, - vor allem in den neuen Bundesländern, wo alle
Fördermaßnahmen ausgereizt waren. Plötzlich bekannte man rückhaltlos
offen, dass man die kommunale Beschäftigungsförderung (gemeint war die
Vertragsvariante) als „Verschiebebahnhof“ missbraucht
habe, ohne noch auf eine bessere und qualifizierte
Arbeitsmarkteingliederung zu achten und gelobte Besserung durch
Zusammenlegung von Arbeitlosen und Sozialhilfe, was – durchaus
zielbewusst und schon vor der Hartz- Kommission geplant und durch
verschiedene Modellprojekte und die Bertelsmann- Stiftung vorbereitet -
dann letztlich zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und gleich auch
noch der Sozialhilfe in der alten Form geführt hat.
8.) „Fordern und Fördern“ lautet die neue Maxime
im Sozialgesetzbuch II ( SGB II ) , die unter anderem damit begründet
worden ist, dass den Sozialhilfebeziehern jetzt der direkte Zugang zu
allen Fördermaßnahmen des SGB III eröffnet werden sollte. Auf dem
Papier des Bundesgesetzblatts ist dieses Versprechen auch eingehalten
worden: § 16 Abs. 1 SGB II sieht als Leistungen zur Eingliederung für
alle Arbeitslosengeld II- Bezieher alle wesentlichen
Eingliederungsleistungen des SGB III vor (bis auf die schon wieder
herausgenommenen Fördermöglichkeiten für Selbständige).
Das Problem
ist nur, dass sie sich diesen Zugang jetzt mit den bisher Berechtigten
teilen müssen, und dass die Anzahl und Qualität der Förderplätze und
vor allem die Fördermittel gegenüber dem Ansatz von etwa 1998 so massiv
reduziert worden sind, dass der Prozentsatz der zu Verfügung stehenden
Maßnahmen so unbedeutend geworden ist, dass man überhaupt nichts mehr
davon hört.
Aus dem „Sozialhilfenachlass“ ist aber als Förderleistung in §16 Abs.
3, Satz 2 SGB II auch die „zusätzliche Arbeitsgelegenheit“ ohne
Arbeitsverhältnis eingeflossen, bei der statt Gemeinnützigkeit nur noch
„öffentliches Interesse“ vorliegen muss. Die Plätze sollen auf 600.000
und mehr erweitert werden und jetzt den ehemaligen
Arbeitslosenhilfebeziehern den direkten Zugang zu dieser ehemaligen
Sozialhilfemaßnahme eröffnen, wovon vorher nie die Rede gewesen war.
Seit November 2004 sollten sie sogar schon (auf noch freiwilliger
Basis) den Zugang testen und man hat bereits 73.000 für solche
Arbeitsplätze gewonnen. Nicht getestet wird demgegenüber die alte
Vertragsvariante der Sozialhilfe, die auf verschlungenen Wegen auch
noch in § 16 Abs.3 Satz 1 SGB II übernommen wurde.
Auch dafür reicht das Geld nicht und das, obwohl alle geförderten
Vertragsverhältnisse einschließlich ABM nicht mehr
arbeitslosenversichert sind, damit über den Begünstigten immer die
Drohung des Rückfalls in das Arbeitslosengeld II schwebt und sie sich
besser „aktivieren".
Ob dieses Missverhältnis, mit dem ein weiteres Wahlversprechen
gebrochen worden ist, rechtlich haltbar ist, wird noch zu klären sein,
aber es ist im Moment so.
9.) Ein
altes Instrument der Sozialhilfe hat hier nunmehr durch veränderte
Rahmenbedingungen eine neue Funktion bekommen, ja wird geradezu
multifunktional eingesetzt und dem möchte ich anhand einiger Stichworte nachgehen:
Ein- Euro-Jobs und Arbeitslosenstatistik:
Obwohl mit der Hartz - IV Reform erst einmal viele ( vor allem
ehemalige Arbeitslosenhilfebezieher/innen mit familiärer Bindung )
vollständig aus dem Leistungsbezug gefallen sind, steigen die
offiziellen Arbeitslosenzahlen seit Anfang 2005. Dies ergibt sich aus
der neuen Zählweise, die Hausfrauen, alle Jugendlichen über 15 Jahren,
Menschen, die Kleinkinder erziehen, und auch jeden Langzeitobdachlosen
und Mehrfachbehinderten, der bisher besser in der Hilfe in besonderen
Lebenslagen aufgehoben war, mitzählt und das alles nicht so sehr, um
das Ausmaß der Arbeitslosigkeit ehrlich zu erfassen , als sie alle im
Rahmen des Förderns und Forderns aktivieren zu können.
