Mahnmal Bittermark: 2000 Leute gedachten der 300 Nazi-Opfer
300 Frauen und Männer aus sieben Nationen Europas fanden vor 65 Jahren im Bittermärker Wald den Tod durch die Nazis; ermordet kurz vor der Befreiung durch US-Truppen. Karfreitag gedachten etwa 2000 Teilnehmer des entsetzlichen Geschehens.
Wenige Tage nach der Befreiung vom Hitlerregime fand man die Leichen der Ermordeten in den Bombentrichtern in diesem Wald. Das Mahnmal Bittermark erinnert seit 50 Jahren an den Massenmord.
Bürgermeisterin Birgit Jörder dankte in ihrer Rede ganz besonders den französischen Gästen, von denen viele wohl zum letzten Mal nach Dortmund gereist waren, weil sie deutlich über 80 und 90 Jahre alt sind. Die Mehrheit von ihnen war damals selbst Opfer von nationalsozialistischer Verschleppung und Zwangsdeportation.
„Sie haben diese Gräueltaten glücklicherweise überlebt und sind seit 50 Jahren stets zu uns in die Bittermark gekommen, um ihrer ermordeten Kameradinnen und Kameraden zu gedenken. Im Laufe der Jahre sind durch diesen Kontakt viele Freundschaften entstanden", sagte die Bürgermeisterin.
Dank ans Int. Rombergpark-Komitee
Ausdrücklich dankte Jörder der Generalsekretärin des Internationalen Rombergpark Komitees, Gisa Marschewski. Sie habe sehr dazu beigetragen, dass Nationen und Volksgruppen, die unter der deutschen Nazi-Diktatur unvorstellbares Leid erfahren mussten, zur Versöhnung bereit waren. Dank auch für Wolfgang Asshoff, der seit 1960 die französischen Gäste betreut und die Gedenkfeier moderiert.
Das Vermächtnis
Zur 50-Jahr-Feier der Einweihung des Ehrenmals in der Bittermark waren diesmal auch Vertreter der französischen Regierung angereist. Und Jean Chaize, Präsident des Verbandes der französischen Zwangs- und Arbeitsdeportierten, appellierte an die Jugend: "Für uns Franzosen ist es das letzte Mal, dass wir zur Gedenkfeier in die Bittermark kommen. Als unser Vermächtnis rufen wir der Jugend zu: Werdet in eurem Leben zu Fackelträgern von Freiheit und Gerechtigkeit!"
Schüler-Appell
Schüler der Theodor-Heuss-Realschule führten ihre eigene Sicht auf das
Massaker vor 65 Jahren vor. Sie beleuchteten die Schlagzeilen der
letzten Jahrzehnte zu den Karfreitags-Morden von 1945 und zur
Entstehung des Mahnmals in der Bittermark. In bewegenden Dialogen
führten sie den 2000 Gästen vor, wie sich Ausgrenzung, Unrecht und
Übergriffe heute darstellen. Es war ihr dringender Appell zu mehr
Zivilcourage.
Quelle: WR vom 02.04.10
Gedenktag am Mahnmal in der Bittermark : Erinnern - für die Zukunft
Sonnenschein und Vogelgezwitscher – sie können nicht darüber hinweg täuschen, dass dieser Boden mit Leid getränkt ist. Die Qualen der geschundenen Opfer – in Stein gemeißelt. Die Qualen der Überlebenden – in die Seelen gebrannt.
Trotz aller bedrückender Erinnerungen sind sie es, die beim Gedenktag zum 50-jährigen Bestehen des Mahnmals in der Bittermark den Blick nach vorne richten, die Mut machen: „Erinnern hat nur dann einen Wert, wenn es zum Aufbau einer neuen Zukunft dient”.
Das sagt Jean Chaize, Präsident des Verbandes der französischen Zwangs- und Arbeitsdeportierten. Zum letzten Mal seien er und seine Landsleute zu diesem Gedenktag in Dortmund – 65 Jahre nach der grausamen Ermordung von 300 Männern und Frauen, so kurz vor dem Ende der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus - gekommen.
„Eine Demokratie muss sich auch wehren”
Bald gibt es keine Augen-, nur noch Ohrenzeugen dieses düsteren Teils der Geschichte. Und Chaize fordert sie auf, die junge Generation: „Sie, die jungen Menschen, sollen Fackelträger der Versöhnung unserer beiden Völker sein”. Die Schülerinnen und Schüler der Theodor-Heuss-Realschule haben diesen Wunsch als Verpflichtung genommen. Sie tragen zur Mahnfeier bei. Definieren die Worte Mut und Zivilcourage. Das, was täglich wichtiger wird, in einer Welt, in der Gewalt, in der Krieg und Rassismus nach wie vor Alltag sind. In Afghanistan, zum Beispiel. Aber auch vor der eigenen Haustür. „Nationalsozialismus und Rechtsradikalismus haben leider nach wie vor hohe Aktualität”, mahnte Bürgermeisterin Birgit Jörder. „Wir müssen aktiv und persönlich für unsere Werte eintreten. Und: Die Ereignisse der letztjährigen 1. Mai-Kundgebung des DGB haben mir klar gezeigt, dass eine Demokratie sich auch wehren muss”.
Damit sprach sie Gisa Marschefski, Generalsekretärin des Internationalen Rombergpark-Komitees, Tochter aber auch und Nichte von zwei der ermordeten Männern von 1945, aus der Seele. „Mein Vater”, sagte sie, „er hätte uns geraten: Wehrt euch! Und er hätte gesagt: Krieg darf kein Mittel der Politik sein”.
Jean-Louis Forest, Ehrenpräsident des Verbandes der französischen Zwangs- und Arbeitsdeportierten – ausgerechnet er, der so unbedingt in Dortmund hatte dabei sein wollen, gegen den Willen seiner Frau sogar, fehlt in der 55-köpfigen Delegation aus Frankreich. Kurz vor der Reise musste er ins Krankenhaus. Unvergessen bleibt trotzdem die Hand, die er in großzügiger Geste reichte: „Niemals vergessen – Freundschaft!”
Quelle: WR vom 02.04.10