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Neues zum Sozialticket

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Berichte der Dortmunder Presse vom 12./13.05.05 zum Sozialticket und ein Leserbrief dazu

Rot-Grün will Stütze für Alg-II-Empfänger

Um Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II) auf andere Weise zu unterstützen, fordern SPD und Grüne nun für sie ermäßigtes Fahren in Bussen und Bahnen - über ein "Sozial-Ticket".

Per Ratsbeschluss wollen SPD und Grüne kommenden Donnerstag einen Antrag an den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr auf den Weg bringen, zu einem Preis "um die 30 Euro" Arbeitslosen, die unter die neue Alg-II-Regelung fallen, ein Ticket möglichst für den gesamten Geltungsbereich des VRR anzubieten. Alg-II-Empfängern "bleibt als End-Geld relativ wenig", erklärte gestern Grünen-Fraktionsvorsitzende Daniela Schneckenburger, die gemeinsam mit SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse und SPD-Ratsherr Reinhold Giese den Vorstoß begründete.

"Die Mittel aus Alg II sind nicht so hoch, dass man mit eigenem Fahrzeug fahren kann", sagte Ernst Prüsse, "aber von Arbeitgebern wird eine hohe Mobilität gefordert" - auch bei der Wahrnehmung von Arbeitsgelegenheiten (1-E-Jobs), so SPD und Grüne.

Das "Sozial-Ticket" könne sich möglicherweise über die Einnahmen rechnen, so Giese. Auf die Stadt, die anteilig Defizite im VRR ausgleichen muss, sollten keine neuen Kosten zukommen. Im VRR-Beirat hat die CDU eine knappe Mehrheit. Prüsse: "Alle Leute, die ein soziales Gewissen haben, können sich dieser Maßnahme nicht verschließen." cm

Quelle: WAZ vom 12.05.05

"Sozial-Ticket" für Hilfeempfänger

(beus) Wer von Arbeitslosengeld II lebt oder Sozialhilfe bezieht, soll künftig zu ermäßigten Tarifen mit Bus und (Stadt)Bahn fahren können.

Das ist zumindest der politische Wille von SPD und Grünen. Das war auch der politische Wille der PDS, die einen ähnlichen Vorstoß im Stadtparlament gemacht hat. Der Unterschied ist nur: Die PDS zielte mit ihrem Antrag mittelbar auf den Aufsichtsrat der Dortmunder Stadtwerke - SPD und Grüne addressieren ihr Papier, das vom Dortmunder Rat beschlossen werden muss, an den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR). "Von Arbeitslosen wird verlangt, dass sie bei Bedarf mobil sind", begründet SPD-Sozialsprecher Reinhold Giese. Und da sich Empfänger von Arbeitslosengeld II in aller Regel kein Auto leisten könnten, müsse man sie eben in die Lage versetzen, mobil zu sein.

Und zwar mit einem speziellen "Sozial-Ticket", das ausschließlich von Hilfeempfängern gekauft werden könne. Ein Ticket, das ähnlich wie das Ticket 1000 ausgelegt sei - nur eben billiger. (Das Ticket 1000, gültig für ganz Dortmund, kostet im Abo 40,28 E). Dieses "Sozial-Ticket" soll nach Vorstellungen von Rot-Grün im jeweiligen Stadtgebiet gültig sein und nicht übertragbar sein. Zudem solle der Inhaber die Möglichkeit haben, einen Erwachsenen sowie bis zu drei Kinder unter 15 Jahren werktags ab 19 Uhr "mitzunehmen" - an Wochenenden und Feiertagen ganztägig.

Und die Finanzierung: SPD und Grüne gehen davon aus, dass sich ein Teil der Kosten (wenn nicht alle) aus dem zusätzlichen Fahrgastaufkommen decken lässt. "Wir gehen davon aus, dass es in Bus und Bahn neue Benutzerschichten geben wird", sagt Grünen-Fraktionschefin Daniela Schneckenburger. Sollte sich doch eine Finanzierungslücke auftun, so SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse, müssten sich die 24 Gebietskörperschaften innerhalb des VRR beteiligen. "Man kann das auch über eine Änderung der Entgeltstruktur erreichen", meint Schneckenburger - womit keine Fahrpreiserhöhung gemeint sei. SPD und Grüne müssen für ihren Antrag im VRR kräftig werben: Sie haben keine Mehrheit.

Quelle: WR vom 12.05.05

Auch die RN berichtete am 13.05.05

dieser Artikel liegt aber leider (noch?) nicht online vor. Zu diesem Artikel trotzdem hier ein Leserbrief:

