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Kinder haften für ihre Eltern (Interview NRW-Arbeitsminister Laumann)

Zur Eindämmung der Kosten will die Union in Hartz-IV-Familien die gegenseitige Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern wieder einführen. Dies werde Gegenstand der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD sein, kündigte der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann an. Der "gegenseitige Unterhalt in der Familie muss wieder wie früher in der Sozialhilfe gemacht werden", sagte der CDU-Politiker im NDR. Laumann ist Mitglied der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziale Sicherung von Union und SPD. Laumann schlug darüber hinaus in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" vor, die Definition der Erwerbsfähigkeit von Arbeitslosen zu überdenken. Es sei darüber "nachzudenken, ob die Erwerbsfähigkeit an die realen Arbeitsbedingungen angepasst werden" müsse. Bisher gelten Langzeitarbeitslose als erwerbsfähig, wenn sie mindestens drei Stunden am Tag arbeiten können. Sie erhalten dann Arbeitslosengeld II an Stelle der Sozialhilfe.


Quelle des folgenden Interviews:   http://www.ndrinfo.de/ndrinfo_pages_std/0,2758,OID1926640_REF6,00.html

Interview                                                                     25.10.2005      06:50

Parasiten und Schmarotzer? Was ist dran an der Hartz IV-Debatte?

Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister NRW


Gibt es wirklich einen massenhaften Missbrauch von Hartz IV?  Arbeitsminister Clement spricht davon, dass 20 Prozent der Leistungsempfänger zu unrecht Geld erhalten. Er beruft sich dabei auf Daten aus Anrufaktionen, die allerdings in Verdacht stehen, methodisch nicht einwandfrei zu sein. Fragen dazu an Karl Josef Laumann von der Union, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen.

NDR Info:   Herr Laumann, 20 Prozent Leistungsmissbrauch?

Laumann:   Ich glaube, dass das eine Schätzzahl ist von Herrn Clement, die ich weder bestätigen kann, noch dementieren will. Was ich nur weiß ist folgendes, bei der Umsetzung des Arbeitslosengeld II sind Fehler gemacht worden. Ein Fehler ist auf jeden Fall, dass es möglich ist, dass man, wenn man in einer Familie lebt, ausziehen kann, man eine neue Bedarfsgemeinschaft bilden kann und damit einen Leistungsfall auslösen kann. Ich glaube, das wird man jetzt auch in den Verhandlungen um die große Koalition verändern, dass sie wieder die häusliche Bedarfsgemeinschaft auch als eine Unterstützungsgemeinschaft ansehen. Ich glaube, dass damals bei der Einführung des Arbeitslosengeldes II auf jeden Fall der Betrag am 1. Januar zahlbar sein musste, und dass auch bei der Überprüfung der Anträge Schnelligkeit vor Genauigkeit gegangen ist. Dass da auch eine Quote drin liegt, wo man damals nicht genau hingeschaut hat, das halte ich für sehr realistisch.

NDR Info:   Wie hoch schätzen Sie denn den Leistungsmissbrauch ein?

Laumann:   Nein, ich beteilige mich an solchen Schätzungen nicht. Ich weiß nur, dass die Hartz-Leistungen einmal veranschlagt worden sind mit Kosten von 14 Milliarden pro Jahr, wir jetzt bei 26, 27 Milliarden liegen, dass wir eine riesige Verbreiterung der Bedarfsgemeinschaften haben. Ich habe einen Punkt genannt, gegenseitiger Unterhalt in der Familie, ich glaube, das muss wieder wie früher bei der Sozialhilfe gemacht werden. Ich glaube auch, dass wir die Durchführungsbehörden anders aufstellen müssen. Ich bin ganz eindeutig der Meinung, dass sie unter einer kommunalen Führerschaft sein müssen, die Kommunen kennen die Situation viel besser und natürlich muss auch kontrolliert werden bei einer so gigantischen staatlichen Leistung, ob die Menschen wirklich wahrheitsgemäße Angaben gemacht haben.

NDR Info:   Viele glauben auch, diese Missbauchsdebatte sei jetzt eine konzertierte Aktion von Union und SPD, um die Bürger sturmreif zu schießen für noch härtere Einschnitte. Was sagen Sie dazu?

Laumann:   Das glaube ich nicht, wir wissen alle, dass das Arbeitslosengeld II eine Wohnsicherung ist. Wir wissen alle, dass das kein Vermögen ist, dass die Menschen von dieser Grundsicherung leben müssen und wir wissen alle, dass wir einen sehr schwierigen Arbeitsmarkt haben und auch viele Menschen ungewollt in einer solchen Situation sind. Aber natürlich muss der Staat dafür sorgen, dass die Anreizsysteme auch so sind, dass man Arbeit annimmt, auch Arbeit annimmt, die nicht so attraktiv ist. Viele Menschen tun das, einige tun das wahrscheinlich nicht und ich glaube, dass wir das hier in diesem System auch noch besser umsetzen müssen. Ich glaube, dass wirklich ein ganz großes Problem ist, dass die Kommunen bei der Durchführung der Leistung und bei der Betreuung der betroffenen Menschen nicht den Hut auf haben. Ich glaube, dieses muss stärker eine kommunale Aufgabe werden, dann wird sich das auch besser umsetzen lassen, denn eine Bundesorganisation wie die Bundesagentur für Arbeit ist schon von ihrer Größe her bei weitem nicht mehr so flexibel, wie es die meisten Kommunen sind.

NDR Info:   Die SPD ist nun Ihr künftiger Koalitionspartner, da dürfen Sie jetzt vielleicht nicht all zu sehr draufhauen. Trotzdem noch einmal zusammengefasst: Die Politik will durch eine Reform verbessern, es entsteht aber ein Finanzdesaster und dazu noch diverse Vorlagen für ausgiebigen Missbrauch. Ist das nicht eine ungeheure Peinlichkeit?

Laumann:   Natürlich ist das eine Peinlichkeit, aber so ist es nun mal, wenn man in einer Gesetzgebung unbedingt zu einem bestimmten Datum alles umsetzen will, obwohl diejenigen, die es umsetzen sollen, in diesem Fall die Bundesagentur für Arbeit, davor riesig gewarnt haben. Ich sehe hier eher große handwerkliche Fehler, ich sehe hier auch einige inhaltliche Fehler, wir müssen erst Hartz IV reparieren, ich finde, dann müssen wir darüber reden, wie wir es besser in der Administration umsetzen.

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