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Gesellschaft in Schieflage

"Es ist ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für die Menschlichkeit." Voilà: Die Zentrale der Tafel ist eröffnet. Dem Vorsitzenden Rüdiger Teepe fiel der letzte Baustein vom Herzen. Die Adresse Osterlandwehr 31-35 in der nördlichen Innenstadt ist der neue Umschlagplatz für 40 Tonnen Lebensmittel wöchentlich. Für 40 000 Kilogramm Ware also, die ansonsten entsorgt würde.

Teepe verdeutlichte der versammelten Gästeschar: "Man muss sich das einmal vorstellen, dass diese Lebensmittel Müll sind. Es ist vollwertige Ware, nicht abgelaufen, nicht verdorben, aber sie würde ohne uns weggeschmissen. So kommen Menschen in deren Genuss, die am Existenzminimum leben."

Dies sind nicht weniger als 15 000, und bald werden es 20 000 Bedürftige sein. Täglich kommen nämlich 300 Tafel-Pässe hinzu. Für Bürgermeister Adolf Miksch sind das erschreckende Zahlen: "Zwei Herzen wohnen in meiner Brust. Einerseits freut man sich über das Engagement für sozial Benachteiligte, andererseits muss man klar und deutlich bekennen, dass es eine Schieflage in unserer Gesellschaft gibt. Wir wären alle froh, wenn es eine solche Einrichtung nicht geben müsste."

Die Eröffnung der neuen Tafel-Zentrale, so Miksch weiter, sei der Beweis für gelebte Solidarität in unserer Gesellschaft. Der Bürgermeister: "Es gibt nicht nur das schnelle Dortmund, es gibt auch das solidarische."

Und die Hände der Helfer lassen sich kaum zählen: Rund zehn Firmen engagierten sich ehrenamtlich an der Osterlandwehr, um aus einer ehemaligen Wäscherei die neue Zentrale mit Lager, Ausgabestelle, Küche und Büroflächen zu stemmen. Ein Bautrupp mit bis zu 15 Leuten vor Ort schreckte auch vor Minus-Temperaturen nicht zurück, und ließ sich ebenso wenig von einem Dachstuhlbrand entmutigen, durch den die geplante Eröffnung Mitte März erneut verschoben werden musste. Helfende Hände werden weiterhin gebraucht: Für den (stundenweisen) Pförtnerdienst und den Hausmeister - er wohnt mietfrei.

Montags gibt's neue Pässe
Zahlen, die Mut machen, aber zugleich auch Angst. Mut, weil sich so viele Bürger engagieren, Angst, weil die Zahlen verdeutlichen, wie sehr die Schere in unserer Gesellschaft zwischen Arm und Reich auseinander driftet: Sechs Anlaufstellen für die Dortmunder Tafel gibt es schon: Neben der alten Zentrale an der Haydnstraße und der neuen an der Osterlandwehr sind es die Filialen Hörde, Körne, Asseln, Huckarde und bald auch Scharnhorst. Inzwischen rollt der sechste Lastwagen, "diesmal ein richtig großer", wie Vorsitzender Rüdiger Teepe betont, 350 ehrenamtliche Mitarbeiter, 26 mit einem Ein-Euro-Job und zweieinhalb Hauptamtliche stemmen einen inzwischen gigantischen logistischen Aufwand.

In der neuen Zentrale an der Osterlandwehr 31-35 werden montags von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr neue Pässe an Bedürftige ausgestellt, mittwochs und donnerstags ist dort die Lebensmittelausgabe zwischen 14 und 16 Uhr geöffnet. - bö

Näheres unter Tel. 8 60 20 30

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 10. April 2006
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