Neue Nazis: Sehr jung und gewalttätig
Dortmund. Wenn am 6. September erneut ein Neonazi-Aufmarsch in Dortmund stattfindet, werden mehrere Generationen von Neonazis marschieren. Die jüngsten sind zwischen 14 und 20 Jahren alt.
In den 80er- und 90er-Jahren waren es die Aktivisten von Kameradschaft, Borussenfront und FAP um Gallionsfigur Siegfried „SS-Siggi” Borchardt - sie sind heute zwischen 40 und 60 Jahren alt und noch immer aktiv. In den letzten Jahren machten vor allem die „Autonomen Nationalisten” um Dennis G. und Dietrich S. von sich reden. Doch die „junge Garde” - heute zwischen 20 und 35 Jahren alt - sind mittlerweile „alte Hasen”: In den Stadtteilen haben sich junge Faschisten formiert - so die „Nationale Front Eving” (NFE).
Schüler, Azubis und Berufsschüler
Begonnen hat es mit dem „Alkohol-Killer-Commando” - einem rechtsorientierten „Sauf- und Partyverein”: Sachbeschädigung, Körperverletzung, Beleidigung und Landfriedensbruch gehörten zum Alltag der Mitglieder - überwiegend Schüler, Berufsschüler und Azubis der Jahrgänge 1989 bis 1991 aus Eving. Doch seit Ende 2007 kommen politisch motivierte Straftaten hinzu: Das hat Staatsschutz und Staatsanwaltschaft alarmiert: „Die Kollegen haben Gas gegeben, um die Delikte anzuklagen”, berichtet Oberstaatsanwältin Dr. Ina Holznagel. Eine „ganze Welle von Verfahren” würde verhandelt.
Dutzende Jugendliche sind wegen verschiedener Delikte aktenkundig. Der 20-köpfige harte Kern rekrutiert sich aus einer gewaltbereiten, ideologisch gefestigten Gruppe, zu der ein Freundeskreis von 30 weiteren „erlebnisorientierten” Jugendlichen gehört, so Szenekenner. Doch die „NFE”-Struktur ist unklar. Das erschwert die Strafverfolgung: „Wäre eine feste Struktur erkennbar, könnten wir wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermitteln”, erklärt Holznagel.
Schwerer Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung
Aktuell erwarten vier Jugendliche ihr Verfahren wegen schweren Landfriedensbruchs und Gewaltdelikten. Andere sind wegen „Sieg Heil”-Rufen und Sachbeschädigung angeklagt. Und sechs Evinger müssen sich für Taten verantworten, die sie alkoholisiert nach einer „Böhse Onkelz”-Party begangen haben. Einer ging mit einem Schlagstock auf sein Opfer los und wird u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.
Handlungsbedarf
"Dortmund ist unsere Stadt" und "Nie wieder Krieg - nach unserem Sieg": Diese Parolen werden wieder am 6. September zu hören sein, wenn die Neonazis abermals durch Dortmund ziehen. ...
... Zum so genannten "Antikriegstag" haben sie aufgerufen: Die geistigen Kinder und Enkel der Verbrecher, die bis 1945 für den Tod von 60 Millionen Menschen verantwortlich waren.
Die Neonazis werden immer dreister: Sie bedrohen und überfallen Lehrer und Andersdenkende. Und auf ihren Internetseiten veröffentlichen sie Fotos von linken Jugendlichen.
Dortmunds Faschisten werden nicht nur dreister, sie werden auch immer jünger: Denn sie suchen die Schulen nicht nur nachts Wände beschmierend heim - tagsüber drücken sie dort oft noch selbst die Schulbank. Denn die neuen Nazis sind jung - oft nur 14, 16, 18 Jahre alt. Und trotzdem haben sie dicke Strafakten.
Das Problem: Lehrer und Ausbilder stehen oft ratlos vor dem Problem. Falls sie es überhaupt wahrnehmen. Daher ist es begrüßenswert, dass Institutionen wie die Handwerkskammer jetzt das Bündnis Dortmund gegen Rechts eingeladen haben, um Ausbilder über die Strukturen und Strategien zu informieren. Es braucht viel mehr solcher Aktionen: Der Neofaschismus gehört auf den Stundenplan der Schulen. Denn die Geschichte hat nicht 1945 aufgehört.
Es gibt Handlungsbedarf!
Quelle: WR vom 11.08.08