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Über die Umfunktionierung und Instrumentalisierung der „Ein-Euro-Jobs“

Arbeitsgelegenheiten zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit gab es schon vor den Ein-Euro-Jobs. Die massive Umfunktionierung und Instrumentalisierung sozialer Hilfen durch die neu eingeführten Ein-Euro-Jobs analysiert Professorin Helga Spindler. Es gehe nicht mehr darum, zu helfen, sondern Menschen mit der nackten Wahrheit zu konfrontieren, dass man nichts mehr für Ihre Integration am Arbeitsmarkt ausrichten könne.

1.) Ganz neu sind die „Ein-Euro-Jobs“ nicht!
In § 19 Abs. 2 Satz 1, 2.Alternative BSHG, das zum 1.1. 2005 abgeschafft worden ist, waren die Arbeitsgelegenheiten zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit vorgesehen, für die unter Weitergewährung der Sozialhilfe eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gewährt werden konnte, ohne ein Arbeitsverhältnis zu begründen. So richtig konnte man dieses Begriffsungetüm gar nicht fassen, deshalb hat sich die Bezeichnung „Mehraufwandsvariante“ oder einfach „gz- Arbeit“ dafür eingebürgert. Aber jeder wusste was gemeint war: kostenlose Arbeitskräfte vom Sozialamt, die manchmal keinen, manchmal viel Betreuungsaufwand erforderten, manchmal freiwillig und manchmal gegen ihren Willen kamen.

2.) Ein Instrument der „Hilfe zur Arbeit“ war diese Beschäftigungsmöglichkeit und sie sollte geeignet sein Hilfesuchende, die keine Arbeit finden können, besser in das Arbeitsleben einzugliedern. In geeigneten Fällen sollte dafür sogar ein Gesamtplan erstellt werden. Anders als die AB-Maßnahmen (ABM), wurden diese Maßnahmen aber nie unabhängig dahingehend untersucht, inwieweit oder unter welchen Bedingungen sie eine berufliche (Anschluss-) Perspektive ermöglichten. Auch Ökonomen, die AB-Maßnahmen immer heftig kritisiert und deshalb kritisch untersucht haben, waren von der Mehraufwandsbeschäftigung immer angetan und haben sogar den Ausbau gefordert. Daneben gab es noch die Möglichkeit zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft oder falls völlig Arbeitsentwöhnte überhaupt erst wieder an eine berufliche Tätigkeit gewöhnt werden sollte, besondere Arbeitsgelegenheiten nach § 20 BSHG in der Mehraufwandsvariante zu schaffen.

3.) Gerade die Mehraufwandsvariante war immer schon heftig umstritten, weil sie keine wirkliche Arbeit, keinerlei Arbeitsrechte, keine Sozialversicherung, keinen Leistungslohn geboten hat, weil durch die geforderte Zusätzlichkeit die Betroffenen im Kreis der Kollegen häufiger aus- statt eingegliedert wurden und weil in den bevorzugt gewählten „gemeinnützigen“ Arbeitsfeldern einfacher, aber notwendiger Dienstleistungen keine neuen Arbeitsplätze entstanden, in die Leute hätten überwechseln können, sondern über die Jahre stetig abgebaut wurden. Um wenigstens den Charakter eines Hilfeangebots zu wahren, wurde Anfang der 80er Jahre vielfach –allen voran von Utz Krahmer, dessen Kommentierung des § 19 BSHG bis heute lesenswert ist (1) - Freiwilligkeit bei der Aufnahme dieser Beschäftigung gefordert. Das wurde jedoch zunächst vom Bundesverwaltungsgericht und dann 1993 vom Gesetzgeber nicht nachvollzogen: auch wer sich weigerte derartige „Hilfe“ anzunehmen, musste, wenn er keine Gründe vortragen konnte, was den Betroffenen mangels Aufklärung und Überblick schwer fiel, mit Sanktionen rechnen. Das eröffnete Behörden auch die Möglichkeit solche Arbeitsgelegenheiten zur verdeckten Kontrolle und ohne ernsthafte Perspektive einzusetzen und die gesetzliche Zielsetzung damit zu verändern. Arbeitslosen aus der Arbeitslosenversicherung mutete man diese Eingliederungsmaßnahme nie zu: Dort gab es ABM, SAM und Weiterbildungsmaßnahmen, selbst für Langzeitarbeitslose wurden lange Zeit Sonderprogramme mit degressiven Lohnkostenzuschüssen aufgelegt.

4.) Es gab immer auch Möglichkeiten, diese Maßnahmen sinnvoll einzusetzen, z.B. wenn sich jemand während seiner Arbeitslosigkeit in seiner Stadtteilinitiative, einem Kulturprojekt oder bei einem Wohlfahrtsverband engagieren wollte, um nicht untätig zu Hause zu sitzen, wenn jemand total überschuldet war und die Gläubiger jeden neuen Arbeitgeber abgeschreckt haben, wenn Zuwanderer hier Fuß fassen wollten, oder wenn jemand zunächst langsam oder probeweise verschiedene Arbeitsfelder kennen lernen sollte, dessen Fähigkeiten noch nicht so klar erkennbar waren. In begründeten Fällen waren sie auch zu Kontrollzwecken notwendig. Immer aber sollten nach der Rechtsprechung diese Einsätze zeitlich möglichst begrenzt sein (max. 6 Monate), möglichst nur Halbtagstätigkeiten umfassen und möglichst bald in eine echte Anschlussperspektive münden, in ein Vertragsverhältnis, eine Bildungsmaßnahme oder ähnliches. Das war ein Gebot der Verhältnismäßigkeit, weil zu berücksichtigen war, dass es sich hier eben nicht um eine vollwertige Arbeit handelt.

