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Hungerstreiks als letzter Ausweg

Gleich 2 Erwerbslose wissen zur Zeit keinen anderen Ausweg um sich gegen die Schikanen der ARGEn zu wehren.

 

»Ich weiß nicht mehr weiter«

Gütersloh: Der Erwerbslose Berndt Pfeiffer ist in der vierten Woche im Hungerstreik gegen ­schikanöse Behandlung durch die Jobcenterverwaltung.

Seit dem 3.März befindet sich Berndt Pfeiffer in Gütersloh im Hungerstreik, um gegen die menschenunwürdige Behandlung durch das Jobcenter zu protestieren. Auch nach dreieinhalb Wochen will der mittlerweile stark geschwächte Langzeiterwerbslose die Aktion nicht abbrechen. Die Hilfsorganisation Bund Soziales Zentrum Deutschland e. V. und der örtliche Kreisverband der Partei Die Linke, die Kontakt zu Pfeiffer haben und sein Anliegen nach Kräften unterstützen, konnten ihn jetzt von dem Vorhaben abbringen, auch die Flüssigkeitsaufnahme zu verweigern.

»Egal, was ich tat – bei dieser Behörde konnte ich nichts richtig machen. Ich bekam nur noch Probleme«, begründet der 54jährige seine verzweifelte Aktion. Die Behörde, das ist in diesem Fall die GT Aktiv GmbH, die in Gütersloh die Jobcenterverwaltung übernommen hat. Pfeiffer war 37 Jahre lang Drucker. Seit Beginn seiner Erwerbslosigkeit bekam er kein einziges Vermittlungsangebot. Sein Antrag auf Arbeitslosengeld II wurde viele Wochen nicht bearbeitet. Bei persönlichem Nachfragen bei der Sachbearbeiterin sei er »wie ein dummer Junge abgekanzelt worden«. Erst nach ständigen Beschwerden erreichte er die Auszahlung eines Teilbetrages.

Pfeiffer wollte arbeiten und suchte sich eine Stelle in einer Schulküche. Die 60 Euro Zuverdienst monatlich zog ihm die ARGE sogleich vom Regelsatz ab. Widerrechtlich. Auf 100 Euro Freibetrag haben Erwerbslose Anspruch. Ein weiterer Kürzungsbescheid der GT Aktiv kam, als Pfeiffer im März für drei Wochen in eine Klinik zur Behandlung gehen wollte. 80 Euro wollte man ihm vom Regelsatz abziehen – weil er ja in der Klinik etwas zu essen bekäme. Pfeifer sagte die Behandlung ab. Eines Tages kam ein GT-Aktiv-Mitarbeiter, um die Wohnung zu überprüfen. Pfeiffer hätte auf einer Terminvereinbarung bestehen können, ließ den Mitarbeiter aber herein und zeigte ihm die Räume der Wohngemeinschaft, in denen er wohnt. Prompt wurde ihm der Unterkunftssatz beträchtlich gekürzt. Er dürfe nur 30 Quadratmeter Fläche bewohnen, hieß es zur Begründung. Dabei hatte das Sozialgericht Detmold erst kurz zuvor die GT Aktiv in einem ähnlichen Fall abgemahnt: WG-Bewohner könnten auch mehrere Zimmer nutzen, wenn die monatlichen Mietkosten die festgelegten Höchstsätze nicht übersteigen, hieß es dort. Doch Pfeiffer wußte nicht, daß er kostenlose Rechtsberatung hätte in Anspruch nehmen können. In seiner Verzweiflung begann er den Hungerstreik, verbunden mit der Forderung, daß der Geschäftsführer von GT Aktiv, Fred Kupczyk, die Mietgeldkürzung zurücknimmt und sich offiziell bei ihm entschuldigt.

Doch Kupczyk, der zugleich Bürgermeisterkandidat der CDU in Halle (Westfalen) ist, hatte anscheinend Besseres zu tun. Obwohl GT Aktiv über den Hungerstreik informiert war und auch darüber, daß es Pfeiffer zunehmend schlechter ging, meldete sich der Geschäftsführer nicht. Am vergangenen Freitag suchte ihn die GT-Aktiv-Fachbereichsleiterin Ellen Stephan auf, die erstmals Fehler eingestand, aber zu keiner Entschuldigung bereit war. Am Dienstag meldete sich schließlich Kupczyk telefonisch bei Pfeiffer. Auch er gab zu, daß die Mietgeldkürzung ungerechtfertigt sei, lehnte eine offizielle und öffentliche Entschuldigung für die Schikanierung jedoch ab. Pfeiffer, der nach Aussagen seiner Mitbewohnerin mittlerweile stark geschwächt ist, brach das Gespräch daraufhin ab. Seinen Hungerstreik will er fortsetzen. »Ich kann und weiß nicht mehr weiter«, sagt er.

Quelle: Junge Welt vom 27.03.08

ARGE Mönchengladbach: Möglicher Hungertod wird in Kauf genommen!

