Interview zur Demo gegen den Naziaufmarsch
Am 5. September wollen Neonazis aus der BRD und Europa in Dortmund (NRW) ihren so genannten „nationalen Antikriegstag“ begehen. Lokale & regionale Antifa Gruppen rufen gegen dieses Nazievent zu „Antifa Action Days“ am 4. und 5. September auf. Im Rahmen davon wird am Abend des 4. September eine antinationale Demonstration gegen Nazis, Krieg und Nationalismus mit anschließendem Konzert in der Dortmunder Innenstadt stattfinden. Zu dieser Demonstration interviewte das „Medienkommando Kölle“ für indymedia die aufrufenden Gruppen.
Wir haben uns, sowohl lokale antifaschistische Gruppen aus Dortmund als auch Gruppen aus der Region, anfang des Jahres zusammengesetzt, um dem Naziaufmarsch am 5. September in Dortmund effektiv entgegenzutreten. Hierfür bildete sich das S5-Bündnis, was am Wochenende die Infrastruktur für das Handeln vieler verschiedener Antifaschist_innen in Dortmund, auf allen Ebenen, mit allen Mitteln, sicherstellen will. Das Bündnis will allerdings nicht allein diesem einen Naziaufmarsch der Nazis einmal im Jahr in Dortmund Widerstand entgegensetzen, sondern auch im Alltag der Dortmunder Naziszene den Kampf ansagen, denn das Naziproblem ist nicht allein der alljährlicher Aufmarsch zum "nationalen Antikriegstag".
Jedoch kann es nicht alles sein, den Nazis entgegenzutreten, für uns ist auch eine Kritik an anderen Widerlichkeiten, wie z.B. der Nation,wichtig, weshalb wir mit der Anarchosyndikalistischen Jugend und dem Antifa AK Köln, sowie der Kommunistischen Gruppe Bochum eine antinationale Vorabenddemo durchführen werden. Hierbei geht es uns darum auch Kritik über das Reine gegen Nazis zu sein hinauszuführen. Dafür dient uns diese Demonstration und dazu noch eine Veranstaltung am 13. August in Dortmund im Langen August. Mehr Infos zu dieser Veranstaltung findet ihr auf der Seite aid.blogsport.de.
Frage an die Anarchistisch-Syndikalistische Jugend NRW: Ihr habt zur Vorabenddemo einen Aufruf unter den Motto: Nationalismus überwinden! geschrieben, in diesem sprecht ihr euch gegen Krieg und Nation aus. Wie seht ihr denn das Engagement der Nazis gegen Kriege?
Wir betrachten das Engagement der Nazis gegen Kriege als sehr beunruhigend. Sie selber geben sich bzw. ihrer völkisch-nationalistischen Weltanschauung das Patent für Frieden zwischen den Menschen. Aus den Texten der Dortmunder Nazigruppen geht hervor, dass Frieden nur gewährleistet werden kann, wenn alle “Völker” getrennt von einander in ihren eigenen Staaten koexistieren. Wie eine “Säuberung” im “eigenen Staat” von statten gehen soll, bleibt ein Geheimnis. Um so bedrohlicher wirkt es dann, wenn wie letztes Jahr über 1000 Nazis durch Dortmund marschieren und “Nie wieder Krieg, nach unserem Sieg” skandieren.
Doch was geschieht nach “deren” Sieg? Das Szenario mag unvorstellbar sein, wenn Nation für Nation strikt getrennt sind. Isoliert vom Weltmarkt werden schnell Interessen und Bedürfnisse geweckt, die ein autarker Staat nicht befrieden kann. Eigene Interessen werden zum “Wohlergehen der Nation” geschützt und protektionistische Maßnahmen werden ergriffen, um Wohlergehen zu gewährleisten. Um nationale Interessen letztendlich schützen zu können, sind kriegerische Interventionen vorprogrammiert. Entwickeln Nationen dazu noch die Idee von der Überlegenheit des „eigenen Volkes“, wird es schnell als legitim erachtet, Bevölkerungsschichten die nicht in dieses rassistische Bild passen sowie “schwächere” Nationen zu unterwerfen. Dann genügt der kleinste Funke, einen Krieg auszulösen. Was ein Blick auf die Geschichte Europas, insbesondere die des 20. Jahrhunderts, beweist.
