Kein Alkoholverbot - Prost Neumarkt!
Hörde. Die Trinker mögen drauf anstoßen, die Anwohner haben schwer dran zu schlucken: Es wird kein Alkoholverbot auf dem Hörder Neumarkt geben. Aus juristischen Gründen.
Mehr als ein Wermutstropfen, den Ordnungsamtsleiter Ortwin Schäfer der Bezirksvertretung und einigen Bewohnern des Viertels am Dienstagabend einschenkte. „Das ist rechtlich nicht möglich”, beschied er den vielfach geäußerten Wunsch, die Trinkerszene auszutrocknen. Einen solchen Beschluss kassiere jeder Richter ein. Nebenbei: Schäfer findet die Situation vor Ort auch „nicht so dramatisch” – wie Anlieger bzw. wie anderswo.
Anwohner schüttelten darüber nur den Kopf. Die Lage sei dramatisch, berichteten sie. Vollgepinkelte Wände, Kippen, Kronkorken. „Kleine Kinder spielen im Sand, und ans Spielhäuschen wird uriniert”, erzählte Christa Reese. Christa Wilke von der Interessengemeinschaft Neumarkt mag nicht glauben, dass der Stadt die Hände gebunden sein sollen. Und ein Mann stöhnte: „Mitten unter Kindern Alkohol saufen, das kann ich nicht verstehen.”
Ortwin Schäfer auch nicht. Vor allem kann er es nicht ändern. Um Alkohol in der Öffentlichkeit zu bannen, „bedürfte es einer Gefahr, und die gibt es nicht”, so der Amtsleiter. Wer uriniere, rumgröle oder Leute anpöbele, werde – falls ertappt – bestraft. „Pinkeln in der Öffentlichkeit kostet 25 Euro, egal wo.” Aber hingehen und den Leuten auf dem Neumarkt den Fusel wegnehmen – „das dürfen wir nicht”. Es wäre aus seiner Sicht auch unverhältnismäßig. Denn: „Wer sich auf Vereinsfeiern, Volksfesten oder der Kirmes zuzieht, der darf das. Und die Anderen nicht? Das kriegt man juristisch nicht auseinander.”
Schäfer sieht einen Trend zu immer früherem, immer exzessiverem Saufen. Die „legale Droge” nehme immer erschreckendere Formen an. Dass in Dortmund zuletzt 500 Jugendliche pro Jahr im Alkoholkoma in die Klinik kamen, alarmiert ihn. „Das sind zehn pro Woche. Das zeigt, wie weit wir sind.”
Und wo sind die Verantwortlichen? Zu Hause – aber in welchem Zustand: „Die Mutter ist oft selbst sternhagelvoll. Und der Vater fragt: 'Was soll ich denn machen'?”, plauderte Schäfer aus dem Behördenalltag. Sein Fazit: „Wir sind nur die Klempner der sorg- und hilflosen Eltern. Wir doktern an Symptomen rum. An die Ursachen kommen wir nicht ran.”
Den Anwohnern schien das eine Spur zu hintergründig, denn plötzlich meldete sich die Recht-und-Ordnung-Fraktion. „Was sind das für Gesetze?” rief eine Frauenstimme. Und eine andere: „Mit welchem Recht kann eine kleine Gruppe ein ganzes Viertel runterziehen?”
Aussichtsreiche Gegenmittel scheinen tatsächlich begrenzt. Platzverweise – stumpfe Schwerter. „Dann trinken sie ihr Bier an der nächsten Ecke.” Aber die 100 Arge-Leute, die als Präsenz- und Servicekräfte durch städtische Grünanlagen laufen, seien ein Anfang. Sie dürfen zwar weder Ordnungsgelder verhängen noch Platzverweise erteilen. „Aber sie sind da, und das wirkt”, so Schäfer. „Die Szene weiß: Wir werden beobachtet. Es gibt Grenzen.”
Auch denkbar: die Ausweitung der Spielfläche auf dem Neumarkt. Per Umwidmung sei so was möglich, bestätigte der Amtsleiter und verwies auf den Nordmarkt. Aber in Hörde liegen die Dinge anders. Der Neumarkt wurde mit Landesgeldern gestaltet. Ändert man nun die Zuschnitte, könnten Rückzahlungen fällig werden. Tendenz: gefährlich, weil möglicherweise teuer.
Die Bezirksvertretung tat sich schwer. „Wir sollten was machen”, murmelte CDU-Fraktionssprecher Friedrich-Wilhelm Weber. Aber was? „Streetworker vielleicht”, sagte Torsten Behrendt (Die Linke). Oder den Trinkern „einen Platz geben, an dem sie sich hinsetzen können, wo sie sein dürfen, ohne dass es jemanden stört”, wie Schäfer empfahl. Bezirksbürgermeister Manfred Renno (SPD) hatte so einen schon mal im Auge: „eine Grünfläche an der Gildenstraße”.
Aber Renno hat noch einen Plan B: Vor Gericht ziehen und versuchen, das Alkoholverbot durchzusetzen – „auch wenn man gegen geltendes Recht, oder vermeintlich geltendes Recht, verstößt”. Zumal von der Säuferbank kein juristischer Widerstand zu erwarten sei. „Von denen würde ja keiner dagegen klagen”, so der Bezirksbürgermeister.
Schäfers Schlusswort: „Dafür sehe ich schwarz.”
Quelle: WR vom 24.03.09