5.) Trotzdem hat der Einsatz dieses Instrumentes bis Ende der 90er Jahre nicht überhand genommen und das lag daran, dass auch die kommunale Sozialhilfe seine Perspektivlosigkeit erkannt hatte. Allerdings weniger aus dem Blickwinkel der Hilfebedürftigen, als aus dem der Gemeindekasse. Die Leute belasteten ja bei fehlendem Eingliederungserfolg den Sozialhilfeetat weiter. Deshalb konnten die ab Mitte der 80er Jahre in den Ländern aufgelegten Programme: „Arbeit statt Sozialhilfe“ so viele Anhänger gewinnen. Ein weiteres Förderinstrument nach § 19 BSHG war nämlich die Arbeitsgelegenheit in der Vertragsvariante - gemeinnützig und zusätzlich oder auch auf dem allgemeine Arbeitsmarkt -, wo ein richtiges Arbeitsverhältnis geschaffen und bezuschusst wurde. Das war versicherungspflichtig und mündete nach einem Jahr Mindestbestandzeit im schlimmsten Fall in den Arbeitslosengeldbezug und bei völliger Erfolglosigkeit in den dauerhaften Arbeitslosenhilfebezug. (Ganz clevere Sozialhilfeträger versuchten diesen Effekt schon nach 5 Monaten zu erzielen, als es noch die originäre Arbeitslosenhilfe gab). Nach einem Jahr erlahmte allerdings die Eingliederungsbemühung erkennbar und ohne Rücksicht auf etwa notwendige Stabilisierung der Berufserfahrung. Weil man für diese Form der Beschäftigung kurzfristig mehr Geld in die Hand nehmen musste, gab es überdies vielerorts Landeszuschüsse für die Kommune, was das ganze zusammen mit den nach 1990 sprudelnden Europamitteln noch attraktiver machte.
Für die Betroffenen hatte es ebenfalls Vorteile: zwar kurze, aber echte Arbeitsverhältnisse (zu Beginn sogar noch voll tariflich entlohnt) und danach entweder Anschlussarbeit oder wenigstens Arbeitserfahrung und Zugang zum Arbeitsamt und allen Förderangeboten des AFG - und nie mehr Sozialamt und Ein- Euro Jobs.

6.) Um sich einen ungefähren Überblick über die quantitative Verbreitung dieser Maßnahmen zu verschaffen, hier einige Daten: Eine bundesweite Umfrage des deutschen Städtetags für das Jahr 1998 erbrachte folgende Ergebnisse:
- 150.000 Vertragsverhältnisses nach § 19 Abs.1 und Abs. 2 1.Alt. BSHG.
- 132.000 Mehraufwandsverhältnisse nach § 19 Abs. 2 2.Alt. plus
- 18.000 Beschäftigungsverhältnisse nach § 20 BSHG.
Wie viel die Landkreise noch angeboten haben ist nicht zu ermitteln.

Gleichzeitig gab es in diesem Jahr nach den Angaben der Bundesanstalt für Arbeit:
- 366.555 Neueintritte in ABM Maßnahmen ( der Jahresdurchschnitt liegt etwas niedriger bei ca.210.800 ) dazu kamen ca.
- 608 000 Neueintritte in berufliche Weiterbildung und
- 66.000 in Strukturanpassungsmaßnahmen ( ohne Ost ) dazu noch im Jahresdurchschnitt
- 70.780 Förderungen von Löhnen durch Eingliederungszuschüsse. (2)

Die Bundesagentur hat im November 2005 einen Monatsbericht mit aktuellen Zahlen veröffentlicht, der auch Daten zu den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten enthält ( a.a.O. S.13 f. und Tabellen). Daraus stammen die Bestandszahlen der Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs.3 SGB II im November 2005:
- 13.764 Vertragsverhältnisse (entsprechen § 19 Abs.1 und 2 1.Alt. BSHG )
- 261.520 Mehraufwandsverhältnisse (entsprechen § 19 Abs.2 2.Alt. BSHG )
Insgesamt sind bis zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2005 schon über eine halbe Million, genau 529.369 Arbeitslose mit diesen Beschäftigungsverhältnissen „versorgt“ worden. Bei den geplanten 600.000 Bestandstellen würden so pro Jahr etwa 1,2 Millionen Menschen durch diese Stellen geschleust werden können. Die Daten sind noch vorläufig, es fehlen wohl noch Angaben von Optionskommunen, bei denen zu befürchten ist, dass sie nur Mehraufwandsverhältnisse schaffen, weil sie die SGB III Instrumente nicht kennen.

Und zum Vergleich (auch Bestand November 2005) die weiteren Integrationsmaßnahmen für Leistungsbezieher nach SGB II, die eigentlich mit der Zusammenlegung versprochen worden und vorher zumindest den Arbeitslosenhilfebeziehern auch zugute gekommen waren:
-39.388 ABM Maßnahmen ( Gesamtzahl 2005: 51.932 )
-37.849 Maßnahmen berufliche Weiterbildung ( Gesamtzahl 2005: 54.632 )
Zusätzlich werden für Versicherte im Bereich des SGB III nur noch 8.047 ABM Maßnahmen und 74.670 berufliche Weiterbildungsmaßnahmen ausgewiesen. Strukturanpassungsmaßnahmen und Lohnzuschüsse sind ausgelaufen.

Der Vergleich zu 1998 zeigt jetzt schon, dass in der Tendenz alle anderen beschäftigungsschaffenden Maßnahmen, vor allem die mit geförderten Arbeitsverträgen, zugunsten der Erweiterung der Ein- Euro Jobs abgebaut oder ganz gestrichen werden und das für alle Arbeitslosen.