Uns war es wichtig als anarchistisch-syndikalistische Organisation einen antinationalen Standpunkt zu formulieren, der genau dieses Problem thematisiert. Unser Ziel ist zu verdeutlichen, dass eine freiwillige Assoziation von Kommunen, Syndikaten etc., über Staatsgrenzen und nationale Interessen hinaus, Konkurrenz beseitigt. Dazu bedarf es eines ökonomischen Systems, welches alle Menschen einschließt und durch freiwilligen Austausch aller Güter Konkurrenz und unsolidarisches Handeln überflüssig werden lässt. Jeder Nationalismus steht dieser Utopie im Weg. Deshalb lautet unsere Devise: „Nationalismus überwinden!“.
Frage an den Antifa AK Köln: Ihr habt ebenfalls einen Aufruf zur antinationalen Demonstration am 4. September zusammen mit dem Antifaschistischen Impuls Dortmund und der Kommunistischen Gruppe Bochum verfasst. Warum seid ihr der Ansicht, dass der Hauptfeind das eigene Land sei, wie es in eurem Aufruf steht?
Zwei Momente haben uns bewegt: Zum Einen wollten wir deutlich machen, dass einer antinationalen und linksradikalen Kritik es nicht darum gehen kann, sich an den Nazis und ihrem Antisemitismus allein abzuarbeiten. Rechtsradikale Bewegungen knüpfen an die Probleme im Kapitalismus, wie Wirtschaftkrisen und Kriegen an, und versprechen den Kampf der kapitalistischen Interessen in ihren irrationalen Vorstellungen einer „Volksgemeinschaft“ stillzulegen“ (Siehe Nazi-Parole: „Nach unserem Sieg - Nie wieder Krieg!“) Darum muss ein linker Antifaschismus sich die Gesellschaftskritik auf ihre Fahnen schreiben und Ideologien wie Nationalismus und dessen gesellschaftliche Bedingungen ins Zentrum ihrer Kritik nehmen.
Zum Andern wollen wir in Hinsicht auf den Antikriegstag mit einem historischen Verweis auf Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg eine antinationale Antikriegsposition darlegen. Im Wirrwarr der Auseinandersetzungen zwischen Antideutschen und so genannten Antiimperialisten ist die jeweilige positive Bezugsnahme auf irgendwelche Staaten und/oder vorgestellten Gemeinschaften wie „Völker“ Gang und Gebe. Permanent wird versucht irgendeinen Nationalismus zu rechtfertigen oder richtig ekelhaften rechtsradikalen Bewegungen wie dem Islamismus werden Kooperationen angeboten.
Für uns ist klar, dass die Auseinandersetzung mit Krieg eine Absage an Nationalismus, Antisemitismus und Antiamerikanismus und Antiisraelismus als Voraussetzung haben muss.
Wir haben versucht im Aufruf stattdessen die Grundlagen als auch die ideologischen Legitimationen für die Kriegspolitik der BRD auseinander zu nehmen und deutlich werden zu lassen, dass vielleicht der alte „revolutionäre Defätismus“ noch das beste historische Vorbild wäre.
Darum schlagen wir ganz klar jenseits des deutschen Pazifismus vor: Kein Friede den Nationen! – Kein Friede mit Deutschland!
Frage an die anarchistisch-syndikalistische Jugend NRW: Ok. Wir haben jetzt ja schon einen ungefähren Eindruck davon bekommen, worum es euch inhaltlich geht. Erzählt doch mal kurz was für den 4. September so konkret nun geplant ist?