Aber jetzt
steht der Bund vor der Aufgabe, diese Zahlen zu reduzieren und da ist
dieses bisher für ihn nicht verfügbare Instrument ein einfaches und
preiswertes Mittel, um Erfolge zu produzieren. Dagegen lohnen sich
für ihn wegen der neuen Finanzierungsstruktur anders als bisher für die
Kommunen Vertragsangebote nicht mehr.
Es ist leider nicht nur die Arbeitslosenstatistik, die durch Ein-Euro-Jobs beeinflusst wird,
die als Arbeitsverhältnisse gezählt werden, obwohl sie keine sind und
vermutlich sogar sozialversicherungspflichtige Arbeit verdrängen. Es
ist auch die Vermittlungsstatistik der Arbeitsagentur.
Statt 413.453 Vermittlungen im Vorjahr weist die Bundesagentur 2005
826.472 Abgänge durch „Vermittlung nach Auswahl und Vorschlag“ aus
(Quelle: Die Welt 21.1.2006 „Zahlenspiele aus Nürnberg“). Allerdings
sind nach Angaben der Bundesagentur darin auch die Vermittlungen in Ein
Euro Jobs mitgezählt (auch wenn das zahlenmäßig nur angedeutet ist,
können das bis zu 529.369 gewesen sein, s.o.) Und es wird auch die Statistik über Durchschnittsverdienste
verändert. Das deutsche Bruttodurchschnittseinkommen 2005 ist nur um
0,4 % gestiegen. Es wäre aber um das Doppelte, nämlich um 0,8 %,
gestiegen, wenn die Ein- Euro Jobs nicht neuerdings mitgerechnet würden
(Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt 23.2.2006 ).
Das wäre nur eine optische Auswirkung, - wenn dieses
Bruttodurchschnittseinkommen nicht auf verschlungenen Wegen auch auf
die zukünftige Rentenberechnung, die sich auf die Lohnentwicklung 2005
stützt, wirken würde.
(Damit der Ein-Euro-Jobber hier keinen Vorteil hat, kommt für ihn
persönlich noch eine Änderung dazu. Der bisher während seiner Tätigkeit
abgeführte Rentenbeitrag von 78.- Euro (berechnet auf der Basis eines
400.- Euro Verdienstes) wird wie für alle Arbeitslosengeld II -
Bezieher auf 40.- Euro pro Monat reduziert.)
Ein- Euro-Jobs und Zivildienst.
Gebraucht werden können die Stellen nach Meinung vieler für den wegfallenden Zivildienst.
Aber, außer einem zufälligen zeitlichen Zusammentreffen haben
Zivildienst und Hilfe zur Arbeit nichts miteinander zu tun. Wer den
Zivildienst als einen öffentlichen Arbeitsdienst erhalten will, könnte
ja an seiner Stelle ein verpflichtendes soziales Jahr für alle jungen
Menschen einführen. Das ist nicht ehrenrührig, würde aber auch die
jungen „Leistungsträger“ unserer Gesellschaft erfassen, die man mit der
Abschaffung dieser Dienste von alle lästigen Gemeinschaftsaufgaben
endgültig befreien möchte. Das ist der einzige Grund die neue
Arbeitslosenarmee hier einrücken zu lassen.
Ein-Euro-Jobs und Workfare.
Aus dem englischen Wortspiel “from welfare to workfare” entstanden
bezeichnet das etwas, was sich im Deutschen mit dem Schlagwort, von der
„Arbeit statt Sozialhilfe“ zum „Arbeiten für die Sozialhilfe“
umschreiben lässt, als eine Pflicht die staatliche Existenzsicherung
als Gegenleistung sozusagen „abzuarbeiten“. Schon bevor Hermann Scherl
(3) diesen Zusammenhang explizit hergestellt hat, haben einige
Sozialhilfeträger im Rahmen ihrer kommunalen Beschäftigungsförderung so
etwas verstohlen praktiziert. Wenn man dieser Gegenleistungsvorstellung
anhängt, dann ist die Mehraufwandsvariante geeignet, das umzusetzen und
sich nicht mehr um richtige Arbeitsplätze zu kümmern. Das lässt sich
dann aber nicht mehr als „Förderung“, “Hilfe“ oder „Integration“
tarnen. Im „Existenzgrundlagengesetz“ von Roland Koch war das
Gegenleistungsmodell auch klar benannt. Im SGB II ist die Maßnahme aber
wie im BSHG noch als Förder- und Eingliederungsinstrument nach
vorrangigen Vertragsangeboten vorgesehen ( 4) , kann aber, wegen der
wenigen Abwehrrechte der Betroffenen natürlich auch jenseits der
öffentlichen Wahrnehmung umfunktioniert werden, ohne sich politisch
dazu bekennen zu müssen und das ist zumindest unredlich und bisher wie
unter der alten Rechtslage noch rechtswidrig.