7.) So hätten eigentlich alle weiterleben können, wenn, ja wenn den Akteuren das Ganze nicht zu teuer geworden wäre, wenn insbesondere der Bund nicht nach 2002 von den ansteigenden Arbeitslosenhilfekosten hätte wegkommen wolle, - vor allem in den neuen Bundesländern, wo alle Fördermaßnahmen ausgereizt waren. Plötzlich bekannte man rückhaltlos offen, dass man die kommunale Beschäftigungsförderung (gemeint war die Vertragsvariante) als „Verschiebebahnhof“ missbraucht habe, ohne noch auf eine bessere und qualifizierte Arbeitsmarkteingliederung zu achten und gelobte Besserung durch Zusammenlegung von Arbeitlosen und Sozialhilfe, was – durchaus zielbewusst und schon vor der Hartz- Kommission geplant und durch verschiedene Modellprojekte und die Bertelsmann- Stiftung vorbereitet - dann letztlich zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und gleich auch noch der Sozialhilfe in der alten Form geführt hat.

8.) „Fordern und Fördern“ lautet die neue Maxime im Sozialgesetzbuch II ( SGB II ) , die unter anderem damit begründet worden ist, dass den Sozialhilfebeziehern jetzt der direkte Zugang zu allen Fördermaßnahmen des SGB III eröffnet werden sollte. Auf dem Papier des Bundesgesetzblatts ist dieses Versprechen auch eingehalten worden: § 16 Abs. 1 SGB II sieht als Leistungen zur Eingliederung für alle Arbeitslosengeld II- Bezieher alle wesentlichen Eingliederungsleistungen des SGB III vor (bis auf die schon wieder herausgenommenen Fördermöglichkeiten für Selbständige).
Das Problem ist nur, dass sie sich diesen Zugang jetzt mit den bisher Berechtigten teilen müssen, und dass die Anzahl und Qualität der Förderplätze und vor allem die Fördermittel gegenüber dem Ansatz von etwa 1998 so massiv reduziert worden sind, dass der Prozentsatz der zu Verfügung stehenden Maßnahmen so unbedeutend geworden ist, dass man überhaupt nichts mehr davon hört. Aus dem „Sozialhilfenachlass“ ist aber als Förderleistung in §16 Abs. 3, Satz 2 SGB II auch die „zusätzliche Arbeitsgelegenheit“ ohne Arbeitsverhältnis eingeflossen, bei der statt Gemeinnützigkeit nur noch „öffentliches Interesse“ vorliegen muss. Die Plätze sollen auf 600.000 und mehr erweitert werden und jetzt den ehemaligen Arbeitslosenhilfebeziehern den direkten Zugang zu dieser ehemaligen Sozialhilfemaßnahme eröffnen, wovon vorher nie die Rede gewesen war. Seit November 2004 sollten sie sogar schon (auf noch freiwilliger Basis) den Zugang testen und man hat bereits 73.000 für solche Arbeitsplätze gewonnen. Nicht getestet wird demgegenüber die alte Vertragsvariante der Sozialhilfe, die auf verschlungenen Wegen auch noch in § 16 Abs.3 Satz 1 SGB II übernommen wurde. Auch dafür reicht das Geld nicht und das, obwohl alle geförderten Vertragsverhältnisse einschließlich ABM nicht mehr arbeitslosenversichert sind, damit über den Begünstigten immer die Drohung des Rückfalls in das Arbeitslosengeld II schwebt und sie sich besser „aktivieren".
Ob dieses Missverhältnis, mit dem ein weiteres Wahlversprechen gebrochen worden ist, rechtlich haltbar ist, wird noch zu klären sein, aber es ist im Moment so.

9.) Ein altes Instrument der Sozialhilfe hat hier nunmehr durch veränderte Rahmenbedingungen eine neue Funktion bekommen, ja wird geradezu multifunktional eingesetzt und dem möchte ich anhand einiger Stichworte nachgehen:

Ein- Euro-Jobs und Arbeitslosenstatistik:
Obwohl mit der Hartz - IV Reform erst einmal viele ( vor allem ehemalige Arbeitslosenhilfebezieher/innen mit familiärer Bindung ) vollständig aus dem Leistungsbezug gefallen sind, steigen die offiziellen Arbeitslosenzahlen seit Anfang 2005. Dies ergibt sich aus der neuen Zählweise, die Hausfrauen, alle Jugendlichen über 15 Jahren, Menschen, die Kleinkinder erziehen, und auch jeden Langzeitobdachlosen und Mehrfachbehinderten, der bisher besser in der Hilfe in besonderen Lebenslagen aufgehoben war, mitzählt und das alles nicht so sehr, um das Ausmaß der Arbeitslosigkeit ehrlich zu erfassen , als sie alle im Rahmen des Förderns und Forderns aktivieren zu können.
Aber jetzt steht der Bund vor der Aufgabe, diese Zahlen zu reduzieren und da ist dieses bisher für ihn nicht verfügbare Instrument ein einfaches und preiswertes Mittel, um Erfolge zu produzieren. Dagegen lohnen sich für ihn wegen der neuen Finanzierungsstruktur anders als bisher für die Kommunen Vertragsangebote nicht mehr.

Es ist leider nicht nur die Arbeitslosenstatistik, die durch Ein-Euro-Jobs beeinflusst wird, die als Arbeitsverhältnisse gezählt werden, obwohl sie keine sind und vermutlich sogar sozialversicherungspflichtige Arbeit verdrängen. Es ist auch die Vermittlungsstatistik der Arbeitsagentur. Statt 413.453 Vermittlungen im Vorjahr weist die Bundesagentur 2005 826.472 Abgänge durch „Vermittlung nach Auswahl und Vorschlag“ aus (Quelle: Die Welt 21.1.2006 „Zahlenspiele aus Nürnberg“). Allerdings sind nach Angaben der Bundesagentur darin auch die Vermittlungen in Ein Euro Jobs mitgezählt (auch wenn das zahlenmäßig nur angedeutet ist, können das bis zu 529.369 gewesen sein, s.o.) Und es wird auch die Statistik über Durchschnittsverdienste verändert. Das deutsche Bruttodurchschnittseinkommen 2005 ist nur um 0,4 % gestiegen. Es wäre aber um das Doppelte, nämlich um 0,8 %, gestiegen, wenn die Ein- Euro Jobs nicht neuerdings mitgerechnet würden (Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt 23.2.2006 ).
Das wäre nur eine optische Auswirkung, - wenn dieses Bruttodurchschnittseinkommen nicht auf verschlungenen Wegen auch auf die zukünftige Rentenberechnung, die sich auf die Lohnentwicklung 2005 stützt, wirken würde.
(Damit der Ein-Euro-Jobber hier keinen Vorteil hat, kommt für ihn persönlich noch eine Änderung dazu. Der bisher während seiner Tätigkeit abgeführte Rentenbeitrag von 78.- Euro (berechnet auf der Basis eines 400.- Euro Verdienstes) wird wie für alle Arbeitslosengeld II - Bezieher auf 40.- Euro pro Monat reduziert.)