Erstmal ist erfreulich zu erwähnen, dass die Demo unter dem Motto von einem breiten Spektrum getragen wird. Wir denken das wird sich auch auf unsere weitere Zusammenarbeit positiv auswirken. Dies soll zunächst auf der Demo verdeutlicht werden. Es wird zahlreiche Redebeiträge unterschiedlichster Gruppen zu den Themen Krieg und Nation geben. Wir werden natürlich auch über den Naziaufmarsch am folgenden Tag und die Gegenaktivitäten informieren. Außerdem wird es einen schwarz/roten Block geben, der sich von dem ritualisierten Auftreten eines „Schwarzen Blocks“ abheben wird. Die Außenwirkung der Demo ist uns wichtig, denn wir wollen, dass wir und unsere Standpunkten wahrgenommen werden. Trotz des radikalen Mottos wollen wir ein positives, buntes Bild vermitteln.
Nach der Demo wird auf der Endkundgebung ein Konzert stattfinden, welches nicht nur das “Szenepublikum” locken, sondern auch “szenefremde” Menschen begeistern soll. Hier erhoffen wir uns durch starke Präsenz interessant zu wirken und nicht durch altbackene Klischees abzuschrecken.
Um so mehr würde es uns freuen, wenn viele der Demo- und Konzertbesucher sich überzeugen lassen, auch am Samstag auf der Antifademonstration zu erscheinen, um erfolgreich mit uns den Naziaufmarsch zu verhindern.
Frage an den Antifaschistischen Impuls Dortmund: Wo sind eigentlich weitere Informationen zur Demo am 4. September und zum Wochenende im Allgemeinen zu bekommen?
Ihr findet Informationen zur Vorabenddemo auf der eigenen Seite http://www.nationalismus-überwinden.de Dort werdet ihr alles Relevante für Freitag finden, sowie im Nachhinein eine Dokumentation der Redebeiträge und Ähnliches.
Darüberhinaus werdet ihr auf dem Blog des S5-Bündnisses, http://www.s5.noblogs.org, Informationen rund um das ganze Wochenende finden: Wo findet die große Bündnisdemo am Samstag statt, wo komme ich an Schlafplätze in Dortmund und, was geht nach der Demo am Samstag, worauf ist zu achten, wie sieht die aktuelle juristische Lage zum Naziaufmarsch aus. All solche Informationen und noch vieles weitere nützliche findet ihr auf dieser Seite. Vorbei zu surfen lohnt sich.
Frage an alle: Habt ihr der Indyleser_inneschaft noch etwas mitzuteilen oder sieht Mensch sich am 4. September auf den Straßen Dortmunds?
Anarchistische-Syndikalistische Jugend NRW:Die ASJ-NRW freut sich auf eine erfolgreiche Demonstration und auf ein noch besseres Wochenende. Es ist schön, dass es nach so langer Zeit endlich mal wieder eine Demo mit libertärem Charakter im Ruhrgebiet gibt. Wir sind überzeugt, dass das entsprechende Publikum immer noch existiert.
Antifa AK Köln: Wir sind froh jenseits aller Querellen in NRW ein gut funktionierendes und sich inhaltlich ergänzendes Bündnis zu Stande gebracht zu haben. Wir hoffen, dass die Demonstration somit auch ein Neuanfang zu sein vermag linkradikale antinationale Kritik auf der Höhe der Zeit jenseits identitärer Grabenkämpfe in Stellung zu bringen und somit eigene Akzente bei der Verhinderung des Naziaufmarsches deutlich werden zu lassen.
Wir sind guter Dinge, dass unser Vorhaben klappen wird und die Demo vielleicht die Eine oder den Anderen auf die Strasse lockt.
Nun vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt für das Interview. Wir sehen uns dann wohl in Action am 4. und 5. September in Dortmund!
Quelle: indymedia vom 20.07.09