Ein-Euro-Jobs und Jugendarbeitslosigkeit.
Während man sich
bis vor kurzem noch um das Recht auf einen Ausbildungsplatz, möglichst
noch unter Berücksichtigung der Neigung des jungen Menschen und einer
gewissen Auswahlmöglichkeit gestritten hat, scheint das Problem jetzt
gelöst: erwerbsfähige
Hilfebedürftige unter 25 Jahren sind – zwingend und in dieser
Reihenfolge - „unverzüglich in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine
Arbeitsgelegenheit“ zu vermitteln, bei der die Bundesagentur
daraufhin wirken soll, dass sie „auch“ zu Verbesserung ihrer
beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten beiträgt. ( § 3 Abs.2 SGB II)
Warum ist man darauf wohl nicht schon früher gekommen? Weil man wusste,
dass diese gesetzliche Verpflichtung nur durch massenhaften Einsatz von
Arbeitsgelegenheiten zu lösen ist und davor bisher aus gutem Grund
zurückschreckte. Angebote der ehemaligen Jugendberufshilfe, die
umfassend die Entwicklung fördern sollten und sich auf Problemgruppen
konzentrierten, haben in diesem Leistungskontext, wo noch nicht einmal
mehr die Neigung des Betreffenden zu berücksichtigen ist, keinen Platz
mehr, sind vom Konzept und Aufwand her zu teuer. Die Kölner Vordenker
diese Modells lassen sich nicht einmal dadurch beirren, dass etwa 1/3
der mit ihren Angeboten begünstigten Jugendlichen verschwunden und
trotz Nachsuche größtenteils nicht mehr aufzufinden sind. (5)
Ein-Euro-Jobs als Zuverdienstmöglichkeit.
Sollen sich die Leute doch zu den raffiniert gekürzten neuen Leistungen
für Lebensunterhalt und Wohnung unbürokratisch etwas dazu verdienen!
Auch das ist ein Fehlschluss, denn eine Gegenleistung für ihre Arbeit
ist nicht vorgesehen. Der eine Euro, der nach Belieben auch mehr oder weniger werden kann, ist „Entschädigung für Mehraufwand“ und nichts sonst.
Es naht schon die Zeit, wo die Akteure ihren ökonomischen Beratern
folgend nur noch direkt arbeitsbedingte Mehraufwendungen wie
Fahrtkosten , Arbeitsmittel etc. anerkennen, die heute schon häufig die
Zuzahlungen aufzehren, während ein unbezifferbarer Mehraufwand in der
Lebensführung, der alleine die Lebensqualität verbessern könnte,
überhaupt nicht berücksichtigt wird. Deshalb ist es – abgesehen von der
völligen Entrechtung, den fehlenden Zusatzleistungen und der
unvollständiger Sozialversicherung - auch unzutreffend das Einkommen,
das man damit erzielen kann, nominal mit einem unteren Nettolohn zu
vergleichen. Es ist auch eine unzulässige Vermischung rechtlicher
Formen, wenn etwa in Materialien der Caritas ein an die Form eines
Arbeitsvertrags angelehnter „Vertrag über Wahrnehmung einer
Arbeitsgelegenheit“ empfohlen wird, obwohl diese Beschäftigung nach wie
vor nur durch Verwaltungsakt begründet werden kann oder wenn – wie aus
Köln berichtet wird - Beschäftigungsträger bereits die Leistung
Arbeitslosengeld II ausgezahlt wird, damit das Ganze „wie eine
Lohnzahlung“ aussieht. (6)
Eigentlich müsste- da sind sich inzwischen alle einig - der mutwillig abgesenkte Freibetrag für Erwerbstätige (§ 30 SGB II) wieder deutlich erhöht werden
vor allem wieder eine spürbare Mehrbedarfsfunktion für Arbeitende
übernehmen, wie das in der Sozialhilfe vor 1993 zutreffend vorgesehen
war. (7) Davor schreckt man aber noch zurück, weil man ahnt, dass man
dann eine Menge echter Hungerlöhne und Minijobs würde aufstocken müssen
und das wird teuer und subventioniert teilweise die falschen
Arbeitsverhältnisse, so lange man sich in Deutschland nicht wenigstens
zu einem moderaten Mindestlohn durchringen kann. Viele Ökonomen möchten
dieses Problem schon wieder zu Lasten der Ärmsten lösen und schlagen
vor, mit einer optischen Erhöhung des Freibetrags das Existenzminimum
und die Mehraufwandsentschädigungen noch weiter abzusenken.
