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Beratungsstelle Westhoffstraße: Die Angst vor der Spar-Axt

Die nachhaltigste Ü 30-Party des Jahres stieg am Freitag im Roxy-Kino. Dort feierte die Beratungsstelle Westhoffstraße ihr 33-jähriges Bestehen. Mehr als 30 000 notleidenden Menschen hat sie bisher geholfen. Umso größer ist jetzt die Angst vor sozialen Einschnitten.

Derjenige, der die städtische Spar-Axt zum Schwingen gebracht hat, wurde mit Beifall empfangen: Dr. Gerhard Langemeyer. „Danke schön wird viel zu wenig gesagt”, begrüßte der Noch-OB rund 150 Gäste. Dann zeichnete er ein tristes Bild der Lebenswirklichkeit in dieser Stadt. „Drei von vier Kindern leben in transferabhängigen Haushalten”, also solchen, die ohne Zuschüsse nicht über die Runden kommen. Geld allein sei noch kein sozialer Fortschritt. Dazu brauche es Einrichtungen wie die Beratungsstelle Westhoffstraße, „eine Brücke, eine helfende Hand”.

Gesichter für Lebensmut

Sie hat einiges zu tragen. Jugend-, Erziehungs-, Schwangeren-, Partnerschafts-, Familien- und Lebensberatung, dazu ambulante erzieherische Hilfen und heilpädagogische Maßnahmen laufen hier zusammen. Rund 100 Mitarbeiter beschäftigt das Haus. „Die geben uns ein Gesicht. Diese Menschen produzieren Lebensmut”, sagte Günther Ziethoff, Vorsitzender des Trägers Soziales Zentrum Dortmund.

Weil Mut Sicherheit braucht, war man schnell wieder beim Geld. Langemeyer („Haushaltslöcher hatten wir in jedem Jahr, wir haben sie stets geschlossen”) gab der künftigen Stadtspitze Tipps. Kommune und freie Träger sollten „Verträge abschließen, die über ein Haushaltsjahr und eine Ratsperiode hinausgehen”. Auch wenn es knapp werde: Der Aktionsplan Soziale Stadt müsse „mit den Mitteln ausgestattet werden, die er braucht”. Dort sei „das Geld exzellent angelegt, denn es bekämpft die Not”.

Kinder rechtzeitig abholen

Hartz IV und Jugendhilfe seien Sprengstoff für jeden Etat. Umso wichtiger: vorbeugende Beratung. „Wir müssen die Kinder rechtzeitig abholen”, sagte Langemeyer und tätschelte eines seiner Babys: „Das Familienprojekt ist ein Anfang.” Die Stadt stehe in der Pflicht. „Wenn das Rathaus nicht die Menschen motiviert, die frei arbeiten, dann: Gute Nacht.”

Wie überlebenswichtig Beratung ist, verdeutlichte die Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Marianne Schobert, an zwei Fällen. Der erste: Mit 16 sah eine junge Türkin keine Zukunftschance. Ihr Selbstmordversuch scheiterte. Heute hat sie eine abgeschlossene Ausbildung und Perspektive. Fall Nummer zwei: sexuelle Übergriffe auf Schutzbefohlene. „Eine größere Gruppe junger Frauen” habe sich bei der Beratung offenbart und sei jetzt auf der sicheren Seite. „Sie haben sich nicht gefragt, ob Sie dafür zuständig sind, Sie haben einfach geholfen”, lobte Schobert das Engagement.
Ein Empfang weniger, ein Jahr mehr Hilfe

In kalten Zeiten freiwillige Leistungen zu kürzen, das hält sie für hochgefährlich. „Wir wissen weniger als andere, aber wir sind wachsam”, spielte Schobert auf mögliche Streichszenarien an. Beim Sparen zeige ein Vergleich das richtige und das falsche Ende auf. Wenn der Verzicht auf einen einzigen Empfang der Wirtschaftsförderung 100 000 Euro bringe, müsse man wissen: „Davon können zwei Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen ein Jahr lang arbeiten.”

Quelle: WR vom 03.10.09

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