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Kratzen und knibbeln gegen Rechts

Das Bündnis Dortmund veranstaltete am Freitag in Dorstfeld einen antifaschistischen Herbstputz. Junge 44-köpfige Putzkolonne beseitigt Aufkleber mit Parolen.

Egal, wohin man am Wegesrand sieht, pappen sie: Aufkleber mit faschistischer Propaganda. Aufgeklebt von Neonazis, gelesen von tausenden Bürgern. In Dorstfeld ist kaum ein Ampelmast, kaum ein Laternenphal ohne einen solchen. Das muss sich ändern, dachte sich das Bündnis Dortmund gegen Rechts und rief gestern zum „antifaschistischen Herbstputz” auf.

Putzen und Politik - das sei doch nichts für Jugendliche? Denkste! Jungwähler, Erstwähler und welche, die es noch werden wollen, bildeten die 44-köpfige Putzkolonne; „bewaffnet” mit 16 Sprühflaschen und vierzig Kunststoffschabern. Geleitschutz erhielten sie von etwa zwei Dutzend Polizeikräften. Sicher ist sicher. Schließlich bewegt man sich auf „feindlichem Gebiet”. „Die Lage ist bisher ruhig. Aber man weiß ja nie, was sich die Rechten einfallen lassen”, sagt Polizeisprecher Wolfgang Wieland. Später wird man wissen: Sie haben sich etwas einfallen lassen.

Am Dorstfelder S-Bahnhof beginnt die Großreinemache-Tour. Rene*, 17 Jahre jung, ist einer von ihnen. Er verbirgt seine Augen hinter einer Sonnenbrille, seine Haare unter einer dunklen Cappy. Er will nicht erkannt werden. Aus Angst, von Rechten auf der Straße erkannt und verfolgt zu werden. „Die Rechten machen Fotos und stellen die samt Namen auf ihre Homepage.” Die Genugtuung ist heute größer als seine Furcht vor Konsequenzen.

„Tolle Aktion”, ruft ein vorbeitrampelnder Radfahrer den Reinemachern zu. Für Oliver Wilkes, Leiter der Aktion, ein willkommener Zuspruch. Beim Frühjahrsputz, der ersten Aktion dieser Art überhaupt, war die Resonanz zwar geringer, die Wirkung wohl aber gewaltig: „Die Aufkleber sind viel weniger geworden”, stellt Wilkes fest.

Genug Arbeit gibt es an diesem Tag trotzdem. Kratzen für die Demokratie, knibbeln gegen Rechts - das ist auch für Susi* (15) genau das Richtige. „Das ist total cool”, sagt eine, die schon mit Elf auf ihrer ersten Demo gegen Rechts war, „dadurch müssen die Faschos mehr Kohle ausgeben.” Gerd Pfisterer vom Dortmunder Bündnis sieht einen weitaus größeren Nutzen: „Durch das einmalige Ereignis sollen alle aufgerüttelt werden und beim nächsten Spaziergang selbst einen Aufkleber entfernen.”

Die Putzkolonne zieht weiter. Bis zur Thusneldastraße, wo sich seit einigen Jahren die rechte Szene heimisch fühlt. Und tatsächlich: Fenster öffnen sich ruckartig, Fotos werden geschossen. Um sie später auf die nationalistische Homepage zu stellen und die „Gegner” zur Schau zu stellen?! Am Straßenende dröhnt braune Musik aus den Lautsprechern. Linke bauen sich zwanzig Meter vor den Rechten auf, grölen zurück, zeigen Flagge. Dank der Polizei eskaliert die Situation nicht.

Nach gut einer Stunde ist der Herbstputz vorbei, der Straßenzug von faschistischen Aufklebern gesäubert. „Eine gelungene Aktion”, findet Pfisterer, der den Jugendlichen noch einen Tipp mit auf den Weg gibt: „Geht in der Gruppe nach Hause, nicht alleine.” Aus Angst vor Übergriffen.

*Namen geändert

Quelle: WR vom 28.08.09

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