Kritik an Drecksarbeit für 1-Euro-Jobber
Während das Sozialamt berät, ob Langzeitarbeitslose demnächst als 1-Euro-Jobber im U-Turm Taubenkot abkratzen sollen, regt sich gegen diese Pläne erster Widerstand. Professionelle Entsorger kritisieren die öffentlich geförderte Billigkonkurrenz, die Linken im Rat sprechen von "Schweinerei" und der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft lehnt den Plan des Konzerns Dortmund strikt ab.
Die Jobcenter Arge spricht in diesem Zusammenhang von zusätzlicher Arbeit, die keine regulären Arbeitsplätze verdränge. "Es gibt Arbeiten, die lassen sich wirtschaftlich nicht darstellen. Das sind also zusätzliche Arbeiten, wie zum Beispiel Vorlesen im Seniorenheim", erklärte Markus Schulte, Pressesprecher JobCenter Arge.
Dem widersprechen sowohl professionelle Entsorger, wie auch das Linke Bündnis im Dortmunder Rat. "Gibt es schon keine regulär arbeitenden Abbruch-, Räum- und Reinigungs-Unternehmen mehr in Dortmund?", wundert sich beispielsweise Prof. Wolfgang Richter, Ratsmitglied für das Linke Bündnis. Für Arbeiten wie Schutt und Staub weggräumen, kontaminierten Taubenkot entfernen, gebe es professionelle Unternehmen. Von zusätzlicher, also wirtschaftlich nicht erfassbarer Arbeit, könne nicht die Rede sein.
"Natürlich erledigen wir solche Arbeiten. Davon leben wir", erklärte Markus Zimmermann vom Entsorgungsunternehmen Spektrum in Dortmund. Der mittelständische Zwölf-Mann-Betrieb wäre allerdings deutlich teurer, setzte man ihn im U-Turm ein. Denn statt 1,50 pro Stunde, die ein Hartz-IV-Empfänger im Rahmen dieser Arbeitsgelegenheit erhält, verdient eine Fachkraft laut Tarifvertrag 9,93 Euro. "Wenn wir viele Leute benötigen, greifen wir auch auf das Angebot von Zeitarbeitsfirmen zurück. Dann werden Stundenlöhne ab 15 Euro fällig", so der Vertriebsleiter.
Das Entfernen von Taubenkot bezeichnete Zimmermann als äußerst gefährlich. "Da kann man nicht jeden ranlassen. Taubenmist ist hoch infektiös und ätzend. Er darf auch keinen Fall in die Atemwege gelangen", stellte Zimmermann fest. Fachkräfte, die immer Papieranzüge, Handschuhe und Atemmasken trügen, wüssten allerdings genau, damit umzugehen. "Taubenkot ist vergleichbar mit Asbestfasern."
20 Prozent Qualifizierung
Der Entsorger fordert die Stadt auf, diese Arbeiten öffentlich auszuschreiben. Denn als zusätzliche, keine reguläre Arbeit gefährdende Maßnahme, schätzt er den Einsatz ebensowenig ein, wie Wolfgang Richter. Auch Dr. Rainer Cosson, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft, sagt: "Den Einsatz von Hartz-IV-Empfängern für Arbeiten, die nicht zusätzlich sind und zum Dienstleistungsprogramm von Fachunternehmen zählen, halten wir für rechtsmissbräuchlich und lehnen dies strikt ab."
Doch das Sozialamt, Partner der Jobcenter Arge, hat gestern die Prüfung abgeschlossen und befürwortet den Einsatz von 30 Langzeitarbeitslosen im U-Turm. "Bei Arbeitsgelegenheiten muss die Gemeinnützigkeit und die Zusätzlichkeit gegeben sein", erklärte Peter Bartow, Sozialamtsleiter. Auch die Möglichkeit der wichtigen Qualifizierung habe man nun geklärt. Weil alle Voraussetzungen erfüllt seien, werde man mit der Arge über den konkreten Einsatz der Langzeitarbeitslosen ab Dezember oder Januar vor Ort reden.
Quelle: Westfälische Rundschau vom 11.10.2007