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Sozialgericht funkt bei Hartz IV SOS

Das Dortmunder Sozialgericht droht im Hartz-IV-Strudel zu versinken. Ein Jahr nach der Arbeitsmarktreform verzeichnet die Behörde einen neuen Klage-Rekord. 2005 drehten sich allein 2.700 neue Verfahren um das Arbeitslosengeld II. Und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht.

Im Gegenteil: "Wenn sich unsere personelle Ausstattung nicht ändert, können wir den Bürgern schon bald nicht mehr zeitnah helfen", funkt Gerichtssprecher Ulrich Schorn SOS. Martin Löns, der Direktor des Sozialgerichts, nennt konkrete Zahlen: "Wir brauchen fünf zusätzliche Richterstellen, ansonsten ist der Mehraufwand nicht mehr zu leisten."

Rund um Hartz IV bestehen jede Menge Problemfelder. In welcher Höhe müssen sich Leistungsempfänger Vermögen und Einkommen anrechnen lassen" Wie groß dürfen die Wohnungen sein" Ab wann gilt eine Lebensgemeinschaft auch wirklich als Bedarfsgemeinschaft" Löns: "Wenn die Verwaltung zum Beispiel tatsächlich ernst macht und in 3.000 Fällen die Wohnkosten überprüfen will, kommen auf uns ganz massive Probleme zu." Denn natürlich würde es Widersprüche hageln.

Noch vor fünf Jahren hatten die 40 Dortmunder Sozialrichter jährlich rund 12.000 Verfahren auf ihren Schreibtischen liegen. Im vergangenen Jahr ist diese Zahl auf 15.000 angestiegen, ohne dass sich an den Richterstellen etwas geändert hätte. "Wir arbeiten nach Kräften", verspricht Richter Ulrich Schorn.


Richter befürchten Qualitäts-Einbußen

Die erhöhte Arbeitsbelastung der Richter am Sozialgericht könnte für die Dortmunder Bürger gravierende negative Folgen haben.

Gerichtssprecher Ulrich Schorn zeichnet eine düstere Zukunfts-Prognose: "Je mehr Verfahren wir zu erledigen haben, desto größer ist die Gefahr, dass die Prüfung im Einzelfall nicht mehr so sorgfältig ist, wie sie sein sollte." Mit anderen Worten: Unter der Masse droht die Qualität zu leiden.

Abhilfe könnte eine Idee des Ministeriums schaffen, Richter aus den Verwaltungsgerichten für das Sozialgericht abzustellen. Dort ist die Arbeit im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen, seit die Kommunen nicht mehr für die Sozialhilfe zuständig sind.

Ein solcher Richter-Austausch funktioniert aber in der Regel nur auf freiwilliger Basis. Wer als Richter drei Jahre lang einem Arbeitsplatz zugeordnet ist, muss diesen eigentlich nicht mehr verlassen.

Ein Ende der Hartz-IV-Misere ist erst in einigen Jahren in Sicht. Da jedes Einzelproblem für die Rechtsprechung völlig neu war, existieren natürlich auch noch keine höchstrichterlichen Grundsatz-Entscheidungen. Am Bundessozialgericht sollen gerade erst die ersten Klagen eingegangen sein. Gerichts-Direktor Martin Löns: "Wir können dann in etwa zwei Jahren mit verbindlichen Richtlinien rechnen." - Martin von Braunschweig

Quelle: RN vom 02. Februar 2006


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