Grüne sehen sich im Streit mit SPD über Alkoholverbotszonen durch Urteil bestätigt
Die jüngste Rechtsprechung gegen großflächige Alkoholverbote lässt die Grünen Oberwasser gewinnen im Streit mit den Partnern von der SPD über die Frage, ob Rechtsdezernent Wilhelm Steitz (Grüne) scharf genug durchgreift gegen öffentliche Besäufnisse insbesondere am Nordmarkt.
Ausgerechnet am 17. Juni, Tag der Einheit, hatte die SPD-Nordstadtpolitikerin Dr. Marita Hetmeier öffentlich darüber den Kopf geschüttelt, dass sich Steitz als „Freund der Nordstadt” hinstelle. Sähen Ordnungsdezernent und -amt den Alkoholexzessen auf dem Nordmarkt doch tatenlos zu.
Die Stadtbezirksvorsitzende bekräftigte die Forderung der Genossen, rund um alle Schulen und Kindertageseinrichtungen Bannmeilen (Verbotszonen) einzurichten. „Was nützt den Kindern und Eltern ein Alkoholverbot auf Spielplätzen, wenn sie diese Plätze nur erreichen können, indem sie sich den Weg durch Gruppen von Alkoholikern erkämpfen?”, so Hetmeier zum Grünen Steitz. „Freundschaft sieht anders aus.”
Recht und Gesetz offenbar auch. Letzter Beleg: Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gab jetzt der Klage eines Studenten statt und hob das Verbot für den Alkoholkonsum im Freien, das die Stadt Freiburg über ihr Kneipenviertel verhängt hatte, mit sofortiger Wirkung auf.
Dadurch fühlen sich die Grünen im Rathaus in ihrer Einschätzung bestätigt, wonach „ordnungspolitische Maßnahmen nur bedingt geeignet sind, problematische Situationen, wie sie in der Nordstadt beklagt werden, anzugehen”.
Besonders interessant findet Fraktionssprecherin Ingrid Reuter die Urteilsbegründung: Von des Adressaten des Verbots müsse eine Gefahr ausgehen. „Das heißt: Voraussetzung für ein Verbot ist, dass hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass all diejenigen, die mitgebrachten Alkohol konsumieren oder auch nur in der Konsumabsicht mit sich führen, regelmäßig gewalttätig werden. Davon, sagt der Gerichtshof in Mannheim, könne aber nicht ausgegangen werden.”
Mario Krüger, Fraktions-Chef und OB-Kandidat der Grünen, weist noch auf eine zweite Klarstellung hin - zum so genannten „Randgruppenparagraphen”. „Das Gericht hat festgestellt, dass ein generelles Verbot des Trinkens im öffentlichen Raum auf Basis des allgemeinen Ordnungsrechts unzulässig ist - selbst wenn es geeignet sei, Belästigungen hervorzurufen.” Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung bezeichnet Krüger Vorwürfe, wie sie auch der SPD-OB-Kandidat Sierau vorgetragen habe, als „deplaziert”, wonach der Ordnungsdezernent von den Grünen nicht „durchgreife”.
„Hartes Durchgreifen löst keine sozialen Probleme”, bekräftigt Ingrid Reuter ihre Haltung. „Verbote allein führen bestenfalls zur Verdrängung. Ansprache und Öffentlichkeitsarbeit sind mühsamer, aber nachhaltiger erfolgreich.”
Der Deutsche Städtetag streicht heraus, dass die Mannheimer Richter die Städte geradezu dazu aufgefordert hätten, „im Einzelfall” vom „gesamten polizei- und ordnungsrechtlichen Instrumentarium Gebrauch zu machen, um Auswüchsen des Alkoholkonsums und Ausschreitungen zu begegnen”. Als „Wink mit dem Zaunpfahl” sei der Hinweis der Richter zu verstehen, dass zur umfassenden Sucht- und Gewaltprävention in städtischen Brennpunkten der Landesgesetzgeber tätig werden müsste”.
Quelle: WAZ vom 30.07.09