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Ohne Not in Not geraten

Ein Land mit fünf Millionen Arbeitslosen, das munter weitere Leistungsbezieher produziert. Eine Familie, die in existenzielle Not gerät - und niemand ist Schuld. Eine Geschichte, die zeigt, dass es hakt. Wo auch immer.

Anna J. (37) war selbstständig. Eine klitzekleine Montagefirma. Einziger Angestellter: Ihr Gatte Roger (39). Die Auftragslage stimmte " die Buchführung dagegen wohl nicht so richtig. Eine Betriebsprüfung im vergangenen Jahr ergab eine satte Steuernachforderung in Höhe von 22000 Euro. Die Eheleute schluckten. Kein Betrag, den sie aus der Portokasse zahlen konnten. Den sie aber abstottern wollten. Raten à 1000 Euro im Monat boten sie dem Finanzamt an. Nach zwei Jahren wäre die Schuld vom Tisch gewesen, Vater Staat hätte sein Geld bekommen.

Doch die Rechnung hatten Anna und Roger J. ohne Vater Staat gemacht. Weil die Finanzämter Ratenzahlungen grundsätzlich nur über maximal sechs Monate Laufzeit vereinbaren dürfen, beantragte das Finanzamt Dortmund die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Aus für den kleinen Betrieb, der das Ehepaar J. und die 12-jährige Tochter ernährte. Am 6. September 2005 schloss die Firma. Geld bekommt der Staat nun keines; dafür bekommt die Familie Geld vom Staat. Doch damit begannen die Probleme erst.

Zwei Monate ohne einen Cent und niemand ist Schuld

"Wir hätten unseren kleinen Betrieb gerne fortgeführt", sagt Anna J. "Die Auftragslage war entsprechend, das lässt sich auch belegen."

Doch die Gesetze sind nicht entsprechend. Also meldete sich Roger J. als Ex-Angestellter am 6. September bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend. Seine Frau meldete sich als Ex-Selbstständige beim Sozialamt. Wo man ihr nicht erklärt habe, dass auch sie sich arbeitsuchend melden muss. Erst Wochen später habe sie das erfahren.

Derweil erhielt Roger J. 100 Euro, am 22. September einen Bewilligungsbescheid über 692,10 Euro Arbeitslosengeld und bald darauf eine Überweisung von 451,44 Euro. Mit den 100 Euro, die er bar ausgezahlt bekommen hatte, die korrekte Summe für den Zeitraum vom 6. bis 30. September. So weit, so gut.

Danach erhielt er nichts mehr " obwohl das JobCenter ARGE am 18.Oktober für den September eine Nachzahlung in Höhe von rd. 500 Euro und ab November 1296,59 Euro pro Monat bewilligte, jetzt für die dreiköpfige Familie insgesamt. Allerdings nicht wissend, dass Roger J. Alg I bezieht. Das habe er verschwiegen.

Wie auch immer: Kein Geld kam. Nicht im Oktober. Nicht im November. Statt dessen kam am 8.11. Post von der Dortmunder Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft (Dogewo). Die kündigte der Familie, weil sie mit der Miete zwei Monate im Rückstand war. Rund 1000 Euro. Auch von der Agentur für Arbeit kam am 14.11. Post. Man könne die Leistungen nicht überweisen, weil Kontonummer und Bankleitzahl nicht zuträfen. Auf dasselbe Konto bei derselben Bank hatte die Agentur im September aber besagte 451,44 Euro überwiesen. "Das Konto läuft auf meinen Namen. Ich musste bei Antragstellung sogar unterschrieben, dass mein Mann darüber verfügen kann", sagt Anna J.

Möglicherweise oder auch nicht liegt der Fehler also bei der Bank.

Fakt ist: Nach zwei schlimmen Monaten wird der Familie erst jetzt geholfen " auf Intervention unserer Zeitung. Eine erste Barauszahlung in Höhe von 1000 Euro haben sie erhalten. Ihre Wohnung müssen sie nicht verlassen. "Am schlimmsten daran ist, dass wir eigentlich gar nicht auf den Staat angewiesen wären", sagt Roger J. - eFeF

Quelle: RN vom 23. November 2005

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