Ein- Euro-Jobs und Zivildienst.
Gebraucht werden können die Stellen nach Meinung vieler für den wegfallenden Zivildienst. Aber, außer einem zufälligen zeitlichen Zusammentreffen haben Zivildienst und Hilfe zur Arbeit nichts miteinander zu tun. Wer den Zivildienst als einen öffentlichen Arbeitsdienst erhalten will, könnte ja an seiner Stelle ein verpflichtendes soziales Jahr für alle jungen Menschen einführen. Das ist nicht ehrenrührig, würde aber auch die jungen „Leistungsträger“ unserer Gesellschaft erfassen, die man mit der Abschaffung dieser Dienste von alle lästigen Gemeinschaftsaufgaben endgültig befreien möchte. Das ist der einzige Grund die neue Arbeitslosenarmee hier einrücken zu lassen.

Ein-Euro-Jobs und Workfare.
Aus dem englischen Wortspiel “from welfare to workfare” entstanden bezeichnet das etwas, was sich im Deutschen mit dem Schlagwort, von der „Arbeit statt Sozialhilfe“ zum „Arbeiten für die Sozialhilfe“ umschreiben lässt, als eine Pflicht die staatliche Existenzsicherung als Gegenleistung sozusagen „abzuarbeiten“. Schon bevor Hermann Scherl (3) diesen Zusammenhang explizit hergestellt hat, haben einige Sozialhilfeträger im Rahmen ihrer kommunalen Beschäftigungsförderung so etwas verstohlen praktiziert. Wenn man dieser Gegenleistungsvorstellung anhängt, dann ist die Mehraufwandsvariante geeignet, das umzusetzen und sich nicht mehr um richtige Arbeitsplätze zu kümmern. Das lässt sich dann aber nicht mehr als „Förderung“, “Hilfe“ oder „Integration“ tarnen. Im „Existenzgrundlagengesetz“ von Roland Koch war das Gegenleistungsmodell auch klar benannt. Im SGB II ist die Maßnahme aber wie im BSHG noch als Förder- und Eingliederungsinstrument nach vorrangigen Vertragsangeboten vorgesehen ( 4) , kann aber, wegen der wenigen Abwehrrechte der Betroffenen natürlich auch jenseits der öffentlichen Wahrnehmung umfunktioniert werden, ohne sich politisch dazu bekennen zu müssen und das ist zumindest unredlich und bisher wie unter der alten Rechtslage noch rechtswidrig.

Ein-Euro-Jobs und Jugendarbeitslosigkeit.
Während man sich bis vor kurzem noch um das Recht auf einen Ausbildungsplatz, möglichst noch unter Berücksichtigung der Neigung des jungen Menschen und einer gewissen Auswahlmöglichkeit gestritten hat, scheint das Problem jetzt gelöst: erwerbsfähige Hilfebedürftige unter 25 Jahren sind – zwingend und in dieser Reihenfolge - „unverzüglich in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit“ zu vermitteln, bei der die Bundesagentur daraufhin wirken soll, dass sie „auch“ zu Verbesserung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten beiträgt. ( § 3 Abs.2 SGB II) Warum ist man darauf wohl nicht schon früher gekommen? Weil man wusste, dass diese gesetzliche Verpflichtung nur durch massenhaften Einsatz von Arbeitsgelegenheiten zu lösen ist und davor bisher aus gutem Grund zurückschreckte. Angebote der ehemaligen Jugendberufshilfe, die umfassend die Entwicklung fördern sollten und sich auf Problemgruppen konzentrierten, haben in diesem Leistungskontext, wo noch nicht einmal mehr die Neigung des Betreffenden zu berücksichtigen ist, keinen Platz mehr, sind vom Konzept und Aufwand her zu teuer. Die Kölner Vordenker diese Modells lassen sich nicht einmal dadurch beirren, dass etwa 1/3 der mit ihren Angeboten begünstigten Jugendlichen verschwunden und trotz Nachsuche größtenteils nicht mehr aufzufinden sind. (5)

