In der Einflugschneise herrscht Eiszeit
Turbulenzen unter den Wolken: Die Flughafengegner rüsten auf. Bei einer Informationsveranstaltung in der Aula Hacheney produzierten 280 Besucher am Mittwochabend reichlich Gegenwind.
Heftige Böen gleich nach dem Start. Die erste Durchsage kommt von Kathrin Konrad, Schülerin am Helene-Lange-Gymnasium: "Mein Wecker kann fliegen - und heißt Airbus." Kurz nach 6 sei ihre Nacht rum, 45 Minuten eher als nötig. "Und demnächst schon um 5 Uhr? Mir graut davor", so die 14-Jährige.
"Lärm macht krank", sagt Prof. Dr. med. Eberhard Greiser. Er hat eine Studie zu Gesundheitsrisiken im Umfeld eines Flughafens erstellt, am Beispiel Köln-Bonn. Die Frage: Wie reagiert eine Million gesetzlich versicherter Anlieger auf 151 000 Flugbewegungen im Jahr? Antwort: Mit immer mehr Medikamenten.
Zehnmal mehr Lärm am Phoenix-See?
Je älter die Betroffenen, desto mehr Pillen und Tropfen schlucken sie - meist gegen Bluthochdruck und Schlafstörungen. Aber auch die Krebsrate steige. "Ein beunruhigender Befund", so Greiser.
"Auch Sachwerte leiden", sagt Prof. Frank Wilke. Der Stadtplaner hat die Immobilienentwicklung in der Dortmunder Flugschneise untersucht. Ergebnis: "1,6 Milliarden Euro Wertverlust bis heute. Über die Folgen eines Ausbaus wollen wir gar nicht reden." Über eine dann doch: Eine 800 Meter längere Start- und Landebahn beschere den künftigen Referenzwohnsitzen am Phoenix-See zehnmal mehr Lärm. "Wollen wir das?", fragt Wilke. Kopfschütteln im Publikum.
Regionalplaner Dieter Faulenbach legt nach. "Jeder Flughafen ist eine Lärm-Maschine." Aber nicht zwingend eine Job-Maschine. Siehe Frankfurt: "Je mehr Fracht, desto weniger Beschäftigte." Von Nachfrage-Prognosen hält Faulenbach nichts. "Damit kann ich auch einen Seehafen in Dortmund begründen. Kreuzfahrten mag man auch hier." Aber 136 Mio. Euro Ausbaukosten für 800 000 zusätzliche Fluggäste - das rechne sich nicht. "Selbst 4,4 Millionen Passagiere gleichen das Jahresdefizit von 20 Mio. Euro nicht aus." Eine Erweiterung bringe 6 bis 8 Millionen Miese pro Jahr - zusätzlich.
Das Publikum wird unruhig. "Woher kommt das ganze Geld eigentlich? Und was können wir tun, um den Sumpf trockenzulegen?" fragt ein Besucher. "Den Energielieferanten wechseln", rät eine Greenpeace-Vertreterin. "DEW21 unterstützt den Flughafen mit vielen Millionen." Die vier Ökostromanbieter draußen auf dem Flur reiben sich die Hände.
Ein junger Mann aus Neuasseln, der die Lage undramatischer einschätzt, hat es schwer. "Buuuh!"- und "Aufhören!"-Rufe würgen wiederholte Rückfragen ab. Die "Eiszeit", die Faulenbach dem Luftverkehr voraussagt - hier hat sie schon begonnen.
Quelle: WR vom 13.11.08