Durch eine Korrektur der §§ 11 und 30 SGB II zum 1.10.2005 ist
inzwischen der Freibetrag für Erwerbstätige angehoben worden, sodass
man mit einem Minijob am ersten Arbeitsmarkt wieder mehr dazuverdienen
kann, als mit einem Ein-Euro-Job. Mit Teilzeitarbeit, die darüber
hinausgeht, steigert sich der Zuverdienst. Allerdings benachteiligt der
neue Freibetrag anders als früher ausgerechnet die Menschen stark, die
bei niedrigem Verdienst hohe Werbungskosten haben.
Ein-Euro-Jobs und Gemeinwohl
Viele Menschen akzeptieren diese Beschäftigungen nur, weil sie glauben,
hier werde doch etwas geleistet, was der Allgemeinheit zugute kommt,
weil sie „gemeinnützig“ ist, wie es früher im BSHG hieß. Demgegenüber
wird der Einsatz in der Privatwirtschaft bisher mehrheitlich abgelehnt,
obwohl auch sie für die Allgemeinheit Nützliches leisten kann. Aber der
Staat und die Wohlfahrtspflege bedienen sich heute zur Erfüllung ihrer
Aufgaben nicht nur genauso regulärer Arbeitskräfte wie private
Unternehmen, sie werden auch dank unermüdlichen Beratereinsatzes
immer mehr geführt wie private Unternehmen und mittels Privatisierung
und öffentlicher Auftragsvergabe werden öffentliche Aufgaben bei
welchem Träger auch immer im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis
erbracht, was jedenfalls bei Durchführung der Leistungserbringung keine
Unterschiede mehr rechtfertigt. Es lässt sich z.B. nicht mehr
überzeugend begründen, warum im Pflegeheim eines Wohlfahrtsverbands
plötzlich zuhauf Ein-Euro-Kräfte zum Einsatz kommen sollen, nicht aber
in privat betriebenen Pflegeheimen mit gleichem Angebot, es gibt keinen Unterschied mehr zwischen „gemeinnütziger“ und „privatnütziger“ Pflege.
Es gibt allerdings starke wirtschaftsliberale Kräfte, die diese
Erfüllung sozialer und öffentlicher Aufgaben zwar schätzen, aber keine
Geldmittel dafür zur Verfügung stellen wollen, um den privaten Reichtum
so weit wie möglich von Steuern und Abgaben zu entlasten. Und für die
ist es interessant, wenn wenigstens in diesem Wirtschaftsbereich
Arbeitskraft billiger zur Verfügung steht, zumal wenn sie wegen noch
bestehender Sozialleistungsansprüche sowieso ausgehalten werden muss.
Bei genauer Betrachtung hat hier das Etikett „gemeinnützig“ außer
seiner steuerrechtlichen Bedeutung nur noch die von sozialem
Sprachkitsch, mit dem die Akzeptanz der Bevölkerung bei der Auflösung
von Arbeitsbedingungen im Bereich notwendiger öffentlicher und
sozialer- seit Abschaffung der Arbeitslosenhilfe sogar
hochqualifizierter - Dienstleistungen erreicht werden soll. Das gilt
verstärkt auch für die Bezeichnung als „Gemeinwohlarbeit“, die etwa
beim DPWV oder in der Stadt Essen gewählt wurde.
Es geht aber noch weiter: Statt die Konsequenzen aus der Entwicklung zu
ziehen und das aus einer vergangenen Zeit stammende öffentlich
rechtliche Beschäftigungsverhältnis zugunsten von mehr
Arbeitsverhältnissen zurückzudrängen, wird nun der umgekehrte Weg
beschritten. Unter
dem Etikett des „öffentlichen Interesses“ wird nun auch noch der
Arbeitsmarkt der Privatwirtschaft teilweise für diese Möglichkeiten
eröffnet und damit eine weitere Grenze niedergerissen. So das
Beispiel aus Hamburg: private Firmen erhalten den Auftrag zur im
öffentlichen Interesse liegenden Schulsanierung. Sie sollen aber nur
die elementaren technischen Sanierungen durchführen. Die genauso
notwendigen, nur theoretisch aufschiebbaren Schönheitsreparaturen
sollen von Ein-Euro-Jobbern erledigt werden, die sie aber, weil sie
sowieso schon da sind, anleiten und qualifizieren sollen. Warum
erhalten sie nicht gleich einen umfangreicheren Auftrag? Auch dieses
Beispiel ist nicht singulär, wie die aus Sachsen- Anhalt und anderswo
gemeldeten Aktivitäten zeigen, existiert bereits ein wachsendes
öffentliches Interesse am Einsatz in privaten Unternehmen.