Ein-Euro-Jobs als Zuverdienstmöglichkeit.
Sollen sich die Leute doch zu den raffiniert gekürzten neuen Leistungen für Lebensunterhalt und Wohnung unbürokratisch etwas dazu verdienen! Auch das ist ein Fehlschluss, denn eine Gegenleistung für ihre Arbeit ist nicht vorgesehen. Der eine Euro, der nach Belieben auch mehr oder weniger werden kann, ist „Entschädigung für Mehraufwand“ und nichts sonst.
Es naht schon die Zeit, wo die Akteure ihren ökonomischen Beratern folgend nur noch direkt arbeitsbedingte Mehraufwendungen wie Fahrtkosten , Arbeitsmittel etc. anerkennen, die heute schon häufig die Zuzahlungen aufzehren, während ein unbezifferbarer Mehraufwand in der Lebensführung, der alleine die Lebensqualität verbessern könnte, überhaupt nicht berücksichtigt wird. Deshalb ist es – abgesehen von der völligen Entrechtung, den fehlenden Zusatzleistungen und der unvollständiger Sozialversicherung - auch unzutreffend das Einkommen, das man damit erzielen kann, nominal mit einem unteren Nettolohn zu vergleichen. Es ist auch eine unzulässige Vermischung rechtlicher Formen, wenn etwa in Materialien der Caritas ein an die Form eines Arbeitsvertrags angelehnter „Vertrag über Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit“ empfohlen wird, obwohl diese Beschäftigung nach wie vor nur durch Verwaltungsakt begründet werden kann oder wenn – wie aus Köln berichtet wird - Beschäftigungsträger bereits die Leistung Arbeitslosengeld II ausgezahlt wird, damit das Ganze „wie eine Lohnzahlung“ aussieht. (6)
Eigentlich müsste- da sind sich inzwischen alle einig - der mutwillig abgesenkte Freibetrag für Erwerbstätige (§ 30 SGB II) wieder deutlich erhöht werden vor allem wieder eine spürbare Mehrbedarfsfunktion für Arbeitende übernehmen, wie das in der Sozialhilfe vor 1993 zutreffend vorgesehen war. (7) Davor schreckt man aber noch zurück, weil man ahnt, dass man dann eine Menge echter Hungerlöhne und Minijobs würde aufstocken müssen und das wird teuer und subventioniert teilweise die falschen Arbeitsverhältnisse, so lange man sich in Deutschland nicht wenigstens zu einem moderaten Mindestlohn durchringen kann. Viele Ökonomen möchten dieses Problem schon wieder zu Lasten der Ärmsten lösen und schlagen vor, mit einer optischen Erhöhung des Freibetrags das Existenzminimum und die Mehraufwandsentschädigungen noch weiter abzusenken.

Durch eine Korrektur der §§ 11 und 30 SGB II zum 1.10.2005 ist inzwischen der Freibetrag für Erwerbstätige angehoben worden, sodass man mit einem Minijob am ersten Arbeitsmarkt wieder mehr dazuverdienen kann, als mit einem Ein-Euro-Job. Mit Teilzeitarbeit, die darüber hinausgeht, steigert sich der Zuverdienst. Allerdings benachteiligt der neue Freibetrag anders als früher ausgerechnet die Menschen stark, die bei niedrigem Verdienst hohe Werbungskosten haben.

Ein-Euro-Jobs und Gemeinwohl
Viele Menschen akzeptieren diese Beschäftigungen nur, weil sie glauben, hier werde doch etwas geleistet, was der Allgemeinheit zugute kommt, weil sie „gemeinnützig“ ist, wie es früher im BSHG hieß. Demgegenüber wird der Einsatz in der Privatwirtschaft bisher mehrheitlich abgelehnt, obwohl auch sie für die Allgemeinheit Nützliches leisten kann. Aber der Staat und die Wohlfahrtspflege bedienen sich heute zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht nur genauso regulärer Arbeitskräfte wie private Unternehmen, sie werden auch dank unermüdlichen Beratereinsatzes immer mehr geführt wie private Unternehmen und mittels Privatisierung und öffentlicher Auftragsvergabe werden öffentliche Aufgaben bei welchem Träger auch immer im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis erbracht, was jedenfalls bei Durchführung der Leistungserbringung keine Unterschiede mehr rechtfertigt. Es lässt sich z.B. nicht mehr überzeugend begründen, warum im Pflegeheim eines Wohlfahrtsverbands plötzlich zuhauf Ein-Euro-Kräfte zum Einsatz kommen sollen, nicht aber in privat betriebenen Pflegeheimen mit gleichem Angebot, es gibt keinen Unterschied mehr zwischen „gemeinnütziger“ und „privatnütziger“ Pflege.
Es gibt allerdings starke wirtschaftsliberale Kräfte, die diese Erfüllung sozialer und öffentlicher Aufgaben zwar schätzen, aber keine Geldmittel dafür zur Verfügung stellen wollen, um den privaten Reichtum so weit wie möglich von Steuern und Abgaben zu entlasten. Und für die ist es interessant, wenn wenigstens in diesem Wirtschaftsbereich Arbeitskraft billiger zur Verfügung steht, zumal wenn sie wegen noch bestehender Sozialleistungsansprüche sowieso ausgehalten werden muss. Bei genauer Betrachtung hat hier das Etikett „gemeinnützig“ außer seiner steuerrechtlichen Bedeutung nur noch die von sozialem Sprachkitsch, mit dem die Akzeptanz der Bevölkerung bei der Auflösung von Arbeitsbedingungen im Bereich notwendiger öffentlicher und sozialer- seit Abschaffung der Arbeitslosenhilfe sogar hochqualifizierter - Dienstleistungen erreicht werden soll. Das gilt verstärkt auch für die Bezeichnung als „Gemeinwohlarbeit“, die etwa beim DPWV oder in der Stadt Essen gewählt wurde.
Es geht aber noch weiter: Statt die Konsequenzen aus der Entwicklung zu ziehen und das aus einer vergangenen Zeit stammende öffentlich rechtliche Beschäftigungsverhältnis zugunsten von mehr Arbeitsverhältnissen zurückzudrängen, wird nun der umgekehrte Weg beschritten. Unter dem Etikett des „öffentlichen Interesses“ wird nun auch noch der Arbeitsmarkt der Privatwirtschaft teilweise für diese Möglichkeiten eröffnet und damit eine weitere Grenze niedergerissen. So das Beispiel aus Hamburg: private Firmen erhalten den Auftrag zur im öffentlichen Interesse liegenden Schulsanierung. Sie sollen aber nur die elementaren technischen Sanierungen durchführen. Die genauso notwendigen, nur theoretisch aufschiebbaren Schönheitsreparaturen sollen von Ein-Euro-Jobbern erledigt werden, die sie aber, weil sie sowieso schon da sind, anleiten und qualifizieren sollen. Warum erhalten sie nicht gleich einen umfangreicheren Auftrag? Auch dieses Beispiel ist nicht singulär, wie die aus Sachsen- Anhalt und anderswo gemeldeten Aktivitäten zeigen, existiert bereits ein wachsendes öffentliches Interesse am Einsatz in privaten Unternehmen.

