Der "soziale Arbeitsmarkt" – ein Etikettenschwindel
Die Stadt Dortmund möchte Vorreiterin und Modellkommune für den 3. bzw. sozialen Arbeitsmarkt werden. Dafür schlägt sie jetzt die Einführung eines kommunalen "Sozialen Arbeitsmarktes" vor: Vollzeit in "zusätzlicher" Beschäftigung bei 1200 Euro brutto / 160 Stunden. Damit wären dann mit den Ein-Euro-Jobs als unterster Stufe, dem "Sozialen Arbeitsmarkt" mit 1200 Euro brutto und den Ein-Euro-Jobs in der Entgeldvariante mit 1800 Euro (hier werden gerne Akademiker/innen für den Ausbau der Schulkinderbetreuung / Sprachförderung / Schulsozialarbeit etc. eingesetzt) drei "Einkommenstufen" außerhalb der Tarifautonomie mit untertariflicher Vergütung bzw. blossem Unterhalt im öffentlichen Sektor eingeführt.
Die eigene Hilflosigkeit lässt offenbar die Ängste in den Himmel wachsen und das Wünschen übermächtig werden. Wie kann man es sonst erklären, dass niemand den Etikettenschwindel "Sozialer Arbeitsmarkt" bemerkt? Ein Arbeitsmarkt setzt einen Markt mit Lohnverhandlungen voraus. Lohnverhältnisse sind insbesondere in Deutschland eine Sache der Tarifautonomie zwischen Unternehmen und Gewerkschaften. Zur Gänze öffentlich subventionierte Beschäftigung mit dem Siegel der "Gemeinnützigkeit" und der "Zusätzlichkeit" ist jedoch eine Sozialleistung. Die Vergütung wird ausschließlich politisch bestimmt. Es gibt keinen leistungsbezogenen Lohn, sondern die ausgezahlte Sozialleistung orientiert sich in diesem Fall mit 7,50 Euro brutto am gewerkschaftlich geforderten Mindestlohn für Geringverdiener/innen.
Macht das für die betroffenen Menschen einen Unterschied? Es ist zunächst die politische Bankrotterklärung die Unternehmen wie die öffentliche Hand dazu zu verpflichten Menschen mit Behinderungen oder gesundheitlichen Einschränkungen gemäß ihrem Anteil an der Bevölkerung in normalen tariflich bezahlten Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen. So erklärt man einfach die Ausgrenzung im Namen ökonomischer Rationalität zum Programm: wer nicht mehr jung und gesund ist, soll zukünftig für die eigene Arbeitsleistung nur noch Sozialleistungen zum Mindestlohnniveau erhalten. Egal wie qualifiziert man ist und welche Leistung tatsächlich erbracht wird.
So wird nach den Ein-Euro-Jobs wieder ein neuer Zoo aufgemacht, die mit "Makeln" Behafteten mit Almosen beglücken. Dieses Programm offener Diskriminierung der neuerdings erklärtermaßen dauerhaft Abgeschobenen hilft unter Missbrauch von Steuergeldern vor allem die Tarifautonomie im öffentlichen Sektor zu untergraben. Die Ein-Euro-Job-Billigheimer stellen bereits heute ca. 10% der Beschäftigten im Konzern Stadt und das Segment der "Sozialleistungsarbeit" ist der einzige wachsende Bereich - sonst herrscht Einstellungsstopp. - von I. Vellay