Land verkauft Materialprüfungsamt an privates Unternehmen
"Wir haben bis zum Schluss gehofft" Der Nieselregen passt zur Stimmung. Als die Nachricht die Runde macht, das Land NRW werde das Materialprüfungsamt verkaufen, sind die Mitarbeiter schockiert.
Bis zum Schluss hatte niemand damit gerechnet, dass das Land einen eigenen Betrieb verscherbeln würde. "Es gibt zwar schon seit Jahren Gerüchte. Dennoch hofft man bis zuletzt." Die Mitarbeiterin, die das erzählt, möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. So wie alle anderen auch, die eine Meinung haben zum Plan des Wirtschaftsministeriums. Der sieht vor, das Materialprüfungsamt NRW mit Sitz in Dortmund und Erwitte zu verkaufen. Der Betrieb soll laut WR-Informationen an das Materialprüfungsamt Berlin-Brandenburg gehen, eine zu 100 Prozent private GmbH (Roland Hüttel GmbH).
"Wir haben geglaubt, dass sich alles noch zum Guten wendet", sagt ein Mann, der seit Jahren zum festen Mitarbeiterstamm an der Marsbruchstraße gehört. Warum er zuversichtlich gewesen ist? "Immerhin nimmt unser Amt wirklich wichtige und zum Teil brisante Aufgaben wahr." Wie zum Beispiel die sicherheitsrelevante Begutachtung von radioaktiven Geräten wie Röntgenanlagen in Industrie und Kliniken. "In meinen Augen sind das hoheitliche Aufgaben, die gehören nicht in private Hand."
Größtenteils sind es Landesbeschäftigte. Sie haben 2008 an mehreren Personalversammlungen teilgenommen. Dort sei man auf die Privatisierung eingestimmt worden. Immer wieder sei betont worden, dass es - sollte es überhaupt soweit kommen - keine betriebsbedingten Kündigungen geben solle.
Wie die vermieden werden können und ob der Standort in Dortmund angesichts der aktuellen Nachrichten über den Verkauf überhaupt gesichert ist, darüber können die insgesamt 200 Mitarbeiter (mit Erwitte) nur spekulieren.
Verdi bereits in Verhandlungen
Die Mitarbeiter, zu 60 Prozent männlich, sind größtenteils hochqualifiziert. Ingenieure, viele davon promoviert, gehören dazu. Wer an der Marsbruchstraße in Aplerbeck den Rang eines Laboranten hat, gehört zu den Geringqualifizierten.
Die Gewerkschaft Verdi ist bereits in Verhandlungen mit dem neuen Besitzer getreten. "Der Inhaber", so Verdi-Fachbereichsleiter Gregor Falkenhain, "vermittelt einen sehr kompetenten, fachkundigen Eindruck." Es herrscht aber auch Skepsis. "Wir haben mit Privatisierungen keine guten Erfahrungen gemacht", so Falkenhain. Offen ist derzeit, was im Fall einer Insolvenz des Privatunternehmens passiert. Die Beschäftigten wollen für diesen Fall ein Rückkehrrecht zum Land NRW. Die Arbeit des Brandenburger Unternehmens wird auch bei Verdi als kompetent eingeschätzt. Aber auch das NRW-Amt gilt als Perle. Seit einigen Jahren ein selbstständig wirtschaftender Landesbetrieb schreibt es in Teilbereichen schwarze Zahlen.
Quelle: WR vom 14.01.09
"Der Käufer will das Wissen der Mitarbeiter"
Das Land will sein Materialprüfungsamt (MPA) mit Sitz in Dortmund an die private Roland Hüttel GmbH in Brandenburg verkaufen. Wie berichtet, ist die Gewerkschaft Verdi bereits in Verhandlungen mit allen Beteiligten getreten.
Nicht etwa, weil wir die Privatisierung befürworten, sondern weil wir glauben, dass diese Landesregierung an ihren Plänen festhält", so der zuständige Verdi-Fachbereichssekretär in Dortmund, Michael Kötzing. Verdi ist wie die Beschäftigten des zum Verkauf stehenden Betriebes an der Marsbruchstraße ebenfalls der Auffassung, dass hoheitliche Aufgaben nicht in private Hände gehören. Bislang war das MPA u.a. für die Überwachung von Röntgengeräten in Kliniken oder der Castor-Transporte (Transport radioaktiven Mülls) zuständig, also für den Strahlenschutz zur Sicherheit der Bevölkerung. "Strahlenschutz", so Kötzing, ",war immer Aufgabe einer staatlichen Instanz."
Kötzing hob die starke Verhandlungsposition der Beschäftigten hervor. In Dortmund sind das 160 und in der Außenstelle in Erwitte nochmals 40 hochqualifizierte Fachleute. ,,Der Käufer ist speziell am Know-how interessiert. Er will die Leute mit ihrer Kompetenz, sonst nichts." Daher gehe es bei den aktuellen Verhandlungen um die Besitzstandswahrung: Der zu verhandelnde Tarif müsse dem Tarifvertrag der Länder TVL angepasst werden. Schließlich seien die Beschäftigten mehrheitlich Landesbedienstete.
Die Altersvorsorge ist ein weiterer Punkt, dem Verdi Aufmerksamkeit widmet. Auch hier sollen bestehende Ansprüche erhalten bleiben. Die Frage, welche Altersssicherung die Beamten haben - auch davon gibt es viele bei der MPA - ist nicht beantwortet. ",Beamte haben nichts einbezahlt. Das ist ja Aufgabe des Staates", erläuterte Kötzing das Problem. Das Land bzw. das Wirtschaftsministerium NRW wolle einen Betrieb verkaufen, der wirtschaftlich arbeite und schwarze Zahlen schreibe. Doch der Fachbereichssekretär machte klar: "Am Ende werden die Beschäftigten entscheiden, ob sie mitgehen. Und da der angehende Besitzer das will, wird er hoffentlich auf ihre Bedingungen eingehen." Über den weiteren Fahrplan der Verhandlungen konnte Verdi gestern keine Angaben machen.
Quelle: WR vom 15.01.09