Ein-Euro-Jobs und die Zusätzlichkeit bei kommunalen und sozialen Trägern
Wenn auch die gemeinnützige Aufgabenerfüllung keine Unterschiede mehr
rechtfertigt, so gibt es doch noch die gemeinnützigen Träger, die
klassisch aus ihrer Aufgabenstellung heraus solche Jobs als soziale
Hilfen für bestimmte Zielgruppen anbieten. Dazu gehören die Kommunen
und Wohlfahrtsverbände, aber auch Selbsthilfegruppen. Obwohl gerade
hier jahrzehntelange Erfahrung mit diesem Arbeitsgebiet besteht, müssen
auch sie sich neu in der Frage positionieren: die quantitative
Ausweitung von Stellen und die vermehrte Zuweisung arbeitserfahrener
Arbeitsloser, die diese Art der Betreuung nicht benötigen, stellt nicht
nur neue ethische Fragen. Der Finanzdruck und die auch für
Daueraufgaben jeweils zeitlich begrenzte und oft willkürliche
Mittelzuweisung lassen ein Problem alles andere überschatten: der
Arbeitsplatzabbau, die Arbeitsverdichtung bei regulären Kräften lässt
einen immer größeren dauerhaften Bedarf an billigen Arbeitskräften
entstehen, die faktisch nur reguläre Beschäftigungsbereiche
ersetzen und – eigentlich noch schlimmer -, nichts mehr neu entstehen
lassen. So sehr man sich und die Öffentlichkeit durch konsequenzlose
Selbstverpflichtungen, Grundsatzerklärungen, Konsensrunden etc. dagegen
absichern möchte, man kann sich diesem Sog nicht entziehen. Die
versprochene „Zusätzlichkeit“, die sich unter diesen
Bedingungen nur aus dem Vergleich mit einer fachlich gebotenen
Personalausstattung oder mit der Ausstattung noch vor einigen Jahren
ergibt, kann redlicherweise nicht garantiert werden. Und wo
früher einmal im besten Falle noch ABM-Stellen zum Aufbau neuer
Arbeitsfelder wie Ausländerberatung oder Schuldnerberatung genutzt
wurden, werden die Kräfte heute da eingesetzt, wo die Stellen schon vor Jahren abgeschafft wurden
( z.B. hauswirtschaftliche Kräfte im Kindergarten, Kontrolleure in
Verkehrsbetrieben). Die kursierenden „Ideensammlungen“ sind nichts als
eine realistische Auflistung aller unterfinanzierten Bereiche, in denen
niemand mehr eingestellt werden soll. Da hilft auch die Umbenennung in
“In(tegrations)-Jobs“ und „Zusatzjobs“ (aus den
Sozialmarketing-Sprachlaboren in Kommunen und bei der Bundesagentur)
nichts und sozialverantwortliche Personalräte verweigern mit guten
Gründen die Zustimmung zu derartigen „Einstellungen“. Die meisten
Träger versuchen ihre Mitarbeiter zu beruhigen: man könne die armen
Langzeitarbeitslosen noch besser betreuen oder schützen, als die
Stellen, denen sie sonst zwangsweise zugewiesen würden. Mancher
Geschäftsführer hat auch die Pauschalzahlung von 500.-€ schon als
kleine Aufstockung für den regulären Personalkostenetat entdeckt.
