Mit kranker Psyche zum falschen Facharzt?
"Man stelle sich vor, nur 13 Prozent der Schwangeren würden von Gynäkologen betreut" - ein höchst anschauliches Beispiel aus der Expertenrunde für ein Ungleichgewicht, das in Dortmund auf einem anderen medizinischen Gebiet offenbar seit Jahren herrscht. Es geht um die ambulante medizinische Behandlung psychisch kranker Menschen.
Unter Federführung von Annette Düsterhaus, Leiterin des Gesundheitsamtes, traf sich die Runde gestern im Rathaus, um den Psychiatriebericht 2005 zu diskutieren. 2005 hört sich aktuell an, aber für die statistische Erhebung lagen nur Daten aus den Jahren 1998 bis 2003 vor. Für 2002 ergab sich danach Folgendes:
Durchschnittlich 107 800 ambulante medizinische Leistungen wurden aufgrund einer psychiatrischen Diagnose abgerechnet. Davon entfielen eben nur 14 500 (13 Prozent) auf niedergelassene psychiatrische Fachärzte, aber 93 300 (87 %) auf Ärzte anderer Fachrichtungen.
In der letzten Zusammenkunft der Experten im März wurde darum auch von ihnen beklagt, der Anteil von 13 Prozent abgerechneter Psycho-Behandlungen durch Nervenärzte liege unter dem Landes- und sogar Bundesdurchschnitt. Angesprochen wurde auch, dass sich eine nur geringe Zahl der niedergelassenen Nervenärzte um chronisch psychisch kranke Menschen kümmere. Ein weiterer Kritikpunkt: Bei den niedergelassenen Psychiatern gibt es lange Wartezeiten.
Zwei Drittel der ärztlichen Behandlungen aufgrund einer psychiatrischen Diagnose entfielen auf Frauen, was wiederum nicht daran läge, so die Experten, dass Frauen stärker unter solchen Störungen litten, sondern sich viel eher um ärztliche Hilfe bemühten als Männer. Das statistische Durchschnittsalter aller Patienten lag bei 51 Jahren. Am häufigsten werden neurotische-, belastungs- und somatoforme Störungen (solche, die sich nicht ausreichend auf eine organische Erkrankung zurückführen lassen) behandelt.
Suchterkrankungen landeten mit 12 Prozent aller Behandlungsfälle auf dem dritten Rang. Dafür liegt in Dortmund der Anteil der Suchterkrankungen, die stationär therapiert werden, mit 44 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt (38 Prozent).
Aktuell sind in Dortmund zur Unterstützung psychisch Kranker aber viele Verbesserungsmaßnahmen angeschoben worden. - bö
Quelle: Ruhr Nachrichten vom 16. August 2006