Müllwerker sagen "Nein" zum Nazi-Hilfsdienst
Mitarbeiter der EDG haben den 1. Mai nicht vergessen. Damals mussten sie einen mit Gülle bespritzten Platz kurzfristig säubern, damit den erwarteten Neonazis kein unangenehmer Geruch in die Nase steigen konnte. Angesicht des nächsten rechten Aufmarsches am 1. 9. sagen die EDGler nun: "Wir wollen den Nazis nicht den Weg bereiten".
Udo Stunz, Vertrauensmann bei der EDG, berichtete, in welchem Dilemma die Beschäftigten steckten. Auf der einen Seite seien sie gezwungen, Straßen und Plätze zu säubern, um die Verkehrssicherheit zu gewähren. Eine Weigerung könne zur Abmahnung oder Kündigung führen. Auf der anderen Seite wollten sie nicht Handlanger für die rechte Ecke sein. "Die Ereignisse vom 1. Mai haben unsere Leute nachdenklich gemacht. Was es bedeutet, den Nazis den Weg frei zu machen, haben sie am eigenen Leib erfahren", so Stunz.
Angesichts des angekündigten Aufmarschs von Springerstiefelträgern am 1. September in Dortmund wollen sich die Müllwerker, Reinigungskräfte und Fahrer der EDG bald mit ihrer Geschäftsleitung zusammensetzen. "Wir müssen klären, wie wir mit solchen Situationen umgehen", so der Vertrauensmann. Mindestens werde man darauf drängen, keine Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln mehr einzusetzen. "Es ist nicht toll, wenn türkische Mitarbeiter auf Nazis treffen. Das kann man sich ja vorstellen", machte Stunz auf einen weiteren Aspekt aufmerksam.
Während die EDG-Vertrauensleute und EDG-Beschäftigte Flagge zeigen, reagiert der Vertrauensleutesprecher der Stadtwerke, Uwe Reetz, eher pflichtbewusst. Vor dem Hintergrund, dass Stadtwerke-Busfahrer am 1. Mai Neonazis auf Initiative und mit Hilfe der Polizei sicher zu ihrem Aufmarschort transportierten, meint Reetz: "Die Polizei hat unsere Busfahrer gesichert. Es hat sich niemand beschwert." Über den 1. September habe man sich keine Gedanken gemacht. Reetz stellte fest: "Wenn wir aufgefordert werden, Neonazis zu befördern, dann tun wir das auch." Die politische Ausrichtung der zu Befördenden spiele keine Rolle. "Sollte sich ein Fahrer weigern, diese Leute zu fahren, muss man darüber sprechen", sagte Reetz.
Zurückhaltung ist nicht mehr angebracht
Den Stein ins Rollen brachte ein Offener Brief von Vertrauensleuten von Verdi, Stadt Dortmund, der EDG, des Sozialgerichts, des Amtsgerichts, der Universität und der Dortmunder Justizverwaltung, der an den Polizeipräsidenten, den Vorstand der DSW21 sowie an OB Langemeyer gerichtet war. Darin kritisieren die Absender deren Verhalten am 1. Mai: "In Dortmund wurden keine Mühen gescheut, um für die Nazi-Aktionen den Boden für rechte Provokationen zu bereiten". Der Vorwurf lautet: Die Verantwortlichen dieser Stadt hätten kein Gespür, keine Zivilcourage gezeigt. Eine Antwort blieb lange aus. Was folgte, waren Erklärungen wie: "Die Dienststellen der Stadtverwaltung haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit gehandelt"; "die polizeilichen Maßnahmen waren im Wesentlichen von polizeitaktischen Entscheidungen geprägt" oder auch: "Uns steht es als Verkehrsdienstleister nicht zu, die Hilfeleistung von der eigenen Würdigung des polizeitaktischen Vorgehens abhängig zu machen". "Diese Antworten sind ein Affront", kommentierte Udo Stunz die Reaktionen.
Der DGB Östliches Ruhrgebiet erwartet für den 1. September ein "aktives Engagement der Stadtspitze". Für diesen Tag rufen das Dortmunder Friedensforum und das Bündnis Dortmund gegen Rechts zur Friedenskundgebung auf dem Platz der alten Synagoge, Motto "Nie wieder Faschismus! Nein zum Krieg!", auf. Ab 13 Uhr haben sich prominente Redner, Auschwitz-Überlebende, Künstler und verschiedene Institutionen angekündigt.
Polizei räumt Fehler ein und zahlt Ausgleich
Einen finanziellen Ausgleich hat Polizeipräsident Hans Schulze der Gewerkschaftsjugend für das Abhängen ihrer Plakate im Rahmen der Neonazidemo vom 1. Mai angekündigt. "Der Polizeipräsident hat eingeräumt, dass das offensichtlich ein Fehler war", so DGB-Chef Eberhard Weber. Seine Entschuldigung sei bemerkenswert und werde zu einem fruchtbaren Dialog führen. Bei Gesprächen zwischen Gewerkschaftsjugend, DGB-Bezirk und Polizeispitze sei die Demo vom 1. Mai Thema gewesen.
Erfreuliche Tendenz
KOMMENTAR Dass Dortmunds Polizeipräsident Hans Schulze Fehler im Rahmen des Einsatzes beim Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai einräumt und sich dafür entschuldigt, ist ausdrücklich zu begrüßen. Dass er drei Monate dafür braucht und es auch dann noch nicht öffentlich fertig bringt, ist schade. Wieder einmal eine vertane Chance.
Erfreulich ist, dass immer mehr Dortmunder Bürger und gesellschaftliche Gruppierungen mit Blick auf die nächste, bereits fest terminierte rechte Provokation Farbe bekennen.
Wenn das so weitergeht, wird diese Stadt am 1. September genau das erleben, was unsere Zeitung nach dem eher schlappen demokratischen Widerstand am Tag der Arbeit eingefordert hat. Eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen den rechten Schwachsinn. Gut so!
Quelle: Westfälische Rundschau vom 10.08.07