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Mensch hinter den Schulden

Nicht 99 Luftballons könnte Nena auf dem Propsteihof zählen, sondern 270. Knallrot und bemalt sind sie, Symbole für Köpfe, Symbole für Menschen, die in der Schuldenfalle sitzen.

"Jeder Luftballon steht für 100 Haushalte in Dortmund. 270 also für 27000 überschuldete Familien", so Alwin Buddenkotte, Geschäftsführer vom Katholischen Verein für soziale Dienste (SKM). Mit der Verbraucherberatung organisiert der SKM als weitere Schuldnerberatungsstelle in Dortmund die Aktion "Der Mensch hinter den Schulden". Buddenkotte: "Überschuldete Menschen leben am Rande der Gesellschaft und werden nicht wahrgenommen. Jeder Nachbar von uns kann betroffen sein. Uns ist wichtig, dass Offenheit entsteht und Solidarität mit den Betroffenen."

Der krasseste Fall aus der Verbraucherberatung lässt erschauern: Ein Klient, der ohne Behandlung nur noch kurze Zeit zu leben hat, kann seine Chemo-Therapie nicht antreten, weil sein Konto gepfändet wurde. Da er weder Familie noch Freunde hat, die seine Sozialhilfe abholen können, muss er persönlich erscheinen, kann nicht ins Krankenhaus gehen.

.270 Luftballons wiegen sich im Wind vor der voll besetzten Café-Terrasse auf dem Propsteihof. Ein Mann erscheint: "Haben se mal zwei Euro, dass ich mir was zu essen kaufen kann" Ich habe Hunger."

Wenn Schulden einsam machen

.4928 eidesstattliche Erklärungen im Jahr 1995, 9791 so genannte Offenbarungseide im Jahr 2004 " alle Zeichen stehen auf Sturm. Ein Sturm, der die 270 Luftballons auf dem Propsteihof hinwegfegen könnte. 270 Ballons, die 27000 überschuldete Haushalte in Dortmund symbolisieren. Überschuldet, was heißt das"

"Wenn der bleibende Rest nach Abzug aller Kosten, wie Miete, Strom, Wasser etc. nicht mehr ausreicht, den Lebensunterhalt zu decken", erklärt Uta Petzolt, Schuldnerberaterin in der Verbraucherberatungsstelle. Sie weiß, dass überschuldete Haushalte hier mit durchschnittlich 30000 Euro in der Kreide stehen. Schulden, die oft schon seit 20, 25 Jahren mitgeschleppt werden. Addieren sich Schicksalsschläge wie Arbeitslosigkeit, Scheidung, Unterhaltsforderungen, Krankheit, oder selbst schon die Familienplanung mit einem wegfallenden Gehalt hinzu, schnappt die Falle zu.

In der Schuldenfalle sitzen aber auch mehr und mehr Menschen, die noch Arbeit haben. Alwin Buddenkotte, Geschäftsführer vom Katholischen Verein für soziale Dienste in Dortmund, mahnt: "Der Anteil der Menschen, die überhaupt noch gepfändet werden können, nimmt rasant ab, denn selbst unter den Arbeitnehmern erreichen viele nicht mehr ein pfändungsfähiges Einkommen." Der Teufelskreis schließt sich: Die Bank kündigt das Girokonto, der Arbeitgeber kann kein Geld überweisen, ohne Konto kein Arbeitsplatz.

"Oft stehen Klienten weinend vor uns", berichtet Gesa Mielcke von der Verbraucherberatung. Stockend erzählen sie dann von Freunden, die keine mehr sind, von Ausgrenzung, Isolation. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, und sei es nur eine Tasse Kaffee, ein Zoo- oder Kinobesuch sind nicht mehr möglich. Petzolt: "Der viel geforderte Konsum kann so nicht stattfinden." "Bei 18 Prozent Arbeitslosigkeit in Dortmund", erinnert Buddenkotte. Die Arbeit der Schuldnerberater ist lebenswichtig. - bö

Quelle: RN vom 16. Juni 2005

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