Eine Reform mit der Spar-Axt
Auf die Beschäftigten der Stadtverwaltung rollt die größte "Reform" der vergangenen Jahrzehnte zu. Bis 2020 soll jede fünfte Stelle (20 Prozent von 8000) gestrichen werden. Der Personalrat spricht von "Arbeitsplatzvernichtung durch Technikeinsatz."
Schöne, neue Verwaltungswelt: Der Bürger sitzt zuhause vor seinem PC
und lässt sich die Meldeauskunft elektronisch übermitteln. Sein
Autokennzeichen reserviert er online, und die Katasterdaten entnimmt er
- ebenfalls per PC - dem "Geo-Daten-Shop." Gang in die Ämter? Kaum noch
nötig. Und genau diese Entwicklung soll vehement vorangetrieben werden.
"Vom Prinzip ist da auch nichts einzuwenden", finden die beiden
Personalratsspitzen Pitt Meyer und Andreas Grehl. Nur: Das ursprünglich
angekündigte Ziel, die Verwaltung bürgerfreundlicher zu machen, sei
klar in den Hintergrund gerückt - zugunsten wirtschaftlicher
Überlegungen. "Der Technik-Einsatz ist ein reines
Arbeitsplatzvernichtungsprogramm", spricht Personalratsvorsitzender
Meyer Klartext. Der Unmut kommt nicht von ungefähr. Der Blick auf die
Zahlen verdeutlicht, dass OB Gerhard Langemeyer, oberster Chef der
Stadtverwaltung, und Kämmerin Christiane Uthemann ein Sparprogramm
angeschoben haben, das es in sich hat: Bis zum Jahre 2020 sollen 20
Prozent der derzeit 8000 Stellen in den Ämtern gestrichen werden. Von
rund 4500 Mitarbeitern, die bis dahin in erster Linie aus Altersgründen
ausscheiden, sollen rund 2000 eingespart werden. Ziel: Die
Personalkosten, die derzeit mit 284,7 Mio. Euro zu Buche schlagen,
sollen um rund 46 Mio. Euro heruntergefahren werden. "Mit weniger
Personal mindestens den gleichen Effekt erzielen", beschreibt
Personalamtschef Volker Schiek die Formel.
Die Reform soll in fünf großen Wellen über die Verwaltung schwappen. Die erste ist bereits da und erfasst die städtischen Außendienste (Verkehrs- und Lebensmittelüberwachung), Rechnungswesen, Controlling und IT-Unterstützung in den Ämtern. (Siehe auch Info-Box). Konsequenzen der Sparvorgaben: Bedienstete, deren Aufgaben wegfallen, müssen in andere Ämter wechseln. Und fachfremde Aufgaben übernehmen, für die sie nicht ausgebildet wurden. Da passt es ins Bild, dass offene Stellen bei den städtischen Unternehmen seit neuestem konzernweit ausgeschrieben, also auch in der Stadtverwaltung angeboten werden.
14 zusätzliche Verkehrsüberwacher
"Führungskräfte laufen uns die Türen ein und stöhnen unter den Budget-Vorgaben", beschreibt Personalrats-Chef Meyer die Folgen des Sparprogramms. "Die Vermittlungsfälle steigen." Erst kürzlich habe man erfahren, dass 14 Verwaltungsfachangestellte in die Verkehrsüberwachung abkommandiert werden sollen - und 5 weitere ins städtische Call-Center "do-line." Befürchtung der Personalräte: Mitarbeiter werden auf Stellen gesetzt, die teils unter dem Niveau ihrer Ausbildung liegen. Oder, andere Variante: Sie finden sich auf Stellen wieder, für die sie erst geschult werden müssen. Für Personalamtsleiter Schiek offenbar das kleinste Problem: Von Mitarbeitern müsse man verlangen, "sich von einen Tag auf den anderen in ein Sachgebiet einzuarbeiten." Personalrat Meyer hat einen deutlichen Klimawandel in den Ämtern ausgemacht: "Das kollegiale Miteinander ist völlig auf der Strecke geblieben." - von Gregor Beushausen
Hintergrund: IT-Kräfte auf Arbeitssuche
- Die Verwaltungsspitzen haben die "Wirtschaftlichkeit" zum obersten Ziel der Verwaltungsreform 2020 erhoben. Was das heißt, zeigt ein konkretes Beispiel.
- Das Dortmunder Systemhaus soll die Verwaltung nach und nach mit wartungsarmen PC ausstatten.
- Folge: Die Jobs jener 25 IT-Kräfte in den Ämtern, die bei PC-Problemen erste Hilfe leisten, fallen unter den Tisch. Wo die Mitarbeiter künftig eingesetzt werden sollen, bleibt vorerst offen.
- Der Personalrat fordert ein Konzept für eine konzernweite Qualifizierung. (beus)
Quelle: Westfälische Rundschau vom16.05.2007