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Job reicht nicht zum Leben

Auf den ersten Blick ist die Entwicklung ein bisschen widersprüchlich: Die JobCenter ARGE mussten 2006 weniger Arbeitslose betreuen, dennoch gibt es mehr Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld.

In absoluten Zahlen: Beim Vergleich erstes Quartal 2006 zum ersten Quartal 2007 nahm die Zahl der Arbeitslosen um 4851 ab, die Abgänge in Erwerbsarbeit nahmen um 752 zu. Dennoch stieg die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld II um 632, die der Sozialgeldempfänger um 633. ARGE-Geschäftsführer Frank Neukirchen-Füsers kann diesen scheinbaren Widerspruch erklären. Denn während die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in unserer Stadt vom Jahr 2000 auf 2006 um 14 050 auf 185 310 zurückging, explodierte förmlich die Zahl der geringfügig Beschäftigten im gleichen Zeitraum um 22 307 Menschen auf 54 895. Für Neukirchen-Füsers belegt diese Entwicklung, "dass immer mehr Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können." Sie sind angewiesen auf Zuschüsse zum Lebensunterhalt durch die ARGE und daher hat die trotz weniger Arbeitslosen mehr Menschen zu versorgen.

Verträge befristet

Ein internes Problem könnte in diesem Jahr auf die ARGE zukommen, das in letzter Konsequenz auch wieder die Kunden berührt. Als die ARGE 2004 aus dem Boden gestampft wurde, war mit viel zu wenig Personal kalkuliert worden. Mittlerweile ist zwar reichlich eingestellt worden, doch von den zurzeit 815 Stellen sind 230 nur befristet. Die Verträge können nicht mehr verlängert werden. Werden neue Mitarbeiter mit befristeten Verträgen eingestellt, müssen diese erst einmal wieder in der komplizierten Materie des Sozialgesetzbuchs II (SGB II) geschult werden. "Und wir müssten uns von gut eingearbeiteten Mitarbeitern trennen", stellt Klaus Wiener - (Foto), stellvertretender ARGE-Geschäftsführer, das Dilemma dar. Zwischenzeitlich haben die Bundesanstalt für Arbeit und der Bund immerhin zugestimmt, dass 68,5 Stellen in feste Stellen umgewandelt werden konnten. Die ARGE-Geschäftsführung will sich dafür stark machen, dass bei den anderen Stellen ebenso verfahren wird.

Widersprüche

Stark zugenommen hat die Zahl der Widersprüche und Klagen von 2005 auf 2006. Insgesamt stiegen die Widersprüche um 61 Prozent von 3137 auf 5049, die Klagen haben sich von 263 auf 528 verdoppelt und die Eilverfahren von 104 auf 321 verdreifacht. "Das hängt u.a. mit der Intensivierung der Sachbearbeitung und der sorgfältigen Prüfung von Erst- und Folgeanträgen zusammen", erläutert Wiener. Denn in der Vergangenheit sei den Kunden aufgrund einer weniger genauen Prüfung oftmals zu viel ALG II gezahlt worden. Dadurch käme es jetzt zu Rückforderungen, die die Kunden nicht so hinnähmen. Darüber hinaus gebe es Kostenfreiheit vor den Sozialgerichten und die Anwaltsgebühr richte sich nicht nach dem Streitwert, sondern nach einer Rahmengebühr. "Da übernehmen die Anwälte solche Fälle gern", weiß Wiener. Weiterhin habe das SGB II viele handwerkliche Mängel. Allein elf Änderungen habe es in den vergangenen zwei Jahren gegeben und "die müssen alle in der Sachbearbeitung vollzogen werden". Die Software mucke ebenfalls immer noch. Die Sozialgerichte selbst haben nach Ansicht von Neukirchen-Füsers durch ihre Rechtssprechung dazu beigetragen, dass die Individualansprüche immer mehr in den Vordergrund rückten. "Eigentlich sollte Hartz IV durch ein System der Pauschalierung zu einer Vereinfachung der Verfahren beitragen", so der ARGE-Chef. "Doch der ursprüngliche Reformgedanke geht immer mehr verloren." - kiwi

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 04. April 2007

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