Aggressives Betteln: Bettler Manni soll 2400 Euro Strafe zahlen
"Moin, moin", begrüßt er die Menschen auf der Straße und verrät seine norddeutschen Wurzeln. Schon morgens zieht er seine Runden durch die City, sein Gesicht ist bekannt. Manfred R. ist auf "Schnorrertour", wie er sagt. Der Satz "haben Sie ein paar Cent übrig" legt ihm das Ordnungsamt als aggressives - also verbotenes - Betteln aus. In mindestens 20 Fällen.
Nun soll er 2400 Euro Strafe zahlen. Er, der Hartz-IV-Empfänger, fühlt sich ungerecht behandelt. "Er tut keiner Menschenseele was", sagt die Bäckereifachverkäuferin. Die Frau, die das Treiben des Mannes seit Jahren von ihrem Arbeitsplatz hinter der Verkaufstheke aus verfolgt, kann nichts Aggressives am Verhalten des 44-Jährigen feststellen. "Er nervt nicht, hält niemanden fest. Er hat halt seinen Becher dabei und manchmal fragt er nach Geld. Er ist immer freundlich." Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die so genannten Ordnungspartner - am roten Baret erkennbar - sehen das anders. Das belegt die Auflistung der Anzeigen, die Auflistung der Bußgelder, die schriftlichen Begründungen, die Manfred R. vorliegen. Die Bußgelder variieren zwischen 64,41 bis 224,41 Euro. "Je nachdem, in welchen Abständen ich geschnappt wurde", sagt der gebürtige Bremerhavener. Zurzeit leistet er Sozialstunden - von 1600 hat er sich bereits auf 900 runtergeackert. Sportplatz sauberhalten, Rinne fegen, "ist gut, die Leute sind nett." Wofür Sozialstunden? Fürs Schwarzfahren. Er hat sich erwischen lassen, immer wieder. Und wurde verurteilt. Jetzt hat er sich ein normales Ticket für 41Euro gekauft. Das Sozialticket wurde einbehalten - weil er zweimal nicht zahlen konnte. "Wenn ich nochmal schwarz fahre, lande ich im Bau, das kann ich mir nicht leisten."
Im Leben des Manfred R. ist so ungefähr alles schiefgelaufen, was nur schieflaufen kann. Er war schon früh auf sich allein gestellt, "ich hatte 13 Geschwister, da musste jeder sehen, wie er zurecht kommt." Mit zwölf nimmt er die ersten Drogen, er schafft seinen Hauptschulabschluss. Ausbildung? Fehlanzeige. Niemand hält ihn dazu an, seine Eltern auch nicht. Er landet er in einer Drückerkolonne. Sprich: Er muss Zeitschriftenabos verkaufen. An der Tür, in vielen Städten.
20 Jahre in der Drückerkolonne
Bezahlt wird er pro Abo. "Wer nichts verkauft, kriegt nichts", erzählt er. In seiner Kolonne habe es keine Schläge gegeben, sagt der hagere Mann. Im Leben als Drücker wirst du genügsam. Er heiratet - "wegen Kohle". Er wird abhängig - von Kokain, Heroin.
Manfred R. ist nicht auf Mitleid aus. "Ich will meine Ruhe haben. Wenn ich 20 Euro am Tag schnorre, komme ich gut zurecht." Er fühlt sich verfolgt. Er berichtet von Passanten, die die Ordnungshüter davon abbringen wollten, ihm eine Anzeige zu verpassen und ihm Stadtverbot zu erteilen. "Aber die sind stur."
Er findet das ungerecht: "Ich bin ein Lieber. Echt. Da gibt´s ganz andere Sachen, um die sie sich kümmern sollten."
Quelle: WR vom 18.02.09