Steine fliegen in Schaufenster von Dorstfelder Existenzgründern
DORSTFELD Alle Samstage im März waren keine guten Tage für Akin Üstünel (27) und Murat Sözer (28). Wenn sie morgens ihr Lebensmittelgeschäft am Spickufer öffneten, mussten sie meistens als erstes die Polizei rufen.
Der Grund: Sie hatten nachts ungebetenen Besuch. Mehrere mit Pflastersteinen eingeworfene Schaufensterscheiben und in Brand gesetzte Mülltonnen sind die traurige Bilanz des ersten Monats ihrer geschäftlichen Tätigkeit in Oberdorstfeld seit der Eröffnung.
Der Schaden belaufe sich auf mehrere tausend Euro, schätzen die beiden. Die Polizei, bestätigt die Pressestelle auf Anfrage, habe die Anzeigen aufgenommen. Hoffnung, den Täter zu fassen, gebe es kaum. „Dennoch fahren die Beamten jetzt verstärkt Streife“, hat Akin Üstünel beobachtet.
Aufgeben ist kein Thema
Ans Aufgeben denken die beiden Existenzgründer aber nicht, auch wenn die schrecklichen Vorfälle ihnen schon viele schlaflose Nächte bereitet haben. „Wir wollen, dass unsere Kunden wissen, dass wir motiviert sind, weiterzumachen“, gibt sich Askin Üstünel kämpferisch. Dabei gibt den beiden vor allem die Rückmeldung der Anwohner Kraft. Der Zuspruch der Kunden sei für sie immens wichtig.
„Oberdorstfeld war lange ohne fußläufig erreichbares Lebensmittelgeschäft. Viele Nachbarn haben sich gefreut, dass es endlich wieder frisches Obst und Gemüse so nah zu kaufen gibt“, berichtet Murat Sözer.
Keine Spekulationen
Akin Üstünel und Murat Sözer haben sich gezielt dazu entschlossen, sich nicht an Spekulationen zu beteiligen, welche Tatmotive hinter diesen Überfällen stecken könnten. Ihnen ist vor allem eines wichtig: „Wir möchten die Menschen am Spickufer bitten, aufmerksam zu sein, damit der Täter das nächste Mal identifiziert werden kann.“
Fenster zumauern
Damit nicht weitere Kosten und so möglicherweise Probleme mit ihrer Versicherung entstehen, werden Akin Üstünel und Murat Sözer keine neuen Scheiben einsetzen lassen. Sie wollen die Fenster vielmehr zumauern lassen und die Flächen später mit Werbung überkleben.
* Die Polizei registrierte in den letzten vier Wochen im Bereich Spickufer insgesamt vier Sachbeschädigungen. „Wir haben den Bereich Spickufer im Blick“, sagt Polizei-Pressesprecher Kim Freigang, ohne konkrete Maßnahmen nennen zu wollen.
Bezirksbürgermeister: "Nicht Augen vor Vandalismus schließen"
DORSTFELD Die Vorfälle um die beiden Lebensmittelhändler, deren Geschäft am Spickufer von Vandalismus betroffen ist, werfen Fragen an die Politik auf.
Herr Krüger, die beiden Lebensmittelhändler wollen jetzt ihre Fenster zumauern. Der richtige Weg?
Krüger: Zunächst mal ist es traurig, dass die Vorfälle geschehen sind. Mich lässt es grundsätzlich zusammenzucken, wenn Vandalismus herrscht, egal aus welcher Richtung. Fenster zuzumauern bringt da gar nichts. Das würde ja bedeuten, Augen zu und durch. Das wollen wir nicht. Die beiden sollten sich nicht abschotten. Man muss mit offenem Visier arbeiten.
Gilt das auch für alle Dorstfelder?
Krüger: Natürlich. Die Dorstfelder sollten sensibilisiert sein, sofort die Polizei anzurufen, wenn sie solche Vorfälle mitbekommen. Solche Taten geschehen aus heiterem Himmel. Ich habe selbst erlebt, wie Vandalen durch Kleingärten gezogen sind und Bänke in die Gärten geschmissen haben.
Ziehen Sie als Politiker Konsequenzen aus dem Vandalismus am Spickufer?
Krüger: Die Frage ist doch, welche Konsequenzen. Es ist Aufgabe der Polizei, vernünftig zu ermitteln. Ich werde die Polizei jedenfalls bitten, das zu tun. Und ich gehe auch davon aus, dass sie vernünftig ermittelt.
Kann die Politik den beiden Lebensmittelhändlern denn überhaupt helfen?
Krüger: Wir können moralische Unterstützung geben und die Bevölkerung sensibilisieren.
Zum Beispiel durch öffentliche Bürgerversammlungen?
Krüger: Die sind nicht das geeignete Mittel.
Also ist jeder Einzelne gefordert?
Krüger: Ja, es kommt darauf an, sich gegenseitig zu helfen.
Gibt es andere Ansätze, das Problem des Vandalismus in Dorstfeld zu lösen?
Krüger: Wachsamkeit und Zusammenhalt. Das ist es.
Unerträglicher Zustand - Kommentar
Es ist kaum zu glauben! Da bemühen sich zwei junge Männer in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, einen eigenen Betrieb aufzubauen.
Mehr noch: Sie schließen in Oberdorstfeld eine Versorgungslücke. Sie geben Menschen ohne Auto die Möglichkeit, direkt vor der Haustür einzukaufen, was lange nicht möglich war.
Und dann kommen Unbekannte und schlagen diesen Männern nachts regelmäßig die Schaufensterscheiben ein. Aufgeben wollen die Jungunternehmer deshalb zwar nicht, aber um ihren Laden zu schützen, planen sie, ihre Schaufenster zumauern. Und das ist unfassbar!
Polizei und Politik sind gleichermaßen in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass solche „Schutzmaßnahmen“ unnötig sind. In Dorstfeld ebenso wie im Rest von Dortmund. Jetzt und für immer. Denn dass sich Bürger dieser Stadt aus Angst vor Vandalismus und nächtlichem Terror einmauern, ist nicht nur unfassbar sondern unerträglich. Das muss mit allen Mitteln des Rechtsstaates verhindert werden.
Quelle: RN vom 25.03.09