Ein-Euro-Jobs und die Zusätzlichkeit bei kommunalen und sozialen Trägern
Wenn auch die gemeinnützige Aufgabenerfüllung keine Unterschiede mehr rechtfertigt, so gibt es doch noch die gemeinnützigen Träger, die klassisch aus ihrer Aufgabenstellung heraus solche Jobs als soziale Hilfen für bestimmte Zielgruppen anbieten. Dazu gehören die Kommunen und Wohlfahrtsverbände, aber auch Selbsthilfegruppen. Obwohl gerade hier jahrzehntelange Erfahrung mit diesem Arbeitsgebiet besteht, müssen auch sie sich neu in der Frage positionieren: die quantitative Ausweitung von Stellen und die vermehrte Zuweisung arbeitserfahrener Arbeitsloser, die diese Art der Betreuung nicht benötigen, stellt nicht nur neue ethische Fragen. Der Finanzdruck und die auch für Daueraufgaben jeweils zeitlich begrenzte und oft willkürliche Mittelzuweisung lassen ein Problem alles andere überschatten: der Arbeitsplatzabbau, die Arbeitsverdichtung bei regulären Kräften lässt einen immer größeren dauerhaften Bedarf an billigen Arbeitskräften entstehen, die faktisch nur reguläre Beschäftigungsbereiche ersetzen und – eigentlich noch schlimmer -, nichts mehr neu entstehen lassen. So sehr man sich und die Öffentlichkeit durch konsequenzlose Selbstverpflichtungen, Grundsatzerklärungen, Konsensrunden etc. dagegen absichern möchte, man kann sich diesem Sog nicht entziehen. Die versprochene „Zusätzlichkeit“, die sich unter diesen Bedingungen nur aus dem Vergleich mit einer fachlich gebotenen Personalausstattung oder mit der Ausstattung noch vor einigen Jahren ergibt, kann redlicherweise nicht garantiert werden. Und wo früher einmal im besten Falle noch ABM-Stellen zum Aufbau neuer Arbeitsfelder wie Ausländerberatung oder Schuldnerberatung genutzt wurden, werden die Kräfte heute da eingesetzt, wo die Stellen schon vor Jahren abgeschafft wurden ( z.B. hauswirtschaftliche Kräfte im Kindergarten, Kontrolleure in Verkehrsbetrieben). Die kursierenden „Ideensammlungen“ sind nichts als eine realistische Auflistung aller unterfinanzierten Bereiche, in denen niemand mehr eingestellt werden soll. Da hilft auch die Umbenennung in “In(tegrations)-Jobs“ und „Zusatzjobs“ (aus den Sozialmarketing-Sprachlaboren in Kommunen und bei der Bundesagentur) nichts und sozialverantwortliche Personalräte verweigern mit guten Gründen die Zustimmung zu derartigen „Einstellungen“. Die meisten Träger versuchen ihre Mitarbeiter zu beruhigen: man könne die armen Langzeitarbeitslosen noch besser betreuen oder schützen, als die Stellen, denen sie sonst zwangsweise zugewiesen würden. Mancher Geschäftsführer hat auch die Pauschalzahlung von 500.-€ schon als kleine Aufstockung für den regulären Personalkostenetat entdeckt. Es ist ja auch ein höherer Organisationsaufwand halbjährlich neue Kräfte einzuarbeiten und zu koordinieren, statt eine Dauerstelle zu besetzen. Und so fordern manche schon die Stellen auf 1 bis 2 Jahre auszudehnen, was in der bisherigen Sozialhilfe im Interesse der Betroffenen unzulässig war und die Zusätzlichkeit völlig in Frage stellt. Wer hier weiter die alte Eingliederungshilfe leisten möchte, der darf nicht plötzlich Tausende von neuen Ein-Euro-Jobs aus seinen Einrichtungen „zaubern“, sondern muss vor allem auf das richtige Verhältnis zwischen überwiegend Festangestellten, geförderten Kräften in der Vertragsvariante und einem quotierten ergänzenden Einsatz von Ein-Euro-Kräften achten, für die diese Stelle nach wie vor individuell erforderlich sein muss. ( 8 )

Immer deutlicher wird, dass die Zusätzlichkeit in diesem Bereich nicht zu sichern ist. Die Berichte über missbräuchlichen Einsatz in der Presse, die nur die Spitze des Eisbergs abbilden kann, weil der Rest Betriebsgeheimnis ist und angeblich dem Datenschutz unterliegt, sind bereits nicht mehr zu zählen. Besonders unter Druck gesetzt werden Betriebs- und Personalräte in den entsprechenden Betrieben, die beurteilen können, welche regulären Stellen bei Ihnen abgebaut wurden oder fehlen und wie der übrige Betriebsablauf durch den Einsatz verändert wird. Ausgerechnet diesen Arbeitnehmervertretern wird mit der Begründung, es handele sich doch überhaupt nicht um Arbeitsverhältnisse, die Mitwirkung verweigert, die ihnen auch unabhängig davon zusteht. Über die Zusätzlichkeit wird stattdessen in Geheimabsprachen zwischen Arbeitsgemeinschaften und Geschäftsführern oder Verwaltungsspitze verhandelt.
Dass dann auch öffentliche Arbeitgeber auf die Idee kommen, Ein -Euro Kräfte ganz ungeniert als Streikbrecher einzusetzen, wie aus Osnabrück und aus Karlsruhe schon bestätigt wird, mochte man nicht voraussehen, ist aber auch kein Wunder angesichts des rechtsfreien Raums und der ungezügelten Behördenmacht, die sich hier entwickelt.

