Hartz IV, die gute Nachricht: Überprüfungsanträge immer noch möglich
Hartz4-Plattform-Kritik: Ablehnungs-Bescheide der Ämter leugnen wahrheitswidrig weiterhin die Überprüfung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich Hartz IV insgesamt „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung und ihre ausführende Verwaltung glaubt, in Sachen Hartz IV weiterhin jenseits von Recht und Gesetz ihr eigenes Süppchen kochen zu können,“ empört sich Brigitte Vallenthin, Hartz4-Plattform Sprecherin.
„Wir schämen uns für unsere so genannten Volksvertreter, die es nach gewonnener Wahl überhaupt nicht schert, dass 48% ihrer Wähler von ihnen eine Regelsatz-Erhöhung für Hartz IV erwarten. Die schallendste Ohrfeige gegen den von der Politik so oft beschworenen Rechtsstaat ist jedoch, dass amtliche Bescheide trotz gegenteiliger Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts weiterhin wider besseres Wissen die Falschbehauptung verbreiten, als ginge es Deutschlands höchsten Richtern alleine um den Kinderregelsatz und nicht - wie infolge der Klage von Thomas Kallay geschehen - um den Regelsatz insgesamt.“
Die regionalen ARGEn und Optionskommunen versuchen die ihnen zur Zeit massenhaft ins Haus flatternden Überprüfungsanträge für Wiedergutmachungs-Rückzahlungen bei Hartz IV-Erhöhung dadurch auszutricksen, dass sie ebenso massenhaft Ablehnungsbescheide erteilen. Die ergehen – so muss man vermuten – in der Hoffnung, dass danach deutlich weniger Hartz IV-Berechtigte dagegen Widersprüche bzw. Klagen beim Sozialgericht einlegen und noch weniger die Fristen einhalten. „Wir rufen deshalb auf,“ so Brigitte Vallenthin, „nicht den Mut zu verlieren, unbedingt die Fristen einzuhalten und die nötigen Rechtsmittel weiter zu verfolgen.“
An Dreistigkeit nicht zu überbieten ist nach Auffassung der Hartz4-Plattform, dass in aktuellen Ablehnungsbescheiden zu Überprüfungsanträgen wider besseres Wissen die Unwahrheit behauptet wird. Der Hartz4-Plattform liegen zahlreiche Ablehnungsbescheide mit wahrheitswidrigem Inhalt vor, die nach Einschätzung der Arbeitsloseninitiative vermutlich die Aussichtslosigkeit weiterer Rechtsmittel vortäuschen sollen. Eine norddeutsche Optionskommune schreibt beispielsweise noch 14 Tage nach der Verhandlung in Karlsruhe, Anfang November: „Die von Ihnen angeführte Verfassungsbeschwerde bezieht sich ausschließlich auf die den Kindern zu gewährenden Regelsätze. Der einem Haushaltsvorstand zu gewährende Regelsatz wurde in höchstrichterlichen Entscheidungen bestätigt.“
Dass der Überprüfungsantragsteller ebenso die Normenkontrollklage erwähnte wird mal eben übergangen. Genauso die Tatsache, dass zwar das Bundessozialgericht den Eckregelsatz – den Satz für Erwachsene sowie Berechnungsgrundlage für Kinder – für ausreichend erklärt hat, jedoch die zentrale Klage von Thomas Kallay in Karlsruhe durch Vorlagebeschluss des Hessischen Landessozialgerichts unter Vorsitz von Richter Dr. Jürgen Borchert eben gerade dies in Zweifel gezogen und den Verfassungsrichtern zur Überprüfung vorgelegt hat. „Uns fehlt nach jahrelangen Erfahrungen mit den Ämtern und der an Peinlichkeit nicht zu überbietenden Blamage der Bundesregierung in Karlsruhe auch nur der allergeringste Glaube, dass hier Nichtwissen die amtliche Feder führte,“ stellt Brigitte Vallenthin fest.
Das ist zwar juristisch ausgefuchst formuliert, indem es von drei am 20. Oktober verhandelten Klagen die marginal behandelte Verfassungs-„Beschwerde“ erwähnt, die tatsächlich nur die Kinderregelsätze anmahnt. „Aber selbst eine so ausgefeilte, bewusste Falsch-Information zum rechtlichen Nachteil der Rückzahlungs-Berechtigten empfinden wir als nichts anderes, als es tatsächlich ist – als eine Lüge,“ stellt Vallenthin fest und fragt sich, „ob solche Bescheide überhaupt rechtswirksam sind. Selbst wenn wortgewandte Juristen sich damit die Hintertür offen gelassen haben: Wir meinten ja nur die eine Klage ... Von einem Blackout, als es in Karlsruhe mehr als drei Stunden ausschließlich um die Normenkontrollklage gegen den Eckregelsatz ging werden die ernsthaft wohl auch sich selber nicht überzeugen können.“
„Wo bleibt eigentlich die rechtliche Gerechtigkeit, wenn Behörden in rechtsverbindlichen Bescheiden ungestraft wissentlich ihre Wahrheitspflichten verletzen dürfen, während Hartz IV-Berechtigte bereits wegen ein paar zu spät gemeldeter Überzahlungs-Cents Ärger mit der Staatsanwaltschaft kriegen?“ resümiert Vallenthin.
„Und die gute Nachricht für alle, die noch keinen Überprüfungsantrag gestellt haben: Entgegen
anders lautenden Meldung können Überprüfungsanträge auch weiterhin noch bis zum Verkündungstermin in Karlsruhe gestellt werden.“
http://www.hartz4-plattform.de
Pressemitteilung, Hartz IV-Plattform vom 11.11.09