Energiekonzerne: Hohe Gewinne auf Kosten der Mitarbeiter
An der Recklinghäuser Hochschulabteilung der Fachhochschule Gelsenkirchen analysiert ein Forscherteam, wie sich die Liberalisierung auf dem Strom-Markt auf das Verhalten der Energieversorger ausgewirkt hat. Nach einem von zwei Jahren Projektlaufzeit liegen jetzt erste Ergebnisse vor. Die Strompreise sind durch die neue Konkurrenz nur vorübergehend gesunken.
Eine Gewinnsteigerung um zwei Drittel für die Aktionäre: Das ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts an der Hochschulabteilung Recklinghausen, bei dem die Professoren Dr. Heinz-Josef Bontrup und Dr. Ralf-Michael Marquardt gemeinsam mit Werner Voß als wissenschaftlichem Mitarbeiter seit einem Jahr die Folgen der Strommarktliberalisierung untersuchen. Der Erfolg für die Stromversorger und ihre Aktionäre hat mehrere Gründe. Vor allem erfolgte die Gewinnsteigerung zu Lasten der Mitarbeiter und der Investitionen, so Bontrup: „Von 1992 bis 2005 ging fast ein Drittel der Arbeitsplätze in der Stromversorgung verloren. Die, die noch da sind, bezahlen den Gewinn ihrer Unternehmen mit Kürzungen ihrer übertariflichen Leistungen und ihrer betrieblichen Altersversorgung sowie mit Entgelten, die mit 2,4 Prozent durchschnittlichem Jahreszuwachs deutlich hinter der Produktivitätssteigerung von sechs Prozent zurückblieben.“ Zeitgleich fuhren die Stromversorger die Investitionsmargen zurück, so die Forscher. Die zunächst beobachteten Preisrückgänge beim Strom sind inzwischen weitgehend aufgezehrt. Bontrup: „Vier große Stromkonzerne haben 80 Prozent der deutschen Stromversorgung in ihrer Hand und haben sich dank des liberalisierten Marktes überproportional selbst bedient. Mitarbeiter und Kunden dagegen haben den Kürzeren gezogen.“
„Gemessen an den Erwartungen ist das Ergebnis der Marktöffnung ernüchternd“, schreiben die Wissenschaftler. Doch nicht nur sie sind unzufrieden, sondern auch EU-Kommission und Bundesregierung. Brüssel drängt darauf, Stromerzeugung und Stromnetze zu trennen, Berlin hat das Wettbewerbsrecht verschärft, damit das Kartellamt schneller gegen überhöhte Preise einschreiten kann. Bontrup forderte noch im April als Experte vor dem Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Technologie, durch ein verstärktes Eingreifen des Staates den Faktoren Versorgungssicherheit der Bevölkerung und umweltschonender Umgang mit Energieressourcen mehr Gewicht zu verleihen. Bontrup: „Energiepolitik ist zu wichtig für die gesamte Gesellschaft, als dass man sie dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen kann.“
Mit 165.000 Euro Fördersumme ist das Forschungsvorhaben „Neue Unternehmensstrategien und Mitbestimmungskulturen angesichts liberalisierter Rahmenbedingungen in der Elektrizitätswirtschaft“ das finanziell drittstärkste nicht-technische Forschungsförderprojekt, das an der Fachhochschule Gelsenkirchen seit ihrer Gründung im Jahr 1992 eingeworben wurde.
Download der Zwischenergebnisse: www.boeckler.de/pdf/impuls_2008_09_5.pdf.
Quelle: FH Gelsenkirchen