Müllstreit: Stadt zahlt
Das ungewöhnliche Ende eines Streits vor dem Verwaltungsgericht wirft Fragen um die Berechnung der Dortmunder Müllgebühren auf. Denn die von vier Anwohnern der Deponie Nordost verklagte Stadt bat überraschend um Einstellung des gegen sie angestrengten Verfahrens - und zahlte für die Jahre 2003 bis 2005 mehrere tausend Euro an die Kläger zurück.
Fast dreieinhalb Jahre dauerte der Schlagabtausch. Meinolf Schwering und drei Mitstreiter aus der "Bürgerinitiative gegen die Mülldeponie Dortmund-Nordost" hatten im Februar 2003 Widerspruch gegen ihre Müllgebühren-Bescheide eingelegt.
Ihre Begründung: Die Gebühren seien zu hoch angesetzt, da die zu erwartenden Gewinne bei der Müllentsorgung nicht ausreichend in die Kalkulation eingeflossen seien. Und Gewinne bei der Entsorgung - weil Fremdfirmen oder Privatleute ihren Müll auf der Deponie abladen - hätten die Kosten der Deponie senken und damit die Gebühren verringern müssen. Laut Gesetz dürfen Kommunen nur so viel Gebühren nehmen, wie zur Deckung der voraussichtlichen Kosten benötigt werden.
Im August 2003 reichen die Bürger Klage ein. Beginn eines aufwändigen Verfahrens. "Die Gegenseite hat ständig neue Nebelkerzen gezündet", sagt der Lüner Rechtsanwalt Leo Bögershausen, der die Kläger vertritt. Er besteht darauf, dass die Stadt die Geld- und Müllströme des Entsorgers EDG und der Tochterfirmen offen legt, damit die Kalkulation geprüft werden kann. Die Stadt weigert sich.
Im April verweist der Richter auf die Rechtssprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster, wonach fehlerhafte Gebührenansätze nur ins Gewicht fallen, wenn sie die Bagatellgrenze von drei Prozent überschreiten - eine goldene Brücke für die Stadt, so scheint es. Doch es kommt anders. Anfang Juli hebt die Stadtkasse die Bescheide plötzlich auf, zahlt die gesamten Müllgebühren der Jahre 2003 bis 2005 zurück, bittet um Beendigung des Prozesses und übernimmt obendrein noch die Verfahrenskosten. "Aus prozessökonomischen Gründen", teilt die Stadt dem Gericht mit.
Die Schlussfolgerung, dass die Müllgebührenbescheide fehlerhaft seien, sei aber völlig unzutreffend, versichert man bei der Verwaltung. "Stadt und EDG sind nach wie vor der Auffassung, dass der Betrieb Deponie Dortmund Nordost im Einklang mit den rechtlichen Bestimmungen geführt worden ist."
Einlenken nährt Zweifel an Müllgebühren
Eine schöne Überraschung für Meinolf Schwering: Ein Änderungsbescheid über 1445 Euro zu seinen Gunsten flatterte ihm von der Stadtkasse ins Haus. Mit der Mitteilung, dass die Stadt "aus prozessökonomischen Gründen" die nicht rechtskräftigen Abfallgebühren-Bescheide für die Jahre 2003 bis 2005 aufhebt.
"Damit hatten wir nach dem jahrelangen Rechtsstreit nicht gerechnet", stellt der engagierte stellvertretende Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen die Mülldeponie Dortmund-Nordost fest. Zumal die Stadt sogar die Bescheide für die Jahre 2004 und 2005 aufhob, gegen die Schwering und drei weitere Bürger noch gar nicht geklagt, sondern "nur" Widerspruch eingelegt hatten.
Aufwand beenden
Als Eingeständnis, dass die Berechnung der Müllgebühren wie von den Klägern behauptet tatsächlich fehlerhaft seien, will man bei der Stadt das Einlenken aber nicht verstanden wissen. "Vor dem Hintergrund der in der Vergangenheit intensivst geführten inhaltlichen Auseinandersetzungen mit den Anwohnern waren die Stadt und die EDG der Auffassung, diesen Aufwand endgültig zu beenden und die Bescheide aus prozessökonomischen Gründen aufzuheben", heißt es in der schriftlichen Stellungnahme der Stadtkämmerei auf RN-Anfrage. Mit anderen Worten: Man war den Streit schlicht leid.