Absurd wird es auch, wenn sich gemeinnützige Träger mit Ein - Euro Jobbern gegenseitig auskonkurrieren. So z.B. in Köln: da liegen die Gebrauchtmöbellager der Mülheimer Selbsthilfe (Mütze) und der sozialistischen Selbsthilfe Mülheim ( SSM ) nur einige hundert Meter voneinander entfernt. Die erstere Organisation hat 27 Ein - Euro Jobber eingeworben und bietet plötzlich die sowieso schon zu billigen Dienstleistungen noch billiger an, was bei der anderen Organisation, die diese Art der Arbeitskräftebeschaffung ablehnt, einen massiven Umsatzrückgang herbeiführt (Kölner Rundschau 3.2.2006 S. 34). Die Lebenshilfe Köln soll 12 Mitarbeiter der schulbegleitenden Dienste gekündigt haben, weil ein Mitglied der Diakonie in Köln das durch Ein- Euro Jobber abdeckt.

Ein-Euro-Jobs und Beschäftigungsträger
Aber während bei vielen dieser Träger zumindest unter den Mitarbeitern auch im Eigeninteresse noch die Diskussion um die Zusätzlichkeit geführt wird, gibt es eine Trägergruppe, die das mehrheitlich nicht kümmern muss: die gemeinnützigen Beschäftigungsträger, die schon in den vorbereitenden Modellprojekten eine treibende Rolle gespielt haben, zu immer größeren Firmen anwachsen und mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e.V. ihre Lobby aufgebaut haben. Die wenigen dort Festangestellten leben von den zugewiesenen Arbeitskräften und müssen die Zusätzlichkeit nicht einmal pro forma ausweisen. Anders als bei den Wohlfahrtsverbänden ist da auch die Freiwilligkeit kein Problem, auch für Unwillige gab und gibt es genug abschreckende und einfache Arbeitseinsätze, insbesondere Putz- und Straßenreinigungskolonnen. „Wir nehmen alle“, wie der Geschäftsführer der Hamburger „hab“ zitiert wird, die auch durch völlig sinnentleerte Beschäftigungsangebote (regelmäßige Neuverschmutzung gereinigter Flächen, ständiger Abriss und Neuaufbau der gleichen Mauer) überregional bekannt geworden ist. (9) Ob Beschäftigung mit Vertrag oder ABM wie früher, oder heute eben in anderen Formen, das ist Nebensache, wie die BAG Arbeit schon in ihrer Erklärung vom 12.5.2003 („Zukunft braucht Arbeit“) betonte. Und auch der Personalrat macht kein Problem. Oft ist bei diesen Trägern der Geschäftsführer das einzige Gewerkschaftsmitglied und sorgt dafür, dass sich keine Interessenvertretung entwickelt und dass die Gewerkschaften dieser massiven Umgehung von Arbeitsrecht unkritischer gegenüberstehen als etwa der Arbeitgeberverband Garten- und Landschaftsbau oder die Bundesinnung der Gebäudereiniger, die ansonsten nicht als sozialpolitische Vorkämpfer auffallen. Mit diesem Angebot verdrängen sie auch noch Träger, die versuchen ein zielgruppenorientiertes Angebot aufrecht zu erhalten. Gerade Träger aus der Jugendberufshilfe, die bisher ihre Eingliederungsaufgaben ernst genommen und ein anderes Menschenbild vertreten haben, kommen unter den neuen Zuweisungsbedingungen in existenzielle ethische und materielle Schwierigkeiten. Einige versuchen auch hier, sich so gut es geht zu arrangieren, andere haben sich zu Propagandisten der neuen Workfare-Ideologie entwickelt, andere haben mit mutiger Begründung die Konsequenz gezogen und die Geschäftstätigkeit eingestellt, obwohl ein Bedarf für ihr Angebot nach wie vor bestehen würde. ( 10) Die Initiative von Berliner Arbeitslosen, zwanzig Gleichgesinnte zu suchen, um dann mit der Trägerpauschale ihren eigenen Verwaltungsapparat zu finanzieren, der sie als Ein-Euro- Kräfte koordiniert, macht aus einem andern Blickwinkel die Absurdität dieses ganzen Arrangements der Beschäftigungsförderung deutlich.

Noch eleganter lassen sich die gerade beschriebenen Entwicklungen durch Beschäftigungsträger verwirklichen. Aus Hamburg wird berichtet, dass der Träger “Beschäftigung und Bildung“ und das zur evangelischen Kirche gehörende Deichhaus Ein- Euro Jobber zum begrenzten Streikbruch (Sammeln von Müll) eingesetzt haben (Junge Welt 23.2.2003 S. 5 „Erwerbslose zum Streikbruch verpflichtet.“) Damit wird der öffentliche Arbeitgeber durch Dritte im Arbeitskampf entlastet und muss sich nicht selbst die Hände schmutzig machen. Immer mehr übernehmen die Beschäftigungsträger auch als Arbeitskräfteverleiher die Rolle der gescheiterten PSA (Personal Service Agenturen). So kann man z.B. durch den Verleih von Ein-Euro-Jobbern an kommunale Einrichtungen, Krankenhäuser, Pflegeheime etc. die dortigen Arbeitnehmervertreter und Kollegen ausschalten und kann sich die Qualifizierungsprämie verdienen, ohne die Kräfte auch noch selbst beschäftigen zu müssen. Mit dem immer mehr um sich greifenden Verleih von Ein-Euro-Jobbern von einer gemeinnützigen Einrichtung an eine andere, können sie dann auch in umstrittenen Bereichen eingesetzt werden und die ohnehin schwachen Rechte von Leiharbeitnehmern werden auch noch umgangen. Mit dem - gelegentlich als Praktikum getarnten - Verleih an private Firmen wird außerdem der Einsatz von Ein-Euro-Jobbern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit unauffällig ausgeweitet.

