Hartz IV: Fordern, verfolgen und verwalten
Sozialverbaende und Selbsthilfegruppen ziehen nach sechs Monaten Arbeitslosengeld II Bilanz - ein Artikel aus der jungen Welt
Neben dem Ombudsrat und der Bundesregierung ziehen auch Beratungsstellen und Selbsthilfeorganisationen sechs Monate nach Einfuehrung der "Hartz VI"-Gesetzgebung Bilanz. Harald Thome von der Selbsthilfeorganisation Tacheles in Wuppertal konnte am Dienstag gegenueber der Nachrichtenagentur AFP nicht einen einzigen positiven Aspekt zur Einfuehrung des Arbeitslosengeldes II (ALG II) vermerken.
"Fordern und foerdern" sollte die Devise der Arbeitsgemeinschaften aus Kommune und Arbeitsagentur (ARGE) sein, die das ALG II verwalten, erinnerte er sich. "Doch die Behoerde funktioniert nicht", erzaehlte Thome. "Fordern, verfolgen und verwalten" beschreibe die Arbeit besser. "Die Behoerde ist einfach nicht erreichbar", berichtete der Tacheles-Mitarbeiter. Noch immer wuessten zahlreiche Arbeitslose nicht die Telefonnummer oder den Namen ihres Sachbearbeiters – nicht nur in Wuppertal, sondern auch in zahlreichen anderen Kommunen. "Wenn der Strom abgeschaltet wird oder Leute schlicht nichts zu essen haben, dann muss die Arbeitsgemeinschaft doch zumindest erreichbar sein", forderte Thome. Ein weiteres Problem seien die drohenden Zwangsumzuege. Reihenweise wuerden Arbeitslose zum Wohnungswechsel aufgefordert, haeufig wegen nur weniger Quadratmeter oder Euro. Dabei klaerten die Behoerden nicht einmal darueber auf, dass sie fuer die Umzugskosten aufkommen muessen.
Besonders ernst naehmen die Behoerden hingegen ihre Ermittlungen zur "Beduerftigkeit". Aussendienstmitarbeiter forschen nach moeglichen Partnern, zur Ueberwachung der Einkuenfte sollen Antragsteller ihre Kontoauszuege fuer sechs Monate vorlegen. "Dazu werden Frageboegen ausgepackt, bei denen jeder Datenschuetzer den Kopf schuetteln wuerde", erzaehlte Martin Behrsing vom Erwerbslosen-Forum Deutschland in Bonn. "Die Leute werden unter einen Generalverdacht gestellt." So beschaeftigt, bleibt den Sachbearbeitern fuer das Foerdern wenig Zeit. "Die Arbeitsfoerderung funktioniert so gut wie gar nicht", berichtete Thome. Nur einige junge Erwachsene unter 25 Jahren wuerden in Sprachkurse oder andere Bildungsangebote vermittelt. Fuer Aeltere gebe es schlicht nichts.
Quelle: www.jungewelt.de vom 29.06.05