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Streit über Demo-Verbot (bzw. nicht-Verbot)

"Es geht um einen Protest der besonderen Art", kündigt Pfarrer Friedrich Stiller an. Und tatsächlich gab es selten so viel Einigkeit wie beim Aufruf zur Demonstration gegen den Neonazi-Aufmarsch am Samstag. Vom linken Spektrum bis in die tiefe Mitte der Gesellschaft reicht das Bündnis, das sich im Kampf gegen Rechts zusammengefunden hat.

Gemeinsam will man den Neonazis mit einer großen Demonstration entgegentreten " und gleichzeitig eine Informationskampagne gegen rechte Aktivitäten in Dortmund starten. Schon am Tag zuvor, dem Holocaust-Gedenktag, findet dazu eine Informations- und Kulturveranstaltung vor St. Reinoldi statt.

Am 28. Januar folgt dann die Demonstration unter dem Motto "Dortmund bleibt eine weltoffene Stadt " Neonazis stoppen". Nach dem Auftakt um 11.30 Uhr am Vinckeplatz im Kreuzviertel geht es durchs Saarlandstraßen-Viertel zum Südbad " dem Treffpunkt des rechten Aufmarsches. "Es wird für einzelne Demonstranten schwer sein, in die Nähe der Neonazis zu kommen. Das geht am besten in einer großen Demonstration", weiß Eberhard Weber vom Trägerkreis gegen Rechtsextremismus. Wobei es in jedem Falle "kontrolliert und gewaltfrei" zugehen soll. Das "Bündnis gegen Rechts", das sich bereits um 11 Uhr am Südbad trifft, will aber auch versuchen, den Nazi-Aufmarsch an seinem Ausgangspunkt festzuhalten.

Weiterhin für Unmut sorgt die Einschätzung des Dortmunder Polizeipräsidenten, der keine Möglichkeit für ein Verbot des rechten Aufmarsches sieht. "Er bringt Schaden über diese Stadt", so Ursula Richter vom "Bündnis gegen Rechts".

Situation ist eindeutig geklärt

Polizeipräsident Hans Schulze steht wegen des Verzichts auf einen Verbot des geplanten rechtsextremen Aufmarsches am 28. Januar in der Kritik. Wir sprachen mit ihm.

In anderen Städten werden Verbote von rechten Demonstrationen erlassen. Warum verzichten Sie darauf"

Hans Schulze: - Wir haben es in Dortmund in der Vergangenheit mehrfach mit Verboten versucht. Wir können aber nur dann verbieten, wenn Straftaten konkret zu erwarten sind oder der Anmelder sich mehrfach strafbar gemacht hat. Das ist aktuell nicht der Fall. Insofern haben wir hier keine neue, sondern eine juristisch schon eindeutig geklärte Situation.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg ist aber aktuell zu einer anderen Einschätzung gekommen.

Schulze: - Ich habe Schwierigkeiten, das Urteil nachzuvollziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig festgestellt, dass ein Verbot am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, möglich ist, nicht aber am 28. Januar. Und wir können nicht mit den gleichen Verbotsgründen, mit denen wir schon gescheitert sind, noch einmal zum Verwaltungsgericht ziehen.

Die Kritiker dieser Entscheidung erwarten aber auch ein politisches Signal.

Schulze: - Ich bin als Polizeipräsident nicht politisch tätig, sondern in besonderer Weise der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. Es wäre doch erstaunlich, wenn man dem Chef einer Polizeibehörde vorwirft, dass er die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgericht berücksichtigt.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg tut das dann aber nicht.

Schulze: - Wie gesagt: Nach meiner Einschätzung reichen die Umstände nicht für ein Verbot. Wir prüfen aber selbstverständlich immer, ob ein Verbot möglich ist und machen strenge Auflagen etwa zu Kleidung und Auftreten. Davon gibt es inzwischen eine ganze Breitseite. Mit diesen Auflagenkatalogen sind wir sogar Vorreiter gewesen in Nordrhein-Westfalen. - Oli

"Nicht der Konjunktur der Aufmärsche folgen"

So breit das Bündnis der Gegendemonstranten ist, so breit ist auch der Unmut über den Verzicht des Dortmunder Polizeipräsidenten Hans Schulze auf ein Verbot des für den 28. Januar geplanten rechten Aufmarsches " zumal zeitgleich rechte Demonstrationen in anderen Städten untersagt wurden.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg bestätigte in erster Instanz am Freitag das Verbot eines rechten Aufmarsches durch die Stadt Lüneburg, weil dieser die öffentliche Ordnung störe. Dabei nahmen die Richter sowohl Bezug zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar als auch zum Motto der rechten Demonstration, die die Abschaffung des § 130 des Strafgesetzbuches, der Volksverhetzung unter Strafe stellt, fordert. Beides Umstände, die auch in Dortmund gelten.

Der Dortmunder Polizeipräsident sieht nach dreifachem Scheitern mit früheren Anträgen dagegen keine rechtlichen Möglichkeiten für ein Verbot (siehe Interview auf dieser Seite) " und erntet damit Empörung. "Auch in kirchlichen Kreisen trifft das auf Verwunderung", berichtete gestern Marlies Haarmann als Vertreterin der katholischen Stadtkirche im Trägerkreis gegen Rechtsextremismus.

"Es ist nicht zu vermitteln, dass Nazi-Aufmärsche in anderen Städten verboten werden und hier in Dortmund nicht einmal der Versuch unternommen wird", ergänzte Matthias Dudde von Bündnis 90/Die Grünen. Letztlich sei aber auch die Politik gefragt, den gesetzlichen Rahmen entsprechend zu verändern, betont Pfarrer Friedrich Stiller.

Ohnehin will man sich in Zukunft stärker politisch mit den Rechtsextremen ausein-ander setzen. Mit Info-Blättern macht der Trägerkreis auf die rechten Aktivitäten aufmerksam, für die Dortmund, so Stiller "eine Art logistischer Knotenpunkt" ist. Auch nach dem 28. Januar bleibe deshalb das Thema Kampf gegen Rechts unabhängig von Demonstrationen aktuell. Stiller: "Wir wollen nicht mehr der Konjunktur der Aufmärsche folgen." - Oli

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 23. Januar 2006
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