Liebe Frau Kolle,

ein dickes Lob für Ihre ausführliche Vorschau auf den gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen im Rat zur Einführung eines Sozialtickets. Was nicht drin steht, weil Ihnen die lange mühevolle Vorgeschichte anscheinend nicht bewußt oder bekannt war: Ihr Bericht ist letztlich ein Erfolg der anderthalbjährigen Mühe des Dortmunder Sozialforums, dieses Thema "Mobilität und Armut" in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen. Bereits kurz nach seiner Gründung Ende 2003 (an der ich maßgeblich beteiligt war und in dem ich seither engagiert mitarbeite) stellte das Sozialforum als eins seiner ersten drei "Nahziele" die Forderung nach Nulltarif im ÖPNV für alle Einkommensarmen auf und begann sie öffentlich zu propagieren. Nachdem Gespräche darüber mit den örtlichen Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und dem DGB zunächst eher "ernüchternd" verlaufen waren, nahm das Sozialforum gemeinsam mit SoVD, Mieterverein, Kana-Suppenküche und BODO e.V. die zu Jahresbeginn anstehende Ausweitung des Dortmund-Passes auf alle ALG-II-Beziehenden zum Anlass öffentlicher Aktionen für ein Sozialticket. Zeitgleich stellte die PDS-OL folgenden Ergänzungsantrag zur Beschlussvorlage der Verwaltung:

"Der Dortmund-Pass berechtigt auch zur unentgeltlichen Benutzung der von den Dortmunder Stadtwerken betriebenen Busse und Bahnen in verkehrsarmen Tageszeiten. Die Verwaltung wird beauftragt, entsprechende kostenneutrale Vereinbarungen mit der DSW AG zu treffen." Die Begründung argumentierte ganz ähnlich wie jetzt SPD und Grüne. Der Ratsvertreter des "Linken Bündnisses" stellte einen noch weitergehenden Antrag (Nulltarif ohne Beschränkung). Beide wurden in der Ratssitzung am 17.03.05 von allen Fraktionen abgelehnt, von CDU und FDP aus offenkundigem Desinteresse, von SPD und Grünen mit - na sagen wir mal - Ausreden. Dahinter schimmerte die Haltung durch: Was von den Linken kommt, kann prinzipiell nicht angenommen werden, und sei es noch so vernünftig. Wenn ich mich recht erinnere, waren Sie für Ihre Redaktion in dieser Ratssitzung zugegen. (Was kein Vorwurf sein soll, man kann ja nicht immer alles im Kopf haben.)

Von diesem Mißerfolg ließen sich aber weder das Sozialforum und seine Partner noch die PDS entmutigen, sondern starteten in den folgenden Wochen Vorbereitungen für eine öffentliche Anhörung und nahmen im Zuge dieser Vorbereitungen Gespräche mit verschiedenen örtlichen Verkehrsexperten, Sozialwissenschaftler-innen und auch mit dem Kreisvorstand der Grünen auf. Bei diesem stießen wir schnell auf Zustimmung und erhielten die Zusage, auf die grüne Ratsfraktion einwirken zu wollen, damit diese ihre Haltung korrigiert. Das hatte nun den Erfolg, der sich in der Koalitionsvereinbarung über den gemeinsamen Ratsantrag im Mai niederschlägt.

Es wäre eine Geste politischen Anstands gewesen, wenn die Autor-innen des gemeinsamen Antrags selbst kurz auf diese Vorgeschichte hingewiesen hätten, aber in Wahlkampfzeiten ist das vielleicht zuviel verlangt, zumal sie ja für sie selbst etwas peinlich ist. Ich würde mich aber riesig freuen, wenn wenigstens Sie als sorgfältig und ausgewogen berichtende Journalistin dazu eine kleine Ergänzung Ihres Berichts nachreichen. Zusatzinformation: Die Dortmunder PDS ist aufgrund der positiven Wendung der Sache jetzt bemüht, in möglichst vielen VRR-Kommunen, in denen sie vertreten ist, entsprechende Verabredungen herbeizuführen, und dann werden wir sehen, ob die CDU-Mehrheit im VRR das einfach abtun kann.

Zweite Zusatzinformation und zugleich Vorankündigung: Das Sozialforum hat gestern beschlossen, die geplante Anhörung über "Mobilität und Armut" mit einem Sozialwissenschaftler und einem ÖPNV-Experten voraussichtlich am 21. Juni durchzuführen. Einladung dazu ergeht besonders.

Übrigens - wie kommen Sie denn auf einen Preis des Sozialtickets von "vermutlich um die 30 Euro"? Das stinknormale Ticket 1000 ab 9 Uhr kostet ohne jegliche Sozialkomponente 29,15 Euro. Ich stelle mir vor, daß davon zumindest noch ein Großkundenrabatt runtergeht wie bei kommerziellen Firmentickets, und um einen Landeszuschuß wie für andere soziale Problemgruppen (Schwerbeschädigte, Schüler, Studenten, Behinderte) ginge der Kampf dann erst los. - Und schließlich: Wenn die Dortmunder Stadtwerke fast 30 Millionen jährlich als Defizitausgleich für Flugreisende aufbringen können, sollten sie vielleicht auch 5 oder 10 Millionen für 72.000 Hartz-IV-Opfer übrig haben. Wenn es uns gelingt, diese soziale Verantwortung der Politik zu gebührender Geltung zu bringen, müßte das Ticket nicht teurer sein als ein Schokoticket oder das Semesterticket, also um die 10 Euro!

Wenn Sie mehr Informationen zu dem ganzen Thema haben wollen, empfehle ich die besagte Anhörung im Juni, stehe aber auch sonst "jederzeit" zu Ihrer Verfügung.

Mit nettem Gruß

Wolf Stammnitz

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