Schnüffler der ARGE Dortmund
Hausbesuche vom Ermittlungsdienst der ARGE sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Niemand muss diese Leute ohne vorherige Anmeldung in die Wohnung lassen!
Letzte Woche berichtete die Ruhr-Nachrichten über die Arbeit eines Schnüfflers des Dortmunder Arbeitslosenamtes. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass die in diesem Artikel beschriebenen Praktiken der Dortmunder ARGE nicht zulässig sind.
Informationen über die Rechtslage und Verhaltenstipps gibt es z.B. auf diesen Seiten:
www.labournet.de
www.argezeiten.de
wasg schleswig-holstein
Im Folgenden der Artikel aus den Ruhr-Nachrichten und ein Leserbrief dazu:
Detektiv-Blick aufs Doppelbett
Er ist eine Art Sherlock Holmes. Auch wenn Hubert Meier den Vergleich nicht gerne hört. Zwar trägt er keinen Deerstalker-Hut, und Pfeife raucht er auch nicht, aber für seinen Job braucht er durchaus detektivische Qualitäten. Der 39-Jährige ist beim Ermittlungsdienst der JobCenter ARGE.
Aber Hubert Meier heißt gar nicht Hubert Meier, es ist ein Phantasiename. Seinen wirklich Namen möchte er nicht nennen. Man wisse ja nie, ob nicht ein ertappter Sozialbetrüger ihm eins auswischen wolle.
In seinen zwölf Jahren Ermittlungsdienst hat Meier allerdings erst zweimal den kontrollierten Rückzug angetreten. In einem Fall empfing ihn ein Baum von einem Mann an der Tür, dessen Frau bereits ein blaues Auge hatte. "Der Mann war vom Kopfe nicht so helle, wurde immer aufgebrachter. Da habe ich den Hausbesuch abgebrochen." Was den Manne nicht vor weiterer Verfolgung schützte. Meier kam zurück. "Unsere Kunden beruhigen sich wieder. Denn letztlich wollen sie eines: Geld."
Wir begleiten Hubert Meier an einem Freitag. Morgens um 9 Uhr steigt er an der ARGE am Kaiserhain in seinen dunklen Wagen. Acht Namen hat er von den Leistungssachbearbeitern bekommen, wo er nach dem Rechten schauen soll. Die Sachbearbeiter lassen in jenen Fällen nachhaken, in denen ihnen etwas nicht geheuer vorkommt. "Es gibt aber auch immer mehr anonyme Hinweise", berichtet Meier. Der Neid-Faktor nehme zu. "Da denkt sich einer, ich muss um 5 Uhr aufstehen, während der Hartz-IV-Empfänger nebenan bis 5 Uhr feiert und sich dann nebenbei was dazu verdient."
Auch an diesem Freitag drängt sich der Verdacht auf, ob sich nicht einige der Arbeitslosen schwarz etwas dazu verdienen. Denn von den achten trifft Meier lediglich eine schwangere Frau zu Hause an. Sie ist ein klassischer Fall: Lebt sie in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder nicht? Die Frau wohnt in einer eher gut bürgerlichen Wohngegend in Holzen, auf den Balkonen blühen Geranien und Petunien. Hartz IV ist überall unter uns - nicht nur in der Nordstadt. Die Alg-II-Bezieherin hatte angegeben, sich Anfang des Jahres von ihrem Lebensgefährten getrennt zu haben. Kurz nach der Trennung habe sie festgestellt, dass sie von ihm schwanger ist.
Nun tingele sie zwischen der ehemals gemeinsamen Wohnung in Holzen und ihrer neuen in Hörde hin und her. Ihr Ex wolle zu seinen Eltern ziehen und ihr die Holzener Wohnung zur Verfügung stellen. In Hörde habe sie bereits gekündigt. Da ihr Ex arbeiten geht, müsste sein Einkommen auf ihr Alg II angerechnet werden - wenn sie doch noch ein Paar wären. Das soll Meier klären.
Sie öffnet ihm die Wohnungstür, der Vater des ungeborenen Kindes liegt noch im Bett. Im Wohnzimmer steht ein moderner Plasmafernseher, Meier wundert sich immer wieder, wovon die Leute sich das leisten. Allein sei es schwierig von 345 Euro zu leben. "Wenn man Kinder hat, geht's besser." Denn da gibt es das Sozialgeld für jedes Kind, das eben nicht in die Sprösslinge investiert wird. "An den Kindern wird dann gespart", sieht Meier tagtäglich die traurige Wahrheit.
Denn so ein Blick in eine fremde Wohnung hat fast was Intimes. Der Verwaltungsfachangestellte ist immer wieder entsetzt, "wie manche Leute hausen". Und das ein oder andere Mal hat er auch schon das Jugendamt eingeschaltet. "Eigentlich hätten die Leute Zeit, sich um ihre Kindern zu kümmern, aber sie tun es nicht."
Bei der Schwangeren ist ihm nach seinem unangekündigten Besuch die Situation immer noch nicht klar. "So ganz glaube ich ihr nicht." Zu denken gibt ihm aber, dass im Doppelbett eine Seite unbenutzt war. Meier bleibt am Ball, will sich noch die Wohnung in Hörde anschauen. Sieht die bewohnt aus? Da guckt er schon mal in den Kühlschrank, was da so drin ist. "Wenn bei einem leeren Kühlschrank jemand erklärt, dass er jeden Tag auswärts esse, frage ich mich, wovon?"
