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Gedenken an den antifaschistischen Widerstand 1932

Im Oktober vor 75 Jahren überfielen Hunderte Nazis in tatkräftiger Polizeibegleitung die widerständigen Arbeiter/innen im "roten Norden". Es gab Tote und Verletzte. Ein Gedenkstein auf dem Nordmarkt erinnert daran. Wolfgang Richter hielt bei dem diesjährigen Gedenken auf dem Nordmarkt die folgende Rede.

Vor wenigen Tagen hat es in Dortmund am Amtsgericht ein Urteil gegen einen aus meinem Abstand jungen aber doch erwachsenen Antifaschisten gegeben, der mit seiner Art Kraft und Radikalität gegen einen gewaltförmigen Aufmarsch von Neonazis in der Stadt protestiert hat. Deren Aufmarsch war eine Provokation für die arbeitenden Menschen und die Erwerbslosen, gegen die gewerkschaftliche und politische Arbeiterbewegung wie die soziale und demokratische Bewegung schlechthin – ein Aufmarsch von neofaschistischem Mob am 1. Mai, dem Kampftag der Arbeiterklasse. Diese gezielte Provokation hätte nicht nur aus verfassungsschützenden Motiven schon im Vorfeld verboten werden sollen, sie hätte auch in ihrem Verlauf selbst polizeilich aufgelöst werden müssen, Anlass dazu bot der Mob in Wort und Tat. Der antifaschistische Widerstand gegen diese Provokation war so vielfältig, wie es die unterschiedliche Erfahrung der Menschen in ihrer je eigenen Entwicklung, in der schwierigen Organisiertheit ihres mehr oder weniger kollektiven Handelns, in den Erfolgen und Niederlagen im Kampf für Demokratie und gegen ihre Feinde jeweils gebiert und herstellt.

Der vor das Amtsgericht gezogene Antifaschist hatte an diesem Tag seine eigene politische Moral und seinen eigenen Mut, zu handeln. Die äußerten sich verquer z. B. zu meiner Moral und meinem Mut. Das gilt wohl auch für die meisten von Euch. Er war an diesem Tag an anderem Ort und er agierte anders als ich und Ihr. Er war dabei schnell in das Visier der offenen Filmer und der verdeckten Ermittler von Polizei und Staatsschutz geraten. Einmal mehr waren deren Zielfernrohre und Horchgeräte auf die Antifaschist/innen gerichtet und nur oberflächlich auf die erklärten Feinde der Verfassung. Sie bekamen die Bilder, die sie suchten, und hörten, was sie hören wollten, bei den Antifaschist/innen. Anders beim Aufmarsch der Faschisten – an den Bildern, die sie dort filmten, fanden sie nichts zu beanstanden, und was sie dort hörten, das sagte ihnen nichts, was ihnen eine Anzeige wert war.

Der Antifaschist war nie ein Angepasster, in gewisser Weise durchaus ein Outlaw, eine Latte von Ordnungswidrigkeiten und mancherlei Tagessätze standen bereits zu Buche, nicht alle politisch begründbar. Der Richter am Amtsgericht fragte sich und ihn in der Verhandlung vor wenigen Tagen, betont ahnungslos und ignorant, warum und wie der Angeklagte denn so geworden sei, so anders als er selbst, das sähe man doch schon am Äußeren. Ja, das sah man deutlich. Wer wollte, konnte auch deutlich sehen, wie anders der eine dachte und draußen handeln, leben würde als der andere. Die bürgerliche Moral des einen, die der Herrschenden und ihrer Agenten in Politik und Gewaltmonopol, sagt heute wie damals "rechts gleich links" und macht darin immer dann einen Unterschied, wenn der ihnen etwas nützt. Der andere, der junge aber erwachsene Punk lebt in einer anderen Klassensituation und hat eine Ahnung von der Moral und dem Anspruch der Klasse, nicht viel mehr aber auch nicht weniger. Er ist in Kopf, Bauch und Herz Antifaschist - noch immer ist nicht entschieden, was von diesen dreien bei ihm gewinnen wird.

Das Verfahren wegen schweren Landfriedensbruch u.a. endete an diesem Tag im Amtsgericht mit einer Freiheitsstrafe auf Bewährung. Das schien allen recht zu sein. Die Bewährungszeit wurde noch um vieles länger als die zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe verkündet. Drei Jahre nicht mucken, drei Jahre sich auf nichts Denunzierbares und vielleicht Justitiables einlassen, drei Jahre politisch nichts aufmischen. So hat der milde Amtsrichter seine Rolle schlussendlich genau so besetzt, wie es von ihm erwartet wird – dem antifaschistischen Aufmucker sagen, Schluss damit für längere Zeit, den moralisch Aufrührigen vielleicht für längere Zeit demoralisieren, die politische, die linke Unruhe für längere Zeit ruhig stellen.

Bin ich im Thema dieser kleinen Gendenkstunde am Nordmarkt? Was ich berichte, hat nicht die Dimension des staatlichen Gewaltmonopols, mit dem im Oktober 1932 Hunderte Faschisten dabei geschützt, das heißt konkret polizeilich dabei unterstützt wurden, hier im roten Dortmunder Norden einzufallen und ihren Schrecken organisiert zu verbreiten. Der erwirkte damals zwei Tote und viele Verletzte. Das war erst ein Anfang viel größerer Schrecken, noch war nicht einmal 1933, geschweige denn das Gewaltmonopol der Nationalsozialisten zur Gänze errichtet.

Ja, ich denke, ich bin im Thema. Die Geschichte mahnt - es gilt zu jeder Stunde und aus jedem Anlass, Widerstand zu leisten im Kampf gegen die alten und neuen Nazis. Der Widerstand gegen die Schrecken, die sie verbreiten, und mit dem sie den Terror ankündigen, den sie verbreiten werden, wenn sie eine neue Chance dazu bekommen, ist ganz aktueller und bleibender Auftrag für uns, für alle Antifaschistinnen und Antifaschisten. Das Verbot der offen neofaschistischen NPD steht auf der Tagesordnung, die Organisationen des verfassungsfeindlichen Mobs in und neben ihr gehören aufgelöst.

Auf die Provokation der Neonazis am 1. Mai folgte die am 1. September. Dies war uns Anlass, den Druck, unseren gemeinsamen Druck draußen auf die kommunale Politik zu erhöhen. Endlich muss sie stärker auf unsere langjährige Kampagne "Das Verharmlosen beenden!" agieren und sich politisch mit ihren Inhalten und Vorschlägen verbinden. Darin spielte die großartige Kundgebung des "Bündnis Dortmund gegen Rechts" in Kooperation mit vielen Organisationen und Unterstützer/innen am Antikriegstag auf dem Platz der Alten Synagoge eine wichtige Rolle. Kurze Zeit danach diskutierte und beschloss der Rat der Stadt einen "lokalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus". Noch ist der Beschluss Papier, noch ist der Plan nicht die Aktion. Es wird auch an uns liegen, ihn produktiv zu machen. An uns und an all den Organisationen und den Menschen in unserer Stadt, mit denen wir unterschiedlich und gemeinsam antifaschistisch wirken.    

Wolfgang Richter, Linkes Bündnis Dortmund - Parteilose Linke, DKP und SDAJ, 21.10.2007

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