arge anrufe
Pressekonferenz der Dortmunder Montagsdemo, Freitag, 29.7. 05 um 11.00 Uhr
Bei der letzten Montagsdemo berichteten mehrere Teilnehmer und zufällig vorbeigehende Passanten, dass sie am Samstag Anrufe der ARGE erhalten hätten. Die ALG II-Bezieher waren sehr verunsichert und konnten sich den Anruf nicht erklären. Einige Betroffene äußerten die Angst vor Sanktionen, wenn sie telefonisch einmal nicht erreichbar seien. Inzwischen liegt auf unsere sofortige Nachfrage eine Presseerklärung der ARGE vor, und einige Zeitungen haben jetzt davon berichtet, dass es sich um eine Befragung zur Aktualisierung der vorhandenen Daten für die Arbeitsvermittlung handele. Die im Nachhinein ergangene Presseerklärung wirft allerdings mehr Fragen auf, als sie beantwortet. In unserer Pressekonferenz werden wir die Situation, dass ein Call-Center aus Thüringen Dortmunder Erwerbslose am Wochenende telefonisch überprüft, aus Sicht der Betroffenen darlegen. Wir werden kritische Fragen aufwerfen und die Weitergabe von persönlichen Daten an Dritte durch einen anwesenden Juristen beurteilen lassen.
Presserklärung der Dortmunder Montagsdemo
In den letzten Tagen und Wochen führt die Bundesagentur für Arbeit über ein beauftragtes Call Center verstärkt Telefonbefragungen von ALG II Empfängern durch. In diesem Zusammenhang hat es einige merkwürdig zu nennende Vorfälle gegeben.
Alarmiert und erschüttert durch Berichte und Befürchtungen von Betroffenen auf der Montags- demonstration und bundesweite Hinweise auf mutmaßlichen Rechtsmissbrauch halten wir es für unsere Pflicht, diese Vorfälle an die Öffentlichkeit zu tragen.
Rainer Wisnewski berichtete als direkt Betroffener im Rahmen dieser Pressekonferenz von seinem Fall. Er wurde Samstag Vormittag um 8:30 Uhr angerufen und nach Daten, die seine Angaben bei der Arbeitsagentur betreffen, gefragt! Er ist empört: „Woher sollte ich wissen, wer mich anruft? Was wäre geschehen, wenn ich nicht geantwortet hätte oder nicht zu Hause gewesen wäre? Ich werde mir das nicht gefallen lassen!“
Martin Pausch berichtete, dass eigene Recherchen und Berichte die bis heute an die Montagsdemo herangetragen wurden, ergeben haben, dass es sich hierbei um keinen Einzelfall handelt. Allein auf der Demonstration am vergangenen Montag meldeten sich etliche Betroffene. Das gleiche Bild ergibt sich aus Berichten Betroffener auf der Homepage der Dortmunder Montagsdemo und weiteren Internet-Foren.
Presseberichte (z.B. „Westfälische Rundschau“ Nr. 173 vom 28.07.2005) bestätigen die Aktion der BA erst im Nachhinein. Es wird im Bericht darauf hingewiesen, die Anrufe „dienten der Aktualisierung der vorhandenen Daten“ und „die Teilnahme sei freiwillig“.
Angenommen, diese Darstellung, die sich auf die Presseerklärung der ARGE Dortmund vom 27.07.05 stützt, ist zutreffend, dann stellen sich in diesem Zusammenhang doch einige Fragen:
- Warum gab es keine Information im Vorfeld der Aktion ?
- Warum erfolgte eine Vielzahl der Anrufe Samstags ?
- Warum wurde keiner der uns bekannten Betroffenen darauf hingewiesen, dass die Beantowrtung freiwillig ist?
- Warum findet diese Aktion in der Ferienzeit statt ?
- Hat derjenige, der nicht „freiwillig teilnimmt“, oder zufällig mehrfach nicht erreicht werden konnte evtl. mit Konsequenzen zu rechnen ?
- Wie kann ein Datenabgleich seriös per Telefon durchgeführt werden? Was nützt solch ein Datenabgleich, wenn die Teilnahme freiwillig ist? Sind die so gewonnenen „Daten“ relevant ?
- Wie sind Kosten und Nutzen einer solchen Aktion vor dem Hintergrund zu sehen, dass möglicherweise viele keine telefonische Auskunft gaben ?
- Spürt man hier Leistungsempfängern hinterher, die z.B. unabgemeldet Urlaub machen oder „Schwarzarbeit nachgehen ? Ein tatsächlicher „Schwarzarbeiter“ würde das am Telefon wohl kaum zugeben, oder ?
Die Journalistin Gaby Doemges hat bei der ARGE in Dortmund recherchiert und fragt sich: „Warum bekomme ich von der Pressstelle zuerst die Auskunft, bei den Anrufen handle es sich um Betrüger, anschließend wird mir erklärt, es handle sich um einen Datenabgleich, durchgeführt von einem Callcenter?“ Andeutungen aus Kreisen des Call Centers geben Anlass zur Vermutung, dass sich mehr dahinter verbergen könnte als „nur eine freiwillige Umfrage“.
- Wie sind dies Andeutungen zu bewerten?
