Grüne wollen Zentrale für Asyl-Kinder ausbauen
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sich ohne ihre Eltern und meist unter erheblichen Gefahren vor allem aus Afrika nach Europa durchschlagen, steigt rasant. Umso dringlicher stellt sich die Frage, wie man mit den jungen Asylsuchenden umgehen soll.
Für soviel Skepsis dürfte auch ein Brandbrief gesorgt haben, den Sozialdezernent Siegfried Pogadl vor der Sitzung an den OB und alle Dezernentenkollegen richtete. In dem Schreiben macht der Politiker aus dem SPD-Stadtbezirk Scharnhorst klar, warum er den Sachstandsbericht der Grünen-Dezernenten nicht mit unterzeichnete.
Zwei wichtige Fragen haben Bonekamp und Steitz bisher nicht klären können: Wer kommt für die Kosten einer verbesserten Betreuung (sowie des notwendigen Neubaus) auf? Und: Bleibt Dortmund auf allen Kindern sitzen, die andere NRW-Städte nicht freiwillig aufnehmen wollen?
Der Verwaltungsvorstand schlug sich auf Pogadl Seite. Dortmund werde seinen gerechten Pflichtbeitrag leisten - mehr aber nicht.
Botschaften wenig kooperativ
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sich ohne ihre Eltern und meist unter erheblichen Gefahren vor allem aus Afrika nach Europa durchschlagen, steigt rasant. Umso dringlicher stellt sich die Frage, wie man mit der jungen Asylsuchenden umgehen soll.
Vor vier Wochen waren es 76 - in der Amtssprache: „unbegleitete minderjährige Flüchtline”, die in der zentralen Asylunterkunft gegenüber dem Hauptfriedhof am Westfalendamm (ein Rest der früheren britische Kasernen) untergebracht waren.
Allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres wurden schon 49 Kinder, zu deren Aufnahme und Betreuung sich Bund und Land verpflichtet hatten, zur Erstaufnahmeeinrichtung der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) des Landes NRW in Dortmund überstellt. Vier von ihnen waren jünger als 16. Die allermeisten können, so der Sachstandsbericht der Stadträte Bonekamp und Steitz, nicht in ihr Heimatland zurückgeschickt werden, weil sie ganz häufig keine Ausweispapiere bei sich haben und ihre Heimatsprache kaum beherrschen. Zudem zeigten sich die Botschaften der Herkunftsstaaten oft wenig kooperativ.
Jugendamt übernimmt die Amtsvormundschaft
Im gesamten letzten Jahr kamen 421 junge Flüchtlinge nach Dortmund. Acht waren offensichtlich älter, als sie angaben. Das städtische Jugendamt nahm die 431 Minderjährigen in seine Obhut und beantragte beim Familiengericht die Vormundschaft. 95 waren jünger als 16 Jahre und wurden direkt in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht. Wird keine geeignete Einzelperson gefunden, übernimmt das Jugendamt die Amtsvormundschaft (zurzeit: 100).
Die unstrittige Prognose lautet: Zu den 516 jungen Flüchtlingen, die das Dortmunder Jugendamt zurzeit betreut, werden in diesem Jahr 400 hinzukommen. Abzüglich der 180, die im Laufe des Jahres volljährig, und damit „Kunden” des Sozialamts werden, könnten Ende 2009 etwa 740 Schützlinge zu betreuen sein. Bis Ende 2010 wird sich ihre Zahl auf etwa 960 erhöhen.
Selbst dann, wenn die minderjährigen Flüchtlinge weiterhin so spartanisch wie heute untergebracht und betreut werden, müsste die Zahl der städtischen Helfer aufgestockt werden - von jetzt vier auf 13.
Ziel: "Betreuung aus einer Hand"
Die Stadträte Steitz und Bonekamp wollen aber nicht nur mehr - sie wollen es auch besser machen. Als Richtschnur dient ihnen ein Konzept, das in der Fachwelt als „Clearinghaus” bekannt ist. „Dabei steht - dem Gedanken einer angemessenen Integration folgend - die Optimierung der Betreuungssituation ... sowie die Verbesserung des verwaltungsinteren und -externen Schnittstellenmanagements im Mittelpunkt”, so Steitz und Bonekamp. Ihr Ziel ist eine „optimale, zentrale, bedarfsorientierte Betreuung aus einer Hand”. Das Clearinghaus vermeide unnötige Ortswechsel und schaffe Vertrauen zwischen den Kindern und der Ausländerbehörde. Die Identität der jungen Flüchtlinge zu klären (Claering), dauere dann nur noch drei bis sechs Monate. Das wiederum erlaube eine adäquate Bewertung der Situation der Minderjährigen - was wichtig sei, um den individuellen Bedarf an pädagogischer, psychologischer und medizinischer Hilfe festzustellen.
Ihre Konzeption, so Steitz und Bonekamp, rufe „keine zusätzlichen Kosten” hervor; man strebe eine „hundertprozentige Refinanzierung über Bund und Land” an. Sollte die nicht möglich sein, heißt es im Sachstandsbericht unter der Rubrik „Finanzielle Auswirkungen”, werde „mit den beteiligten Ämtern geprüft, inwieweit budgetneutral die Einrichtung eines ,Claeringhauses' realisiert werden kann”.
Was Sozialdezernent Pogadl (SPD) dazu sagt
Schon ohne „Clearinghaus”, so argumentiert Sozialdezernent Siegfried Pogadl, kommen mit den jungen Flüchtlingen „Kosten in enormer Höhe” auf die Stadt Dortmund zu.
- Bis Ende 2010 sei von 960 Schützlingen in der Obhut des Jugendamts auszugehen. Zum Vergleich: Im Mittel der letzten drei Jahre habe Dortmund - entsprechend der Pflichtquote - jährlich 265 Asylsuchende, jüdische Zuwanderer und Spätaussiedler aufgenommen.
- Und die in Obhut genommenen minderjährigen Flüchtlinge liefen außerhalb der Quote, würden also zusätzlich nach Dortmund zugewiesen.
- Bereits im Oktober sei die Pflichtquote für 2008 erreicht gewesen. Stand im Februar 2009: 128 Prozent.
- „Am Rande” erwähnt Pogadl, dass ein Geburtsjahrgang in Dortmund 5000 Kinder umfasst.
- Die Betreuungs- und Unterbringungskosten zu schätzen, fällt auch Pogadl schwer. Er geht zunächst (erfahrungsgemäß) von 10,8 Millionen Euro pro 1000 Personen aus - noch ohne jahrelange Sprachförderung, schulische und berufliche Ausbildung.
- Eine Kostenbeteiligung des Landes sei völlig ungeklärt, eher aber unwahrscheinlich.