..und plötzlich bist du obdachlos
Wenn die Biographie den geraden Weg verlässt, wird der Alltag bisweilen zur Odyssee. Zumal in Zeiten des sozialen Abbaus.
Daniel Scheffler ist so ein junger Mann, der seit Wochen durch Ämter und Behörden irrt. Auf der Suche nach einer Antwort auf die eine Frage: Wovon soll ich leben" Stand gestern: Von 192 Euro Schüler-Bafög und 154 Euro Kindergeld. Problem: Allein seine Warmmiete beträgt 315 Euro.
Daniels Geschichte beginnt in Bochum. Dort lebte er bis Anfang August. Dann kamen die Möbelpacker, winkten mit einer Räumungsklage und verstauten sein Hab und Gut ohne Rücksicht auf Verluste in Umzugskartons. Grund: Die dortige ARGE hatte offenbar Daniels Akte verschludert " und folglich im Februar die Zahlungen eingestellt. Ein Sozialarbeiter war auch dabei " um den konsternierten jungen Mann in einem Obdachlosenheim unterzubringen.
Dort wäre Daniel Scheffler auch gelandet, hätten die Eltern seiner Freundin Andrea nicht sofort reagiert. "So kann man doch mit Menschen nicht umgehen", ereifert sich Gabriele Schlummers. Ihre Familie nahm Daniel mit offenen Armen auf " anders die ARGE in Bochum. "Das hätte mich auch gewundert, wenn ich Sie nicht wieder gesehen hätte", sagte die Sachbearbeiterin zur Begrüßung " und dass sie jetzt, da Daniel obdachlos ist, nicht mehr zuständig sei.
Tappen im Dunkeln
Dennoch schien sich das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden. Er fand schnell eine neue Wohnung in Dortmund. Voraussetzung: eine Bescheinigung über die Mietkostenübernahme vom Amt. Und er fand einen Ausbildungsplatz zum Technischen Assistenten für Betriebsinformatik am Konrad-Klepping-Berufskolleg.
Alles gut" Denkste! Denn damit fing die Rennerei erst an. Man schickte Daniel Scheffler zum ARGE-Büro am Kaiserhain, von dort zur Steinstraße, wo er noch einmal dieselben Formulare erhielt, die er bereits ausgefüllt dabei hatte. Sie wurden aber nicht anerkannt.
Zwei Tage später, wieder bei der ARGE, erfuhr Daniel, dass er für den Zeitraum vom 11. bis 21. August ALG II erhalte. Eine Mietkostenübernahme jedoch nicht, weil der Vertrag auf den 1. September datiert ist " und da sei er dann ja bereits Schüler, also ein Fall für das Bafög-Amt.
Nach weiteren Irrläufen durch die Abteilungen war Daniel nach exakt einer Woche zumindest eines klar: Alles wäre einfacher, wenn er sich nicht um einen Ausbildungsplatz gekümmert hätte. Dann würde er ALG II erhalten, seine Umzugs- und Mietkosten würden übernommen.
So erhält er lediglich 192 Euro Schüler-Bafög, weil er ja auch noch bei seiner Mutter wohnen könnte. Kann er aber eben nicht, denn die lebt mit ihrem Lebensgefährten in einer Wohnung, in der für Daniel kein Platz ist.
Bis das Bafög-Amt seinen Antrag bearbeitet hat, tritt die ARGE nun in Vorleistung. Ob er möglicherweise einen Anspruch auf eine Aufstockung der 192 Euro durch ALG II hat, lässt sich erst klären, wenn der Bafög-Bescheid vorliegt.
Noch immer tappt der 24-Jährige im Dunkeln. Wovon er leben soll: keine Ahnung. Auch Schulbücher muss er kaufen, für 160 Euro. Wovon: keine Ahnung. - eFeF
Quelle: RN vom 26. August 2005