Bei weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen wäre außerdem mit "weiteren erheblichen Kosten für die Stadt" zu rechnen gewesen, heißt es ergänzend. Im Übrigen habe die Preisprüfungsstelle der Bezirksregierung alle Kalkulationen überprüft - und gut geheißen.
Weiter prüfen
Generell betrachtet man die Angelegenheit ohnehin als "Schnee von gestern". Denn die Widersprüche und Klagen richteten sich gegen die Deponierung des Hausmülls. Die wurde allerdings Mitte 2005 entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen aufgegeben. Inzwischen wandert der komplette Dortmunder Hausmüll in die Verbrennungsöfen in Hamm, Hagen und Iserlohn.
Für Kläger-Anwalt Leo Bögerhausen ist die Angelegenheit allerdings noch nicht erledigt. "Wir verfolgen die Sache weiter und werden auch die kommenden Gebührenbescheide gründlich prüfen", betont er. Sollte es erneut Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide geben, werde der Rechtsweg erneut beschritten. "Dann werden wir eine größere Anzahl von Klagen einreichen. Offenbar war die finanzielle Schmerzgrenze der Stadt noch lange nicht erreicht", sagt Bögershausen.
Meinolf Schwering hat in jedem Fall auch gegen den Abfallgebühren-Bescheid für 2006 Widerspruch eingelegt. Und ist gespannt, welche Antwort er in diesem Fall von der Stadt bekommt. - os/Oli
(AZ: K 4233 bis 4236/03)
Quelle: Ruhr Nachricthen vom 30. November 2006
Müllstreit: Rückzahlung für alle gefordert
Im Streit um die möglicherweise rechtswidrigen Müllgebühren-Bescheide der letzten drei Jahre hat der Bund der Steuerzahler die Stadt Dortmund aufgefordert, allen Bürgern die gezahlten Gebühren zu erstatten.
"Es darf nicht sein, dass nur die Bürger profitieren, die damals innerhalb von vier Wochen Widerspruch gegen die Gebührenbescheide eingelegt und geklagt haben", erklärte Harald Schledorn, Gebührenexperte vom NRW-Steuerzahlerbund, gegenüber den RN. "Wir rufen den Rat der Stadt auf, eine Entscheidung zur Erstattung der Abgaben zu treffen." Stadtsprecher Frank Ebbinghaus bestätigt die Vier-Wochen-Frist: "Prinzipiell werden Bescheide nach vier Wochen rechtskräftig. Wer nicht Widerspruch einlegt, hat generell keinen Rechtsanspruch auf Rückzahlung." Anders sei der Fall, wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung gebe. "Aber das ist extrem selten", schränkt Ebbinghaus ein.
Vier Bürger hatten vor dem Verwaltungsgericht gegen die Höhe der Müllgebühren des Jahres 2003 geklagt. Ein Urteil, ob die Müllgebühren zu hoch angesetzt und damit rechtswidrig waren, hat das Gericht nicht getroffen, da die Stadtverwaltung den Prozess einstellen ließ und den Klägern die Müll-Abgaben der Jahre 2003, 2004 und 2005 zurückzahlte. Zu diesem Zeitpunkt ging es vor Gericht unter anderem um die Offenlegung der Müll- und Geldströme des Entsorgers EDG.
"Ich habe den Verdacht, dass die Stadt oder die EDG absolut kein Interesse an einer Überprüfung der Gebührenkalkulation hat", sagte Harald Schledorn vom Steuerzahlerbund.
Auch Michael Mönig, Geschäftsführer der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund, wundert sich über die ungewöhnliche Prozessführung der Stadt, die im dreijährigen Verfahren plötzlich aus "prozessökonomischen Gründen" einen Rückzieher machte. "Das hinterlässt einen sehr merkwürdigen Eindruck", sagte Mönig. Nun gelte es, die Müllgebühren-Bescheide der nächsten Jahre genauer unter die Lupe zu nehmen. "Dann hat die Stadt in Zukunft vielleicht ein noch viel größeres Problem."
Die Stadtkämmerei war gestern zu keiner erneuten Stellungnahme bereit.
Quelle: Ruhr Nachrichten vom 01. Dezember 2006