2. Antifaschistischer Jugendkongress - Bessere Vernetzung gegen Rechtsextremismus
Durch den brutalen Überfall auf die Mai-Demo hat der zweite Antifaschistische Jugendkongress am Wochenende an zusätzlicher Aktualität gewonnen. Zwei Tage lang setzten sich Jugendliche und Multiplikatoren mit der rechtsextremen Szene und Gegenstrategien auseinander.
Zentrale Forderungen waren dabei eine Aufarbeitung der Geschehnisse am 1. Mai, ein Verbot des Neonazi-Aufmarschs am 5. September und die Organisation eines eindrucksvollen Zeichens am selben Tag- unabhängig, ob der Aufmarsch stattfinden darf oder nicht. Die Arbeitsstelle Jugend und Demokratie, das Bündnis Dortmund gegen Rechts und der Jugendring hatten zu dem Kongress eingeladen.
„Wir können und dürfen die antidemokratischen und menschenverachtenden Ideologien nicht länger hinnehmen“, machte Michèle Weinrich vom Jugendring auf die Notwendigkeit des verstärkten Engagements aufmerksam. Gemeinsam hat man daher am Wochenende unterschiedliche Ideen und Strategien für den gemeinsamen Kampf gegen Rechtsextremismus erarbeitet. Der 1. Mai habe die Notwendigkeit zusätzlich unterstrichen, obwohl der Gewaltexzess nicht wirklich überraschend gekommen sei, machte Oliver Wilkes vom Bündnis Dortmund gegen Rechts deutlich. „Daher ist es wichtig, weiter Aufklärung zu betreiben – gerade auch unter jungen Menschen.“ Die Stärke des Kongresses: Sehr unterschiedliche Szenen kamen hier zusammen - von der Jugendverbandsszene, über Schul-Arbeitsgemeinschaften bis hin zu Antifa-Gruppen reichte das Spektrum, bilanziert Thomas Oppermann (Arbeitsstelle). Es gab an den zwei Tagen eine Vielzahl von Informations- und Workshop-Angeboten zu verschiedenen Themen – von Neonazis und Fußball über die Szene vor Ort bis hin zu Kreativaktionen.
Verstärkte Stadtteil-Aktivitäten
Der erste Abend stand ganz im Zeichen der Stadtteilarbeit. Denn viele Stadtbezirke haben mit Neonazis zu kämpfen. Sich dagegen zu vernetzen, stand im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion. Denn das Auftreten der Neonazis und ihrer politischen Vertreter werde immer dreister. Ob Aufmärsche, Stände, Flugblattaktionen: „Wir stellen ein erhöhtes Selbstbewusstsein und deutlich gestiegene Aggressivität fest“, so Wilkes. Daher sei sein Stadtbezirk das ganze Jahr gegenüber aktiv, machte Brackels Bezirksbürgermeister Karl-Heinz Czierpka (SPD) deutlich. Eine Vielzahl von Gedenkorten und –veranstaltungen brächten die Thematik in die Mitte der Gesellschaft. Außerdem setze der Runde Tisch in Brackel darauf, öffentliche Plätze teils auch mit kreativen Aktionen zu besetzen. So findet vom 4. bis 6. September die Brackeler Kulturnacht statt. Mit einer Lesereihe in einer S-Bahnstation wird ein Knotenpunkt besetzt, um die mögliche Anreise von Neonazis zu verhindern – also sie aus dem Stadtbezirk herauszuhalten. „Bisher sind wir ja mit einem blauen Auge davon gekommen“, so Czirpka.
Arbeit braucht einen "langen Atem"
Dass Stadtbezirke etwas bewegen können, machte der frühere stellvertretende Bezirksbürgermeister der westlichen Innenstadt und Dorstfeld, Manfred Krüger-Sandkamp (Grüne), deutlich. „Allerdings braucht man dafür einen langen Atem“, betonte er mit Blick auf die langwierigen und erfolgreichen Gespräche mit Vermietern, die Neonazis auf den Leim gegangen und ihnen Wohnungen und Ladenlokale vermietet hatten und anschließend Kündigungen aussprachen.
Einen wichtigen Fokus müsse man allerdings auf Schulen legen: „Vor den Schulen stehen die Neonazis schon seit Jahren“, betonte Krüger-Sandkamp. Allerdings sei das Helene-Lange-Gymnasium das erste gewesen, das dies öffentlich gemacht habe. „Bisher wurde das Thema aus Scham totgeschwiegen.“ Aber auch andere Schulen seien seit Jahren aktiv, ohne das öffentlich zu machen. Das unterstrich auch Yinka Aranmolate von der Bezirksschülervertretung, die eine Vielzahl von Projekten an Schulen unterstützt. „Man muss dort eine massive Aufklärungsarbeit leisten, weil das Auftreten der Nazis dort immer dreister wird.“ Dabei will auch das Respekt-Büro des Jugendamtes leisten: Gemeinsam mit dem Jugendring hat man die „Respekt“-Kampagne neu aufgelegt. Gezielt wurde die Schulen angefahren, die die Neonazis heimgesucht haben. „Wir haben ein sehr positives Feedback bekommen“, so Wossmann.
Plädoyer für kontinuierliches Engagement
Ein Plädoyer für fortgesetztes Engagement hielt Ute Guckes von der Aktion „Gesicht zeigen“ in Eving. Begonnen hatte die Bürgerinitiative, weil sich die Rechten vor Jahren mitten in einem Wohngebiet breit gemacht hatten. Durch massiven Druck hatten die Anwohner sie vertrieben. Allerdings setzte man sein Engagement auch nachher fort, verlegte sich auf Erinnerungsarbeit und Information. Durch die „Nationale Front Eving“ bekommt die Initiative neue Arbeit.
Brackels Bezirksbürgermeister plädierte dafür, die Stadtteile stärker zu vernetzen – und dabei auch weiter zu gehen als bisher. Zur Not auch durch zivilen Ungehorsam, so Czierpka. Die Straßen müssten blockiert werden: „Es ist unerträglich, dass Neonazis durch unsere Straßen marschieren.“
Ideologische Grabenkämpfe überwinden
Allerdings sei dafür auch mehr Zivilcourage nötig. Denn der Überfall auf die Mai-Demo habe viele Demokraten verunsichert. „Es herrscht massive Angst, ob man sich überhaupt noch engagieren soll“, berichtet Zuhörer Heiko Hamer. „Wir brauchen daher eine neue Bereitschaft, sich zu engagieren. Und eine Nachbarschaft, auf die ich mich auf meine Nachbarschaft verlassen kann“, warb er für eine Renaissance der Runden Tische vor Ort. Dafür machte sich auch Nursel Konak (Fraktion Die Linken im Rat) stark: So wie in ihrem Stadtbezirk in Lütgendortmund gebe es zu wenige organisierte Aktivitäten. Die geleistete Arbeit, zum Beispiel in Schulen, müsste daher auch durch die Bezirksparlamente gestärkt werden. Dafür müsse man aber auch zur Not über den eigenen Schatten springen können, forderte Yinka Aranmolate: „Wir brauchen mehr Kompromissbereitschaft und keine ideologischen Grabenkämpfe.“
Quelle: WR vom 17.05.09