Dortmund - fast das Schlusslicht in NRW?
Udo Mager, oberster Wirtschaftsförderer der Stadt, bleibt entspannt: Bei einem Vergleich unter bundesweit 409 Kreisen und Städten landet Dortmund, was Wohlstand, Arbeitsmarkt und Wirtschaftskraft betrifft, im unteren Drittel auf Rang 335.
In der NRW-weiten Hitliste zählt Dortmund sogar zu den Schlusslichtern und findet sich unter 54 Städten und Kreisen abgeschlagen auf Rang 50 wieder. Nur Hamm, Duisburg, Herne und Gelsenkirchen schneiden schlechter ab. So liest sich die aktuelle Studie der vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall finanzierten „Neue Initiative Soziale Marktwirtschaft”.
Leider, so Mager, komme den Faktoren „Wohlstand” und „Arbeitsmarkt” das größte Gewicht zu. „Dass eine Stadt, die im Strukturwandel steckt, dabei eher schwächere Daten aufweist, liegt auf der Hand.” Bei anderen, in die Zukunft gewandten Kriterien wie Firmengründungen, Bruttoinlandsprodukt und Qualifaikation der Arbeitskräfte erreiche Dortmund durchweg gute Noten. „Nur leider werden sie nicht so stark gewichtet.”
Fettes Minus bei Wohlstand und Arbeitsmarkt
Tatsächlich sammelt Dortmund bei Wohlstands- und Arbeitsmarktdaten fette Minuspunkte. Die Kaufkraft (17 794 Euro/Einwohner) liegt unter dem Mittel von bundesweit 18 541 Euro. Entsprechend bescheiden der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer: Mit 280 Euro/Einwohner kommt Dortmund soeben über dem Schnitt von 282 Euro. Kräftig ins Kontor schlägt die hohe Arbeitslosenquote mit 15,1 Prozent in 2008. Gerade 53,8 Prozent aller Erwerbsfähigen (bundesweit 60 Prozent) haben einen Job, und die Geringfügig Beschäftigten sind da bereits eingerechnet. Die hohe Dichte an ALGII-Empfängern und die nicht minder hohe Zahl junger Arbeitsloser bringen weitere Punktabzüge . Auch wundert es nicht, dass mit 13,8 Prozent deutlich mehr Bürger verschuldet sind als bundesweit (9,6 Prozent). Mit dieser Quote reiht sich Dortmund auch in NRW in die unteren Zonen ein - Platz 44 von 54.
Die Spitze des Schuldenturms erreicht Dortmund zwar nicht. Aber mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 1921 Euro liegt die Stadt über dem Schnitt von 1456 Euro, kann aber in NRW zumindest mit Rang 37 einen Mittelfeldplatz belegen. Nachholbedarf sieht die Studie bei der Kinderbetreuung. Der Anteil der betreuten Sprößlinge unter 8 Jahren beträgt 48,1 Prozent, deutschlandweit 54,3 Prozent. Sogar in NRW rangiert Dortmund an gerade 21. Stelle.
Gut bei Hightech-Jobs
Obschon es einen hohen Anteil Niedriglöhner gibt, kommt der Vergleich zu dem Schluss, dass die Arbeitskosten (Arbeitnehmerentgelt) mit 34 806 Euro pro Beschäftigtem/Jahr höher ausfallen als in vielen anderen Städten. Neben einer großen Zahl an ALGII-Empfängern und Geringverdienern arbeiten in Dortmund auch 10,8 Prozent Hochqualifzierte (bundesweit 7,8 Prozent) in High-Tech-Branchen: Belohnung: Platz 8 in NRW und Platz 59 im Bund.
Auf 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte kommen 3,2 Ingenieure - deutschlandweit sind es 2,2 Pluspunkte gibt's für die Produktivität. Jeder Erwerbstätige erwirtschaftet Güter und Dienstleistungen im Wert von 66 437 Euro - das liegt über dem Bundesschnitt von 58 299 Euro. Den Durchmarsch bis auf Platz 2 in NRW macht Dortmund bei den Unternehmensgründungen: Pro 1000 Einwohner gibt es 3,3 Gewerbeanmeldungen. Auch die Bevölkerungsentwicklung spricht für Dortmund: Die Einwohnerzahlen gehen langsamer zurück als andernorts. Und: Als Oberzentrum bietet Dortmund Arbeitsplätze für Menschen aus dem Umland. Auf 100 Einwohner kommen 3,9 Einpendler. In vielen anderen Städten sieht es umgekehrt aus: Rang 9 in NRW.
Olpe ganz vorn
- Trotz der relativ bescheidenen Wirtschaftsdaten werde Dortmund von der Konjunktukrise „eher schwach betroffen” sein, sagt die Studie.
- „In Sachen Marketing ist Dortmund spitze”, urteilt Michael Bahrke, IWConsult, „aber die wirtschaftlichen Daten sehen anders aus.”
- NRW-weit belegt Dortmund den 50. von 54 Plätzen. Sogar Oberhausen (49), Bochum (44) und Essen (43) liegen vor Dortmund.
- Auf dem ersten Platz in NRW: der Landkreis Olpe.
Äpfel mit Birnen
Kommentar Keine Frage: Die Arbeitslosenquote ist hoch. viele zu viele Menschen leben in Armut und sind auf hilfe angewiesen.
Die Begleiterscheinungen sind private Überschuldung, hohe Sozialausgaben und eine eben nicht überbordende Kaufkraft. Die Experten des Kölner Instituts für Wirtschaft sind nicht die Ersten, die die Schwächen Dortmunds aufzeigen. Sie sollen auch gar nicht wegdiskutiert werden.
Dennoch bleibt zu fragen, warum die Autoren der Studie den negativen Faktoren mehr Gewicht einräumen als den Pluspunkten. Gut ausgebildete Arbeitskräfte, eine beachtliche Zahl von Firmengründern, eine ansehnliche Wertschöpfung - das sind nicht zu unterschätzende Trümpfe für eine Stadt, die im wirtschaftlichen Wandel steckt. Sie hätten mehr Beachtung verdient. Aber vielleicht - Nachtigall, man hört dir trappsen -, war das vom den arbeitgebernahen Autoren auch gar nicht gewollt. Zufall, dass sich das „rote Dortmund” am Ende der NRW-Tabelle findet, wie das ehedem „rote” Ruhrgebiet insgesamt?
Nichts gegen Olpe als Spitzenreiter. Nur: Wie seriös lassen sich ländliche Gebiete mit Großstädten wie Dortmund vergleichen, die mit ihren Einrichtungen wie Klinikum, Konzerthaus und Flughafen auch ihr Umland versorgen? Zur Erinnerung: Noch 2004 adelte das Beratungsunternehmen Prognos Dortmund „als Stadt, die wie kaum eine zweite in NRW” im Begriff sei, den Strukturwandel zu bewältigen. Ja, was denn nun?
Quelle: WR vom 16.04.09
s.a. Pressemitteilung von akoplan zum INSW-Städte-Ranking: http://agora.free.de/sofodo/zwl/zu-den-ergebnissen-des-insw-staedte-vergleichs