Ein 27jähriger Hartz IV-Bezieher aus Mönchengladbach erhält wegen völlig absurden und überzogenen Forderungen seit Monaten keine ALGII-Leistungen, obwohl er ein Anrecht darauf hat. Sein gesundheitlicher Zustand ist inzwischen dramatisch und er hat den Überlebenswillen verloren. Die ARGE Mönchengladbach und das Sozialgericht Düsseldorf sehen tatenlos zu.

Mönchengladbach/Bonn – Das Erwerbslosen Forum Deutschland richtet schwere Vorwürfe gegen die Hartz IV-Behörde in Mönchengladbach, Die ARGE verweigert einem 27-jährigen Mann seit Dezember die Leistungen, nur weil der Antragsteller auf seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht besteht und er keinen Einblick in Daten gewähren will, auf die die Behörde überhaupt kein Anrecht hat und die auch völlig unnötig erhoben werden. Ein entsprechender Eilantrag von Michael S. beim Sozialgericht Düsseldorf wird seit drei Monaten verschleppt. Michael S. hat inzwischen seine Wohnung geräumt, da er diese zum 1. April verlassen muss und dann obdachlos ist. Zudem kann er sich seit Wochen kaum noch richtig ernähren und hat mit seinen 27 Lebensjahren inzwischen alle Hoffnungen aufgegeben. Das Erwerbslosen Forum Deutschland hat für die Entscheidung der ARGE Mönchengladbach kein Verständnis und fordert sie dringend und unverzüglich auf, ein Vermittlungsangebot der Initiative, dass der Geschäftsleitung der ARGE bereits zugestellt wurde, noch diese Woche anzunehmen.

»Was mir nun noch bleibt sind noch ein paar Tage bis der Körper endgültig aufhört zu funktionieren, denn immerhin haben schon zwei ‚Arbeitsämter’ behauptet, dass der Mensch auch ohne Unterhaltsleistungen überleben kann«, so Michael S., der gedacht hatte, dass er mit dem erfolgreichen Abschluss als Werkzeugmacher gute Zukunftsaussichten hätte. Doch gesundheitliche Gründe ließen die Ausübung des gelernten Berufs nicht zu und so geriet er in die Hartz IV-Mühle. Eine Umschulung, die sich als »Flop« erwies, ständige finanzielle Engpässe, weil die Hartz IV-Behörden Anträge nie rechtzeitig bearbeiten können und ein Versuch wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, was aber auf Grund der gesundheitlichen Probleme wiederum fehlschlug. Nach seiner Kündigung stellte Michael S. Ende November 2007 einen entsprechenden Antrag auf ALGII-Leistungen. Nachdem er wochenlang auf eine Reaktion der ARGE Mönchengladbach wartete, bestand Michael S. kurz vor Weihnachten auf einen Gesprächstermin. Zunächst behauptete die Mönchengladbacher Hartz IV-Behörde, er hätte niemals einen Antrag gestellt. Dieser konnte dann jedoch nach einigem Suchen gefunden werden. Dennoch wurde Michael S. seine zustehenden Leistungen versagt, weil er gewisse Ausgaben auf seinen Kontoauszügen geschwärzt hatte, die seiner Meinung nach, die Behörde nichts angingen und auch in keinster Weise seine Hilfebedürftigkeit verschleierten. Anfang Januar reichte sein Anwalt einen Eilantrag beim Sozialgericht Düsseldorf ein. Leider reagiert das Sozialgericht seit diesem Zeitpunkt nicht.

»Wir haben überhaupt kein Verständnis dafür, was die ARGE Mönchengladbach hier veranstaltet. Sie sollte wissen, dass sie hier das Leben eines Menschen aufs Spiel setzt und ihrem sozialpolitischen- und rechtlichen Auftrag nicht nachkommt. Ihr Auftrag ist nicht, dass sie Ausgaben der Vergangenheit nachschnüffelt, ob jemand zum Beispiel Gewerkschaftsbeiträge bezahlt oder Kondome im Sexshop gekauft hat. Die Kontoauszüge lagen der ARGE so vor, dass sie hätte sofort erkennen können, dass Bedürftigkeit vorliegt und kein Vermögen zu Seite geschafft wurde. Für uns das ein Amtsmissbrauch und Einschüchterung von Menschen. Leider müssen wir inzwischen auch sagen, dass derartiges schikanöses Verhalten von Mitarbeitern der ARGE Mönchengladbach kein Einzelfall sind. Die zahlreichen Beschwerden, die bei uns in den letzten Monaten über die ARGE Mönchengladbach eingegangen sind, lassen nicht den Einwand zu, es handele sich nur um Einzelfälle. In dem vorliegenden Fall bieten wir den Versuch einer Vermittlung noch diese Woche an. Es kann für uns nicht angehen, dass ein junger Mensch in einer derartigen Verfassung ist, dass ihm inzwischen der Hungertod egal ist», so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland.

Quelle: Pressemitteilung des Erwerbslosenforums vom 24.03.08

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