Es ist ja auch ein höherer Organisationsaufwand halbjährlich neue
Kräfte einzuarbeiten und zu koordinieren, statt eine Dauerstelle zu
besetzen. Und so fordern manche schon die Stellen auf 1 bis 2 Jahre
auszudehnen, was in der bisherigen Sozialhilfe im Interesse der
Betroffenen unzulässig war und die Zusätzlichkeit völlig in Frage
stellt. Wer hier weiter die alte Eingliederungshilfe leisten möchte,
der darf nicht plötzlich Tausende von neuen Ein-Euro-Jobs aus seinen
Einrichtungen „zaubern“, sondern muss vor allem auf das richtige
Verhältnis zwischen überwiegend Festangestellten, geförderten Kräften
in der Vertragsvariante und einem quotierten ergänzenden Einsatz von
Ein-Euro-Kräften achten, für die diese Stelle nach wie vor individuell
erforderlich sein muss. ( 8 )
Immer deutlicher wird, dass die Zusätzlichkeit in diesem Bereich nicht
zu sichern ist. Die Berichte über missbräuchlichen Einsatz in der
Presse, die nur die Spitze des Eisbergs abbilden kann, weil der Rest
Betriebsgeheimnis ist und angeblich dem Datenschutz unterliegt, sind
bereits nicht mehr zu zählen. Besonders unter Druck gesetzt werden
Betriebs- und Personalräte in den entsprechenden Betrieben, die
beurteilen können, welche regulären Stellen bei Ihnen abgebaut wurden
oder fehlen und wie der übrige Betriebsablauf durch den Einsatz
verändert wird. Ausgerechnet diesen Arbeitnehmervertretern wird mit der
Begründung, es handele sich doch überhaupt nicht um
Arbeitsverhältnisse, die Mitwirkung verweigert, die ihnen auch
unabhängig davon zusteht. Über die Zusätzlichkeit wird stattdessen in
Geheimabsprachen zwischen Arbeitsgemeinschaften und Geschäftsführern
oder Verwaltungsspitze verhandelt.
Dass dann auch öffentliche Arbeitgeber auf die Idee kommen, Ein -Euro Kräfte ganz ungeniert als Streikbrecher
einzusetzen, wie aus Osnabrück und aus Karlsruhe schon bestätigt wird,
mochte man nicht voraussehen, ist aber auch kein Wunder angesichts des
rechtsfreien Raums und der ungezügelten Behördenmacht, die sich hier
entwickelt.
Absurd wird es auch, wenn sich gemeinnützige Träger mit Ein - Euro Jobbern gegenseitig auskonkurrieren.
So z.B. in Köln: da liegen die Gebrauchtmöbellager der Mülheimer
Selbsthilfe (Mütze) und der sozialistischen Selbsthilfe Mülheim ( SSM )
nur einige hundert Meter voneinander entfernt. Die erstere Organisation
hat 27 Ein - Euro Jobber eingeworben und bietet plötzlich die sowieso
schon zu billigen Dienstleistungen noch billiger an, was bei der
anderen Organisation, die diese Art der Arbeitskräftebeschaffung
ablehnt, einen massiven Umsatzrückgang herbeiführt (Kölner Rundschau
3.2.2006 S. 34). Die Lebenshilfe Köln soll 12 Mitarbeiter der
schulbegleitenden Dienste gekündigt haben, weil ein Mitglied der
Diakonie in Köln das durch Ein- Euro Jobber abdeckt.
Ein-Euro-Jobs und Beschäftigungsträger
Aber während bei vielen dieser Träger zumindest unter den Mitarbeitern
auch im Eigeninteresse noch die Diskussion um die Zusätzlichkeit
geführt wird, gibt es eine Trägergruppe, die das mehrheitlich nicht
kümmern muss: die gemeinnützigen Beschäftigungsträger, die schon in den
vorbereitenden Modellprojekten eine treibende Rolle gespielt haben, zu
immer größeren Firmen anwachsen und mit der Bundesarbeitsgemeinschaft
Arbeit e.V. ihre Lobby aufgebaut haben. Die wenigen dort
Festangestellten leben von den zugewiesenen Arbeitskräften und müssen
die Zusätzlichkeit nicht einmal pro forma ausweisen. Anders als bei den
Wohlfahrtsverbänden ist da auch die Freiwilligkeit kein Problem, auch
für Unwillige gab und gibt es genug abschreckende und einfache
Arbeitseinsätze, insbesondere Putz- und Straßenreinigungskolonnen. „Wir
nehmen alle“, wie der Geschäftsführer der Hamburger „hab“ zitiert wird,
die auch durch völlig sinnentleerte Beschäftigungsangebote (regelmäßige
Neuverschmutzung gereinigter Flächen, ständiger Abriss und Neuaufbau
der gleichen Mauer) überregional bekannt geworden ist. (9) Ob