Ausgetrocknete Waschbecken und Toiletten sind ein Indiz für Meier, dass die Wohnung eigentlich unbewohnt ist und der Alg-II-Bezieher nur die Miete dafür kassiert. Er oder sie lebt hingegen beim Lebenspartner, der möglicherweise einen Job hat und dessen Einkommen bei einer eheähnlichen Gemeinschaft auf das Alg II angerechnet werden müsste. Mit der Alibi-Wohnung will man sich darum drücken.
Aber nur in etwa der Hälfte der Fälle kommt Meier tatsächlich Sozialbetrügereien auf die Schliche. In den anderen Fällen haben die Leute ihre Angaben ehrlich gemacht.
Wie etwa in einem anderen Fall an diesem Tag. An der Weingartenstraße in Hörde soll Meier klären, ob der arbeitslose Kunde tatsächlich eine eigene Wohnung im Haus seiner Mutter bewohnt. Denn für die Wohnung zahlt die ARGE die Miete. Der junge Mann ist nicht da, aber die Mutter zeigt Hubert Meier die Wohnung ihres Sprösslings. Die ist in sich abgeschlossen, eine Mietzahlung an die Mutter gerechtfertigt. Ob der junge Mann schwarz arbeitet, ist nicht Meiers Sache. "Das macht das Hauptzollamt. Die haben ganz andere Möglichkeiten." Die ARGE-Sachbearbeiter schauten sich schon mal die Kontoauszüge genauer an. "Wird in der ersten Hälfte des Monats schon das ganze Geld abgehoben, stellt sich die Frage, wovon die Leute in der zweiten leben."
Meier mag seinen Job, den er ruhig und mit professioneller Distanz ausführt. Er ist froh, dass er nicht ständig im Büro hocken muss. "Man hat immer Kontakt mit Menschen." Da stört es ihn nicht wirklich, dass sein Besuch oft nicht willkommen ist. Einen Sherlock Holmes kann eben nichts von der Wahrheitssuche abhalten. - Bettina Kiwitt
Quelle: Ruhr Nachrichten vom 06. Juli 2007
Leserbrief zu dem Artikel „Detektiv-Blick aufs Doppelbett“
Der so genannte Hr. Meier konnte seine Begeisterung für seinen Schnüffler-Job wohl gut vermitteln. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie derart unkritisch über die Praktiken des Ermittlungsdienstes der ARGE berichten. Ihrem Artikel nach hat Herr Meier gleich mehrfach gegen diverse Gesetze und auch gegen die Dienstanweisungen der BA verstoßen:
- Hausbesuche sind nur bei begründetem Verdacht zulässig.
- Der Anlass eines Hausbesuchs ist vorher den Betroffenen mitzuteilen und zu begründen.
- Der oder die Betroffene muss vorher Gelegenheit erhalten dazu Stellung zu nehmen.
- Der Besuchstermin ist anzukündigen.
- Hausbesuche sind nicht geeignet eine eheähnliche Lebensgemeinschaft festzustellen.
- (Quellen im Anhang)
Ein Hinweis, dass niemand unangekündigt den Außendienst der ARGE in seine Wohnung lassen muss fehlt in Ihrem Artikel. Statt diese Praktiken zu hinterfragen, beteiligen Sie sich an der Stimmungsmache gegen Hartz-IV-Empfänger.
Wenn der Herr Meier bei seinen nicht angekündigten Hausbesuchen nur eine von 8 Personen antrifft, wird den restlichen 7 gleich Schwarzarbeit unterstellt. – Wozu sollten Arbeitslose sonst auch das Haus verlassen?
Perfekt ist Ihre Stimmungsmache gegen Arbeitslose aber noch nicht. Sie schreiben: „Sie öffnet ihm die Wohnungstür, der Vater des ungeborenen Kindes liegt noch im Bett. Im Wohnzimmer steht ein moderner Plasmafernseher, Meier wundert sich immer wieder, wovon die Leute sich das leisten.“ Zunächst einmal liegt der Vater des ungeborenen Kindes noch im Bett – wie das halt bei Arbeitslosen so ist. Und dann wundert sich der Herr Meier auch noch über den teuren Fernseher und wie sich diese Arbeitslosen so was überhaupt leisten können. Dummerweise schrieben Sie in dem Absatz davor aber, dass es sich bei diesem Mann um jemanden handelt, der Arbeit hat.
Kinder hat der Herr Meier wohl nicht. Sonst würde er solche Aussagen wohl nicht machen: „Allein sei es schwierig von 345 Euro zu leben. "Wenn man Kinder hat, geht's besser."“ Glauben Sie das wirklich?
Wenn das Konto in der Mitte des Monats leer ist, interessiert sich die ARGE nur dafür, ob die Person möglicherweise den restlichen Monat von Schwarzarbeit lebt. Ob und was die Leute essen interessiert nicht. Ein leerer Kühlschrank beweist, dass die Wohnung nicht genutzt wird. Könnte es nicht auch darauf hindeuten, dass der Hartz-IV-Regelsatz zu niedrig ist? Dass Hartz-IV-Empfänger manchmal schon ab Monatsmitte nur noch Nudeln oder Haferflocken essen, weil kein Geld mehr übrig ist, bleibt unerwähnt.
Immerhin wird in dem Artikel festgestellt, das der Herr Meier nur der Hälfte der Menschen die er belästigt hat auch Sozialbetrug nachweisen konnte. Wie gering der Prozentsatz der Hartz-IV-Bezieher insgesamt ist, die falsche Angaben machen, erwähnen Sie leider nicht.
Ich würde mich freuen, wenn Sie ihre Leser auch darüber informieren würden, dass die Praktiken des ARGE-Ermittlungsdienstes mehr als umstritten sind – und dass auch Hartz-IV-Empfänger noch Rechte haben.