Die letzte von einst 10 Stadtsiedlungen
In Dortmund gab es bis zum 30. April dieses Jahres bereits 694 Räumungsklagen (2005 insgesamt: 2277), 165 Wohnungen wurden tatsächlich zwangsgeräumt (2005: 708); 11 der geräumten Haushalte in Grevendicks Feld eingewiesen (2005: 34). In den 70er Jahren hat das Diakonische Werk die Beratungsstelle in der inzwischen letzten städtischen Notunterkunft für Obdachlose eingerichtet.
1973 gab es in der Stadt noch mehr als 6000 Menschen in 1300 Haushalten, die in insgesamt zehn städtischen Obdachlosensiedlungen untergebracht waren.
Zurzeit leben 148 Menschen in Grevendicks Feld, die ihre Wohnung durch Arbeitslosigkeit, Verschuldung, Erkrankungen, Verlust des Partners oder der Eltern verloren haben.
In den 78 aktuellen Haushalten leben nur zu 20 Prozent Familien, mehr als die Hälfte sind allein stehende oder ältere Bewohner.
Die Polizei wurde bis zum 9. Mai dieses Jahres zu mehr als 40 Einsätzen in Grevendicks Feld gerufen, allein acht Mal wegen Streitigkeiten und Randale.
Die diakonische Beratungsstelle bietet Einzelhilfemaßnahmen für alle Altersgruppen, sozialpädagogische Gruppenarbeit, freizeitpädagogische Arbeit, Schulaufgabenhilfe, Umfeld- und Öffentlichkeitsarbeit.
Im vergangenen Jahr nutzten 124 Betroffene das Beratungsangebot, auch aus dem näheren Umfeld der Siedlung.
Zum Verbundsystem der Diakonie gehören neben der Beratungsstelle in der Stadtsiedlung auch: die Fachstelle Sucht, die zentrale Beratungsstelle für Wohnungslose mit Brückentreff und Betreutem Wohnen, die Frauenübernachtungsstelle, das Bodelschwingh-Haus als stationäre Einrichtung für wohnungslose Menschen und das Ludwig-Steil-Haus für chronisch und mehrfach beeinträchtigte Abhängige. - nick
Die Beratungsstelle, Grevendicks Feld 5, ist Mo, Mi, Do von 9-17 Uhr, sowie Fr 9-14 Uhr erreichbar unter Tel./Fax. 63 53 51. Ansprechpartnerin: Jutta Förster.
Hilfe bei drohender Wohnungslosigkeit bietet neben der Diakonie auch der Fachdienst für Wohnraumsicherung des Sozialamtes der Stadt, Hansastraße 95.
"Menschen wohnfähig machen"
Regina Adams, Leiterin des Diakonie-Fachbereichs für Suchtkranken- und Wohnungslosenhilfe, ist zuständig für sieben Hilfseinrichtungen, darunter auch für die Beratungsstelle in Grevendicks Feld. Im RN-Interview erklärt sie Ziele und Probleme der Sozialarbeit in Lütgendortmund.
Wer lebt in der Stadtsiedlung Grevendicks Feld?
Regina Adams - : Die Geschichten der Menschen sind sehr verschieden, oft wiederholen sich aber gewisse Punkte: Ungeöffnete Rechnungen, ein immer höheres Maß an Verschuldung, keine sozialen Kontakte mehr, und die Scham im Vorfeld einer Zwangsräumung Hilfe anzunehmen, treiben unsere Klienten in eine schier ausweglose Lage. Wir haben es immer häufiger mit Menschen zu tun, die eine Verkettung von Schicksalsschlägen ereilt hat. Darunter auch Berufstätige, die zwar auf der Arbeit noch funktionieren, es aber nicht schaffen, ihren Haushalt zu organisieren. Häufiger kommen Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können. Bei denen hat der Partner alle schriftlichen Dinge erledigt. Ist der Partner weg, ist die Not groß.
Was ist das vorrangige Ziel der Beratungsstelle?
Adams: - Unser vorrangiges Ziel ist es, die Menschen wieder wohnfähig zu machen. Dabei ist es zunächst wichtig, die vielfältigen Probleme zu sortieren und alle Institutionen einzuschalten, die wir dabei brauchen. Meistens gelingt der Weg zurück nur durch gezielte und gebündelte Hilfe, ohne die viele Betroffene nicht allein zurecht kämen.
Wo liegen konkret die Schwierigkeiten bei der Beratung?
Adams: - Die Bewohner haben oft nicht nur ihre Wohnung verloren, ihre Arbeit - sondern sie empfinden es oft so, als hätten sie ihre Würde verloren. Das nagt an der Selbstachtung. Sie schämen sich für ihre Situation. Viele sind auch suchtkrank und deshalb schwer zugänglich, oder sie schämen sich aus anderen Gründen, zur Beratung zu kommen. Da ist viel Fingerspitzengefühl gefragt.
Sie reagieren, wenn Menschen in Not geraten sind. Gibt es Hilfsangebote, um Zwangsräumungen zu verhindern?
Adams: - Wir als Diakonie haben ein Verbundsystem von Hilfseinrichtungen. Da würde z.B. unsere Beratungsstelle für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen (ZBS) einbezogen. Die hilft bereits im Vorfeld einer Zwangsräumung so umfassend, dass die Menschen eine Wohnung behalten können. Allen Diensten müsste die Notlage nur rechtzeitig bekannt werden. Deshalb möchte ich allen Betroffenen Mut machen, unsere Unterstützung einzuholen. - nick
Weitere Informationen gibt es bei der diakonischen Suchtkranken- und Wohnungslosenhilfe, Tel. 8494-278, Fax 8494-471.