Beschäftigung mit Vertrag oder ABM wie früher, oder heute eben in
anderen Formen, das ist Nebensache, wie die BAG Arbeit schon in ihrer
Erklärung vom 12.5.2003 („Zukunft braucht Arbeit“) betonte. Und auch
der Personalrat macht kein Problem. Oft ist bei diesen Trägern der
Geschäftsführer das einzige Gewerkschaftsmitglied und sorgt dafür, dass
sich keine Interessenvertretung entwickelt und dass die Gewerkschaften
dieser massiven Umgehung von Arbeitsrecht unkritischer gegenüberstehen
als etwa der Arbeitgeberverband Garten- und Landschaftsbau oder die
Bundesinnung der Gebäudereiniger, die ansonsten nicht als
sozialpolitische Vorkämpfer auffallen. Mit diesem Angebot verdrängen
sie auch noch Träger, die versuchen ein zielgruppenorientiertes Angebot
aufrecht zu erhalten. Gerade Träger aus der Jugendberufshilfe, die
bisher ihre Eingliederungsaufgaben ernst genommen und ein anderes
Menschenbild vertreten haben, kommen unter den neuen
Zuweisungsbedingungen in existenzielle ethische und materielle
Schwierigkeiten. Einige versuchen auch hier, sich so gut es geht zu
arrangieren, andere haben sich zu Propagandisten der neuen
Workfare-Ideologie entwickelt, andere haben mit mutiger Begründung die
Konsequenz gezogen und die Geschäftstätigkeit eingestellt, obwohl ein
Bedarf für ihr Angebot nach wie vor bestehen würde. ( 10)
Die Initiative von Berliner Arbeitslosen, zwanzig Gleichgesinnte zu
suchen, um dann mit der Trägerpauschale ihren eigenen
Verwaltungsapparat zu finanzieren, der sie als Ein-Euro- Kräfte
koordiniert, macht aus einem andern Blickwinkel die Absurdität dieses
ganzen Arrangements der Beschäftigungsförderung deutlich.
Noch eleganter lassen sich die gerade beschriebenen Entwicklungen durch
Beschäftigungsträger verwirklichen. Aus Hamburg wird berichtet, dass
der Träger “Beschäftigung und Bildung“ und das zur evangelischen Kirche
gehörende Deichhaus Ein- Euro Jobber zum begrenzten Streikbruch
(Sammeln von Müll) eingesetzt haben (Junge Welt 23.2.2003 S. 5
„Erwerbslose zum Streikbruch verpflichtet.“) Damit wird der öffentliche
Arbeitgeber durch Dritte im Arbeitskampf entlastet und muss sich nicht
selbst die Hände schmutzig machen. Immer mehr übernehmen die Beschäftigungsträger auch als Arbeitskräfteverleiher die Rolle der gescheiterten PSA (Personal Service Agenturen). So kann man z.B. durch den Verleih von Ein-Euro-Jobbern an kommunale Einrichtungen,
Krankenhäuser, Pflegeheime etc. die dortigen Arbeitnehmervertreter und
Kollegen ausschalten und kann sich die Qualifizierungsprämie verdienen,
ohne die Kräfte auch noch selbst beschäftigen zu müssen. Mit dem immer
mehr um sich greifenden Verleih von Ein-Euro-Jobbern von einer
gemeinnützigen Einrichtung an eine andere, können sie dann auch in
umstrittenen Bereichen eingesetzt werden und die ohnehin schwachen
Rechte von Leiharbeitnehmern werden auch noch umgangen. Mit dem -
gelegentlich als Praktikum getarnten - Verleih an private Firmen wird
außerdem der Einsatz von Ein-Euro-Jobbern auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit unauffällig
ausgeweitet.
Ein-Euro-Jobs als Hilfe und Unterstützung ehrenamtlichen Engagements.
Nein, ich habe es nicht vergessen: ein Ein-Euro-Job kann auch ein persönliches Hilfeangebot zur Eingliederung in Arbeit und Gesellschaft darstellen,
wie oben unter 4.) angedeutet und es gibt neben dem Fehlen von
Arbeitsmöglichkeiten eine ganze Reihe von persönlichen
Beeinträchtigungen, die ein derartiges Angebot sinnvoll machen. Auch
das muss angesichts der massiven Umfunktionierung und
Instrumentalisierung sozialer Hilfen (11) betont werden. Aber dann
dürfen sich die Träger sozialer Arbeit die Rahmenbedingungen nicht
derartig aus der Hand nehmen lassen, das Angebot muss vor allem
quantitativ beschränkt bleiben, um die Qualität zu erhalten und
Mitnahmeeffekte zu verhindern. Schon die ca. 150 000 Stellen im Jahre 1998 waren ein bisschen zu viel.
