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Hartz IV bringt Wohnungsmarkt ins Schleudern

Sozialhilfe verdoppelt, Miete gekappt

WAZ Lokalausgabe Bochum vom 25.05.2004

von Tom Jost

Wenn im Rahmen der 4. Hartz-Reform etwa 10 000 Bochumer zusätzlich auf das Sozialhilfeniveau abgleiten, wird das auf dem Wohnungsmarkt "Verwerfungen" auslösen. Davon ist Sozialamts-Chefin Dr. Heide Ott überzeugt.

Das "Mieterforum Ruhr" - die Gemeinschaft der regionalen Schutzvereine – fürchtet bereits die Bildung von "Arbeitslosen-Slums": Dauerarbeitslose würden sich mehr und mehr "in den billigsten und schlechtesten Wohnquartieren" konzentrieren. Eine Vorstellung, die von Ott (noch) nicht geteilt wird.

Absehbar ist aber, dass sich ab 2005 durch das künftige "Arbeitslosengeld II" (in Höhe der Sozialhilfe) die Zahl der Unterstützungsbedürftigen mehr als verdoppeln wird - In Bochum von gegenwärtig 9000 auf etwa 19 000. Denen muss die Stadt dann nicht nur 345 Euro Regelleistung, sondern auch Unterkunft und Heizung zahlen. Was das kosten wird? Zusätzlich 36 Mio Euro im Jahr, sagt Ott.

Fürs Wohnen und Heizen werden auch bei den 10 000 neuen Hilfe-Empfängern lediglich "die tatsächlichen Kosten übernommen, soweit sie angemessen sind". Als "angemessen" gilt für einen Single eine Wohnung, die nicht mehr als 270 Euro kostet - inklusive der Kosten für (Ab-)Wasser, Müll, Straßenreinigung, Flurstrom und Grundsteuer. Bei einem Mehrpersonen-Haushalt darf das alles 335 Euro kosten.

Wenn diese Grenzen überschritten werden, müssen Arbeitslose damit rechnen, dass sie die Sozialbehörde vor die Wahl stellt: Entweder Umzug in eine billigere Wohnung - oder den Mehrbetrag aus den 345 Euro selbst tragen. "Wir werden allerdings prüfen, ob das Sinn macht", sagt die Amtsleiterin. Schließlich müsste man ja auch Umzugskosten oder Mietkautionen übernehmen.

Im Augenblick ist der Bochumer Wohnungsmarkt im Bereich der Kleinwohnungen recht entspannt, teilweise gibt es sogar ein Überangebot. Doch klein ist nicht gleich billig: Für 270 und 335 Euro sind im Bereich der eher schlichten Wohnungen bis 1969 laut Mietspiegel vielleicht 45 und 60 Quadratmeter zu bekommen. Bei Mehrpersonen-Haushalten könnte es schon etwas enger werden. Trotzdem würden sich wohl eine Reihe Jobloser in die Billig-Quartiere drängen.

In der Stadtverwaltung setzt man darauf, dass verständige Vermieter lieber die Miete senken, als Leerstand zu riskieren. Dann stünden insbesondere bei Privatbesitzern kaum noch Mittel zur Instandhaltung bereit. So oder so: Da wird auf dem Weg zum Arme-Leute-Viertel das nächste Fass aufgemacht.

Hartz-Reform greift nach dem Wohnungsmarkt

Die Lunte gelegt

von Tom Jost

Mancher mag sich zurücklehnen: Was bedeutet es denn schon, wenn vielleicht 10 000 von 190 000 Bochumer Haushalten umziehen müssen, weil das Geld nicht mehr für die bisherige Bleibe reicht? Man täusche sich nicht. Erstens dauert es nach den Hartz-Reformen nur noch ein Jahr vom Jobverlust bis zum Sozialfall. Da sind auch Facharbeiter und Besserverdienende schneller weggerutscht, als es ihnen bewusst wird. Und dann sollen die Leute in billigere Quartiere umziehen. Vielleicht in jene schlichten und schlecht isolierten Nachkriegsbauten, die mutige Unternehmen endlich abzureißen beginnen? Oder in die unwirtlichen Trabantenstädte, wo's dreimal pro Woche im Hausflur brennt? Verdichtetes Wohnen mit seinen Sozialproblemen, Leerstände woanders und schrumpfende Einnahmen, wo eigentlich re-investiert werden müsste: Dies ist der übliche Weg, um ein Normalviertel in ein Problemquartier und ein Problemquartier in einen Slum zu verwandeln. Das alles wird nicht gleich 2005 so passieren, sondern schleichend und zuerst unauffällig. Aber die Lunte zu dieser Entwicklung wird schon heute gelegt.

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