Agentur bespitzelt Arbeitslose
Presseberichte über die Telefonaktion der ARGE
Hartz-Gegner: Agentur bespitzelt Arbeitslose
Die Telefonumfrage, die ein privates Call-Center in Erfurt im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit (BA) gestartet hat, dient nach Auffassung der Montagsdemonstranten keineswegs zur "Datenaktualisierung". Vielmehr wolle die BA die Arbeitslosen "bespitzeln".
Bei der letzten Montagsdemo hatte sich herausgestellt, dass am Wochenende zuvor mehrere Dortmunder, die Arbeitslosengeld II beziehen, angerufen worden waren. "Um 8.30 Uhr rief mich ein Herr an, nuschelte etwas von ,freiwillig´ und wollte von mir wissen, ob ich Arbeitslosengeld II beziehe, in irgendeiner Maßnahme stecke und an einer Vollzeitbeschäftigung interessiert sei", berichtet Rainer Wisniewski. "Erst hielt ich das für einen Scherz. Dann kam mir der Gedanke, da könnten Betrüger am Werk sein."
Ein Verdacht, dem die Dortmunder Arbeitsagentur - die WAZ berichtete - flugs entgegentrat: Die Befragung zur persönlichen Situation von Arbeitslosen sei von Nürnberg in Auftrag gegeben und diene der "Aktualisierung von Daten".
Was Martin Pausch, einer der Organisatoren der Montagsdemos, nicht nachvollziehen kann. "Alle Daten, die da abgefragt werden, liegen der Agentur bereits vor." Pausch vermutet, dass es der BA vorrangig darum gehe festzustellen, ob die Arbeitslosen erreichbar seien. Nach einer ähnlichen Umfrage zuvor bei den unter 25-jährigen Leistungsbeziehern habe das Bundeswirtschaftsministerium nicht ausgeschlossen, dass bis zu 30 Prozent zu Unrecht Arbeitslosengeld II beziehen.
Erreichbar müssten Arbeitssuchende in der Tat sein - werktags und postalisch, aber nicht telefonisch und schon gar nicht an Wochenenden, schildert Heinz S. Gosmann, Rechtsanwalt in Soest, die Rechtslage. Für die jüngste Telefonaktion der BA gebe es im geltenden Recht keine "Ermächtigungsgrundlage". Auch datenschutzrechtlich sei die Vergabe an ein privates Call-Center "sehr bedenklich".
Gosmanns juristischer Rat an die Betroffenen: Die Fragen nicht oder falsch beantworten. Besser noch: Möglichst gar nicht erst ans Telefon gehen. Der Anwalt: "Sobald man den Hörer abhebt, hat die BA ihr Ziel schon erreicht." rm
Quelle: WAZ vom 29.07.2005
Datenabgleich oder Bespitzelung?
Schikanöses Ausspionieren oder schlichter Datenabgleich" Eine Telefonaktion der Bundesagentur für Arbeit sorgt für Aufregung. Rainer Wisnewski, einer der Sprecher der Dortmunder Montagsdemonstration, ist einer der Betroffenen. Am letzten Samstag bekam er einen Anruf. Im Namen der Bundesagentur für Arbeit wurde er um "freiwillige Auskünfte" zum Bezug von Arbeitslosengeld II und seinem Interesse an einer Vollzeitbeschäftigung befragt. "Zum Datenabgleich", wurde ihm versichert.
Die Organisatoren der Montagsdemo gegen die Hartz-Reformen wittern dagegen eine gezielte Bespitzelung von Arbeitslosen. Was passiert, wenn man nicht erreichbar ist oder sich an der "freiwilligen" Befragung nicht beteiligt", fragt Martin Pausch von der Montagsdemo. Helmut Manz sieht die "Kontrollanrufe" gar als eine Art "telefonische Fußfessel". Und Gerd Pfisterer erinnert daran, dass nach einer Befragungsaktion jugendlicher Arbeitsloser in Dortmund Ende Juni von offizieller Seite gleich der Verdacht genährt wurde, dass viele Alg II-Bezieher zu Unrecht Leistungen in Anspruch nehmen.
Auch juristisch erhebt der Kreis der Montagsdemonstranten Bedenken. Weder die so genannte Erreichbarkeits-Anordnung der Bundesagentur, noch die Mitwirkungspflicht der Arbeitslosen rechtfertige das Vorgehen, stellt Rechtsanwalt Heinz S. Gosmann. Die Weitergabe von Daten an ein Call-Center, aus dem die Anrufe kamen, sei datenrechtlich ebenfalls problematisch. "Das Ganze ist ebenso unzulässig wie unsinnig", so das Fazit des Juristen.
Dem widerspricht allerdings Daniela Karlic, Sprecherin der ARGE in Dortmund. In dem Call-Center seien auch Beamte der Bundesagentur eingesetzt, dem Datenschutz sei Genüge getan. Dabei gehe es lediglich um den Datenabgleich, weil Veränderungen von den Betroffenen nicht immer gemeldet würden. Sorgen, es drohten Konsequenzen, wenn die Angerufenen nicht erreichbar seien, sind laut Karlic unbegründet: "Etwas, was freiwillig ist, hat auch keine Folgen." - Oli
Quelle: RN vom 29. Juli 2005