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Schlafsäcke für das Gasthaus gesucht

Was für eine Kälte! Das Gasthaus Dortmund, Einrichtung für Obdachlose, sucht dringend Schlafsäcke und warme Winterkleidung !!!

Die WAZ berichtet:

Wanderschaft auf der Suche nach Wärme

Ein Schlafsack ist Luxus, und ein warmes Plätzchen ein gehüteter Schatz: Fast 18.000 Obdachlose müssen auch die kältesten Nächte des Jahres auf der Straße verbringen. Wer kann, kommt zum Aufwärmen ins Gast-Haus.

Der immer kommt, mit den verfilzten Haaren, jeder weiß ja, wen Werner Lauterborn jetzt meint: der Dunkle mit dem Schlafsack! Der ist heute nicht da. Ausgerechnet. Macht er sich Sorgen? „Ach Shit, ja sicher, man hat immer ein bisschen Angst, wenn die nicht da sind.” Und dann jetzt, wo es so kalt ist, dass der Winter die Welt weiß malt und die im Warmen wetteifern, die tiefsten Temperaturen zu messen: Was machen die da draußen? „Wer irgendwo 'ne warme Ritze hat, bleibt, wo er ist.”

Deshalb wohl sind sie nur 50, allenfalls 60 an diesem klirrenden Januar-Morgen im Gast-Haus in Dortmund, einer ökumenischen Wohnungslosen-Initiative. Sonst kommen über 100 zum Frühstück. Nicht alle von der Straße, es gibt auch welche mit Dach über dem Kopf, aber leerem Kühlschrank. Sie kommen durch die Tür mit suchendem Blick in den faltigen, verlebten Gesichtern, „kaputte Gesichter”, sagt Werner Lauterborn, der hier Vorstand ist seit den ersten Tagen und dem es immer noch weh tut, was er sieht.

Die Leute rücken zusammen an den Tischen, die meisten sind Männer, wie überhaupt 80 Prozent unter den 18 000 Obdachlosen in NRW Männer sind. Viele ziehen die dicken Jacken nicht aus, kauern da, die zitternden Finger an die Kaffeetassen gepresst, sie greifen gierig nach Brot und Wurst, aber die Weihnachtskekse auf den Tellern rühren sie nicht an. Früher, sagt eine 53-Jährige im Fleecehemd, schlief sie im Winter, wo heute das Arbeitsamt ist, „hinten rum ums Haus, auf dem Wärmegitter”, oder beim Supermarkt an der Brücke, der hatte auch einen Schacht mit heißer Luft. Aber heute ist das alles umgebaut, und ihre Kumpel, mit denen sie dort die Nächte verbrachte – „alle tot”. An der Wand hängt ein altes Bild von Alois: „Erfroren in der Tiefgarage”. In den letzten Jahren, sagt Wilhelm, „hatten wir relativ Glück”, aber selbst bei milder Witterung: „Wenn du nur einen Sommerschlafsack hast, kommt kein Schlaf auf.”

Permanent auf der Flucht

Einem muss das in dieser Nacht so gegangen sein, er nimmt gerade in der Kammer ein Mützchen, die sie die „Pumahöhle” nennen. „Wer jetzt kein Dach über dem Kopf hat”, sagt Lauterborn, „hat schlechte Karten.” Sie erzählen ihm nicht, wo genau sie „Platte machen”, wie sie es niemandem erzählen, weil jedes warme Plätzchen gehütet wird wie ein Schatz. „Auf der Straße gibt es keine Freunde”, sagt einer, der sich K.-D. nennt. Alte Fabrikhallen, vermutet Lauterborn, Gartenhäuschen, Rohbauten. Große Häuser mit Lüftungen, verrät K.-D., aber nur stundenweise, dann kommt ein Wachmann oder gleich die Polizei. „Die bleiben in irgendwelchen Löchern, bis sie rausgesetzt werden”, so Lauterborn: „Permanent auf der Flucht.”

„Gast-Haus statt Bank” wirbt seine Einrichtung – aber was sollen die Obdachlosen mit einer Bank in diesen Tagen, schlimmer noch: den Nächten? „Zeitung wärmt nicht”, Schlafsäcke brauchen sie, aber Schlafsäcke sind immer knapp und Decken die schlechtere Lösung. Die ziehen Feuchtigkeit wie die Kleidung, das bisschen klamme Wäsche, die die Leute am Leib tragen rund um die Uhr und um den Kalender. „Die wagen ja nicht mal die Schuhe auszuziehen, weil sie Angst haben, dass sie geklaut werden.”

Kein Geld für Alkohol

Deshalb bleiben auch die Tüten immer zu ihren Füßen, mit dem Bisschen Besitz. „Frohe Weihnachten” steht auf den Plastiktaschen einer Frau und „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein”, aber vermutlich hat sie nichts darin selbst gekauft, und der Pappbecher obenauf ist leer: zum Trinken? Zum Betteln? Wenn Mützen gespendet werden oder Handschuhe, sagt Lauterborn, „die sind am selben Tag wieder weg”. Montag war ein Mann da mit Rissen in den Schuhen, dem haben sie schnell Ersatz geholt aus der Kleiderkammer, die eigentlich geschlossen war.

600 sollen es sein in Dortmund, die keine Bleibe haben, Dunkelziffer eingerechnet; viele von ihnen existieren offiziell gar nicht. Also kriegen sie kein Hartz IV, auch sonst keine Hilfe und ohne Geld nicht einmal Alkohol. Wobei auch Fusel allenfalls vorübergehend wärmt. Und nur, weil er eben keine Flaschen mitbringt, darf K.-D.s Reise unbehelligt immer weitergehen: nachts Flughafen, morgens Gast-Haus, mittags Suppenküche, nachmittags Brückentreff. . . Eine Wanderschaft auf der Suche nach Wärme. „Im Sommer”, sagt Wilhelm, „kann man's leichter ertragen.”

Die Evangelische Obdachlosenhilfe bittet, Hilfseinrichtungen über Obdachlose zu informieren, die derzeit draußen übernachten. Das Dortmunder Gast-Haus, Rheinische Str. 22, freut sich über Schlafsäcke und Winterkleidung.
www.gast-haus-org 


Quelle: WAZ vom 7.1.09

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