Ein-Euro-Jobs als Hilfe und Unterstützung ehrenamtlichen Engagements.
Nein, ich habe es nicht vergessen: ein Ein-Euro-Job kann auch ein persönliches Hilfeangebot zur Eingliederung in Arbeit und Gesellschaft darstellen, wie oben unter 4.) angedeutet und es gibt neben dem Fehlen von Arbeitsmöglichkeiten eine ganze Reihe von persönlichen Beeinträchtigungen, die ein derartiges Angebot sinnvoll machen. Auch das muss angesichts der massiven Umfunktionierung und Instrumentalisierung sozialer Hilfen (11) betont werden. Aber dann dürfen sich die Träger sozialer Arbeit die Rahmenbedingungen nicht derartig aus der Hand nehmen lassen, das Angebot muss vor allem quantitativ beschränkt bleiben, um die Qualität zu erhalten und Mitnahmeeffekte zu verhindern. Schon die ca. 150 000 Stellen im Jahre 1998 waren ein bisschen zu viel.
Auch das freigewählte ehrenamtliche Engagement von Arbeitslosen kann und könnte noch Anwendungsgebiet von Ein- Euro- Jobs sein und das letzte Jahr hat gezeigt, dass viele nach sinnvollen Tätigkeiten drängen. Aber da ist die Aufwandsentschädigung ein Ausdruck von Respekt gegenüber dem Einsatz, und hat weder die Funktion der Existenzsicherung noch der zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, was eine andere Finanzierungsbasis erfordert. Eine Pervertierung ist demgegenüber, wenn für solche Einsätze auch noch Vermittler- oder Anleiterpauschalen an Bildungs- oder Beschäftigungsträger gezahlt werden. (12)
Die Bundesagentur für Arbeit soll schon Workshops organisieren, um ihre Mitarbeiter darauf vorzubereiten, dass es jetzt vermehrt nicht mehr darum gehe, zu helfen, sondern die Menschen mit der harten Wahrheit zu konfrontieren, dass man nichts mehr für ihre Integration am Arbeitsmarkt ausrichten könne( 13 ). Dann wird es aber auch höchste Zeit, die Arbeitslosen von sinnloser Verpflichtung zu Ein- Euro Jobs zu befreien.

Von Helga Spindler
gefunden auf den Nachdenkseiten


Anmerkungen:

(1) Lehr und Praxiskommentar BSHG, 6.Aufl. Nomos 2003, §§ 18 und 19 BSHG

(2) Quellen Bundesanstalt für Arbeit und : Wege aus der Sozialhilfe „Hilfe zur Arbeit“ Materialband MASSKS NRW 2000, Broschüre Nr. 1100

( 3) Scherl H.: Workfare statt Zivildienst, Sozialer Fortschrift 2004, Heft 5 S. 109 f.

(4) Krahmer U. / Spindler H.: Rechtliche Maßstäbe für die Erbringung von Arbeitsgelegenheiten für Arbeitssuchende nach § 16 Abs.3 SGB II in: NDV 2005, Heft 1 S. 17 - 24

(5) Spindler H.: Rechtsverweigerung, Ausgrenzung und fragwürdige Erfolge in vielen hundert Fällen- Die Ergebnisse aktivierender Beschäftigungsförderung durch die JobBörse Junges Köln und die beauftragten Sprungbrett- Träger, unveröff. Manuskript, 8 Seiten, Juli 2003

(6) kritisch zu den sonstigen Ergebnissen des für die Hartz - Gesetzgebung wichtigen Kölner Modells s.a. Scholz J. 5 Jahre „Fördern und Fordern“ in der Stadt Köln, Neue Praxis 2004, Heft 4, S. 399- 405

7) Spindler H.: Der Erwerbstätigenfreibetrag- seine Elemente und seine sozialpolitische Funktion , info also 2000, Heft 4 S. 181- 184; und info also 2002 , Heft 4 S. 180-181

(8) Krahmer U./ Spindler H. a.a. O Anm. 4)

(9) Carini M. Wie in einer Besserungsanstalt, taz vom 16.11.2004,Grünwald A: Einmal- Ein- Euro - Jobber, immer Ein- Euro-Jobber, Junge Welt vom 11.12.2004; ders.: Ein- Euro-Jobs ? Und Tschüs! Neues Deutschland vom 29.11.2004

(10) Berichte und konkretes Beispiel der Hamburger Firma Abakus: Gottwald G. : Laden dicht. Über den Start und die Folgen von Hartz IV, express 2005, Heft 1, S.3.Grünwald A. Neues Deutschland a.a.O. Anm. 9) .Die ganze Ambivalenz dieser Entwicklung gerade auch unter Einbeziehung der amerikanischen Parallelen wird deutlich bei: V. Eick/ B.Grell/ M. Mayer: Zwischen Sozialintegration und Arbeitszwang: Gemeinnützige Beschäftigungsinitiativen in den USA und der Bundesrepublik, WSI Mitteilungen 2004, Heft 11 S. 610- 616

11) Spindler H. Aktivierende Ansätze in der Sozialhilfe, in: Dahme/ Otto / Trube/ Wohlfahrt ( Hrsg) : Soziale Arbeit für den aktivierenden Staat, Leske + Budrich, Opladen 2003, S. 223 f. , 240

12) Meyer - Timpe U. Kalkulierter Flop, DIE ZEIT 6/2005

13) FAZ 18.2.2005, S. 15, Bericht von einem Gespräch mit dem ehemaligen Mc Kinsey Berater und jetzigen Leiter des Zentralbereichs „Produkte und Programme“ der BA, Sven Schütt.

Veröffentlicht in: Forum sozial ( Zeitschrift des DBSH, Deutscher Berufsverband für soziale Arbeit ) 2005, Heft 2, S. 11-13 und Heft 3 S. 13-15, http://www.dbsh.de/
Erweitert um einen aktuellen Nachtrag im Februar 2006

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