Kinderschutz in Dortmund
Meldungen über vernachlässigte, missbrauchte und getötete Kinder schrecken uns immer wieder auf. Im Januar luden deshalb der Stadtelternbund, der Kinderschutzbund und die WAZ zu einer Diskussion zum Thema Kinderschutz in Dortmund. In der Diskussion sollte geklärt werden, wie es um den Kinderschutz in Dortmund bestellt ist – und wie die Situation verbessert werden kann.
Das Podium bestand aus je einem Vertreter der Dortmunder Ratsfraktionen, dem Leiter des Jugendamtes und jeweils einer Vertreterin von Kinderschutzbund und Kinderschutzzentrum. Ca. 50 Teilnehmer fanden den Weg zu der Veranstaltung.
Zunächst erhielt der Leiter des Jugendamtes Gelegenheit ausführlichst darzustellen, dass in Dortmund doch alles in bester Ordnung sei. Der Widerspruch dagegen hielt sich in Grenzen. Wohl auch deshalb weil ein großer Teil der Teilnehmer ihrem obersten Dienstherrn nicht widersprechen wollte. In der Diskussion ging es u.a. um die Frage ob ein flächendeckendes Netz von Hilfeeinrichtungen erforderlich ist oder ob es reicht sich auf Problemgruppen zu konzentrieren. Auch die Einrichtung einer Notrufnummer wurde ausgiebig diskutiert.
Die wirklich drängenden Probleme wurden jedoch außen vor gelassen. Ausdrücklich sollte es in der Diskussion nicht um die Verteilung von Geldern gehen – und auch die zunehmende Kinderarmut war als Thema nicht erwünscht.
Selbstverständlich vernachlässigen oder misshandeln ALG II-Empfänger nicht zwangsläufig ihre Kinder. Tatsache ist aber, dass Armut das Risiko einer Vernachlässigung oder Mißhandlung vervielfacht. Seit Einführung von Hartz IV sind die Fallzahlen beim Jugendamt rapide angestiegen.
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Jugendamtes sind hoffnungslos überlastet. Bis man einen Termin beim Jugendamt erhält, können Wochen vergehen. Die Sachbearbeiter des Jugendamtes sind z.B. auch für Sorgerechtsentscheidungen zuständig. Aus Zeitmangel müssen die Sachbearbeiter teilweise nach Aktenlage entscheiden, wo ein Kind besser aufgehoben ist - ohne die betroffenen Menschen jemals gesehen zu haben.
Mitarbeiter des Jugendamtes haben bereits Überlastungsanzeigen per Einschreiben an den Oberbürgermeister geschickt. In einem Schreiben heißt es z.B. „Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass mögliche Fehler oder Mängel in meiner Tätigkeit aus der nachstehenden geschilderten Überlastung resultieren.“ Nach Aussagen von Verdi-Vertretern fehlen im Dortmunder Jugendamt 50 Mitarbeiterinnen. Das interessiert die Dortmunder Verantwortlichen jedoch überhaupt nicht.
Viele Fälle
delegiert das Jugendamt einfach an Freie Träger wie
Kinderschutzbund und Kinderschutz-Zentrum.
Das
Kinderschutz-Zentrum bearbeitet über 500 Fälle im Jahr. Dort gibt es auch
schon einen 24-Stunden-Notruf,
wer Hilfe benötigt,
bekommt innerhalb weniger Tage einen Termin. Finanziert wird die
Arbeit des Dortmunder Kinderschutz-Zentrums zu 85 % aus Spenden.
In Deutschland gibt es 20 weitere Kinderschutzzentren. Diese werden zu 80 % aus öffentlichen Mitteln finanziert. In Dortmund, einer Stadt die als besonders kinderfreundlich gelten will, muss das Kinderschutz-Zentrum jedes Jahr 300.000 Euro mühsam erbetteln – für Aufgaben, die eigentlich das Jugendamt erledigen müsste.
Ende 2006 beantragten Kinderschutz-Zentrum und Kinderschutzbund deshalb eine Sockelfinanzierung bei der Stadt. Dies wurde abgelehnt. Begründet wurde die Ablehnung jedoch nicht – wie sonst üblich – mit einem Verweis auf die leeren Kassen. Stattdessen verweist die Dortmunder Stadtverwaltung auf die Arbeit des Jugendamtes, das den staatlichen Auftrag, das Kindeswohl zu schützen, doch voll und ganz erfülle.
Konsequent wäre es da eigentlich wenn Kinderschutzbund und Kinderschutz-Zentrum ihre Arbeit einfach einstellen würden – das Jugendamt hat ja angeblich alles im Griff.
Beitrag für die Bürgerfunksendung des Dortmunder Sozialforums, Februar 2007