Der Betriebsrat Gerd Pfisterer wies in diesem Zusammenhang auf einen Brief von Minister Clement vom Juni hin, in dem dieser bedauert, dass zu wenig Hartz IV Bescheide abgelehnt wurden. „Es ist ganz offensichtlich, dass jetzt die Hartz-Gesetze verschärft angewandt werden sollen. Nachdem die ganze Arbeitsmarktpolitik der Regierung gescheitert ist, will jetzt die Regierung von sich ablenken und die Schuld auf die Arbeitslosen und ihren angeblichen Missbrauch abwälzen Das wird ihr nicht gelingen!“
- Sollen hier Betroffene stigmatisiert oder gar kriminalisiert werden ?
Es ist ein politischer Skandal, wenn Minister Clement die von Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und sonstigen Organisationen angebotene Information, Aufklärung und Beratung für Betroffene faktisch als „Anleitung zum Sozialleistungsbetrug“ darstellt !
Die Verunsicherung bei den Betroffenen ist groß, die Umstände der Aktion geben Anlass zu großer Besorgnis. Das „Anschreiben Minister Clements an die Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen der Arbeitsgemeinschaften“ und die „Empfehlungen zur Vermeidung/Aufdeckung ungerechtfertigter Leistungszahlungen“ (siehe Anlagen) leisten dem zusätzlich Vorschub.
Wir werden die Berichterstattung und die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen, und wir werden weiterhin dafür demonstrieren, dass Hartz IV und die Agenda 2010, oder wie immer sie unter einer neuen Regierung auch heißen mögen, vom Tisch kommen. Die einzigen Arbeitsplätze, die mit diesem sozialen Kahlschlag geschaffen werden, sind aufgeblähte Verwaltungs- und Überwachungsdienste. Niemand kommt an der Tatsache vorbei, dass es einfach keine Arbeitsplätze gibt, egal wie viel Druck und Überwachung angeordnet wird.
Wir fordern vollständige Aufklärung der Öffentlichkeit, schriftliche Information aller Betroffener über ihre Rechte und Einstellung des unwürdigen Ausschnüffelns der Hartz IV Betroffenen!
Wir fordern Presse und Medien auf, sich dieser Fragen anzunehmen und hier entsprechend zu recherchieren !
ANLAGEN:
- Anschreiben des Bundesministers Wolfgang Clement an die GeschäftsführerInnen der Arbeitsgemeinschaften
- Empfehlungen zur Vermeidung / Aufdeckung ungerechtfertigter Leistungszahlungen
Telefonische Befragung von Arbeitslosengeld- II-Empfängern
Presseinformation 012/ 27. Juli 2005 JobCenterARGE Dortmund:
Dortmund - In diesen Tagen werden viele Bezieher von „Arbeitslosengeld II“ angerufen und anhand einheitlicher Fragen um Auskünfte zu ihrer persönlichen Situation als Arbeitsuchende gebeten. Diese Anrufe erfolgen zentral über ein Callcenter im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit. Sie dienen der Aktualisierung der vorhandenen Daten für die Arbeitsvermittlung.
Da Trittbrettfahrer nicht auszuschließen sind, empfiehlt der stellvertretende Geschäftsführer der JobCenter ARGE Dortmund, Reiner Schilling, den Anrufer nach der eigenen Kundennummer zu fragen. Nur so kann man sich sicher sein, dass es sich um einen seriösen Anruf handelt. "Nennt der Anrufer die Kundennummer korrekt, hat das Telefonat seine Richtigkeit. Die Teilnahme an der telefonischen Befragung ist freiwillig, wer auf die Fragen nicht antworten möchte, hat dadurch selbstverständlich keine negativen Folgen zu befürchten“, erläutert Schilling.
Berichte der Dortmunder Presse
Per E-Mail erhielten wir folgenden Kommentar:
Sehr geehrte Damen und Herren,
niemand ist verpflichtet telefonisch Auskunft über sich oder/und seine Daten zu geben. Die Tatsache, dass der Anrufer die Kundennummer angeben kann, ist kein Beweis dafür, dass es sich um einen Mitarbeiter von ARGE handelt! An die Kundennummer kann jeder kommen der z. B. Zugang zum Briefkasten des Arbeitslosen hat, einen weggeworfenen Brief findet oder an die Software der ARGE gekommen ist(Hacker). Grundsätzlich sollte jeder Angerufene dem Anrufenden erklären, dass er telefonisch keine Auskunft gibt; schon garnicht über sensibele Daten und das Telefonat zügig beenden. Wie soll den z. B. ein Gesetz den Bürger verpflichten, telefonisch jemanden Auskunft zu geben der nicht beweisen kann, dass er die Person ist für die ER/SIE sich ausgibt? Zeigen Sie mir einen Beweis der mir sicher sagen kann, dass es sich bei dem Anrufer zu 100% um einen Mitarbeiter von ARGE handelt! Es wird sich auch mit Sicherheit nicht ein Sozialrichter finden lassen, der hier einen Arbeitslosen verurteilen würde (Speere), nur weil dieser sich geweigert hat, Auskunft am Telefon zu geben. Von mir gibt es am Telefon nur den Nachnamen.