Auch das
freigewählte ehrenamtliche Engagement von Arbeitslosen kann und könnte
noch Anwendungsgebiet von Ein- Euro- Jobs sein und das letzte Jahr hat
gezeigt, dass viele nach sinnvollen Tätigkeiten drängen. Aber da ist die Aufwandsentschädigung ein Ausdruck von Respekt
gegenüber dem Einsatz, und hat weder die Funktion der Existenzsicherung
noch der zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, was eine andere
Finanzierungsbasis erfordert. Eine Pervertierung ist demgegenüber, wenn
für solche Einsätze auch noch Vermittler- oder Anleiterpauschalen an
Bildungs- oder Beschäftigungsträger gezahlt werden. (12)
Die Bundesagentur für Arbeit soll schon Workshops organisieren, um
ihre Mitarbeiter darauf vorzubereiten, dass es jetzt vermehrt nicht
mehr darum gehe, zu helfen, sondern die Menschen mit der harten
Wahrheit zu konfrontieren, dass man nichts mehr für ihre Integration am
Arbeitsmarkt ausrichten könne( 13 ). Dann wird es aber auch höchste
Zeit, die Arbeitslosen von sinnloser Verpflichtung zu Ein- Euro Jobs zu
befreien.
Von Helga Spindler
gefunden auf den Nachdenkseiten
Anmerkungen:
(1) Lehr und Praxiskommentar BSHG, 6.Aufl. Nomos 2003, §§ 18 und 19 BSHG
(2) Quellen Bundesanstalt für Arbeit und : Wege aus der Sozialhilfe
„Hilfe zur Arbeit“ Materialband MASSKS NRW 2000, Broschüre Nr. 1100
( 3) Scherl H.: Workfare statt Zivildienst, Sozialer Fortschrift 2004, Heft 5 S. 109 f.
(4) Krahmer U. / Spindler H.: Rechtliche Maßstäbe für die Erbringung
von Arbeitsgelegenheiten für Arbeitssuchende nach § 16 Abs.3 SGB II in:
NDV 2005, Heft 1 S. 17 - 24
(5) Spindler H.: Rechtsverweigerung, Ausgrenzung und fragwürdige
Erfolge in vielen hundert Fällen- Die Ergebnisse aktivierender
Beschäftigungsförderung durch die JobBörse Junges Köln und die
beauftragten Sprungbrett- Träger, unveröff. Manuskript, 8 Seiten, Juli
2003
(6) kritisch zu den sonstigen Ergebnissen des für die Hartz -
Gesetzgebung wichtigen Kölner Modells s.a. Scholz J. 5 Jahre „Fördern
und Fordern“ in der Stadt Köln, Neue Praxis 2004, Heft 4, S. 399- 405
7) Spindler H.: Der Erwerbstätigenfreibetrag- seine Elemente und seine
sozialpolitische Funktion , info also 2000, Heft 4 S. 181- 184; und
info also 2002 , Heft 4 S. 180-181
(8) Krahmer U./ Spindler H. a.a. O Anm. 4)
(9) Carini M. Wie in einer Besserungsanstalt, taz vom
16.11.2004,Grünwald A: Einmal- Ein- Euro - Jobber, immer Ein-
Euro-Jobber, Junge Welt vom 11.12.2004; ders.: Ein- Euro-Jobs ? Und
Tschüs! Neues Deutschland vom 29.11.2004
(10) Berichte und konkretes Beispiel der Hamburger Firma Abakus:
Gottwald G. : Laden dicht. Über den Start und die Folgen von Hartz IV,
express 2005, Heft 1, S.3.Grünwald A. Neues Deutschland a.a.O. Anm. 9)
.Die ganze Ambivalenz dieser Entwicklung gerade auch unter Einbeziehung
der amerikanischen Parallelen wird deutlich bei: V. Eick/ B.Grell/ M.
Mayer: Zwischen Sozialintegration und Arbeitszwang: Gemeinnützige
Beschäftigungsinitiativen in den USA und der Bundesrepublik, WSI
Mitteilungen 2004, Heft 11 S. 610- 616
11) Spindler H. Aktivierende Ansätze in der Sozialhilfe, in: Dahme/
Otto / Trube/ Wohlfahrt ( Hrsg) : Soziale Arbeit für den aktivierenden
Staat, Leske + Budrich, Opladen 2003, S. 223 f. , 240
12) Meyer - Timpe U. Kalkulierter Flop, DIE ZEIT 6/2005
13) FAZ 18.2.2005, S. 15, Bericht von einem Gespräch mit dem ehemaligen
Mc Kinsey Berater und jetzigen Leiter des Zentralbereichs „Produkte und
Programme“ der BA, Sven Schütt.
Veröffentlicht in: Forum sozial ( Zeitschrift des DBSH, Deutscher
Berufsverband für soziale Arbeit ) 2005, Heft 2, S. 11-13 und Heft 3 S.
13-15, http://www.dbsh.de/
Erweitert um einen aktuellen Nachtrag im Februar 2006