Unterschriftenkampagne für den Rücktritt des Polizeipräsidenten
Am 24.04.2008 ist dem Polizeipräsidenten der Stadt Dortmund Hans Schulze der unten beigefügte Brief zugegangen. Eine Reaktion seinerseits hat es nicht gegeben. Das Verhalten des Polizeipräsidenten anlässlich der Gegenveranstaltungen zum Naziaufmarsch am 06. September 2008 erfordert nun einige Aktualisierungen.
Die Polizei sprach im Rahmen des Aufmarsches der extrem gewaltbereiten Neonazis von einem Sicherheitsrisiko für Pressevertreter und Bürger, dennoch führte das nicht zu einem Verbot. Ganz im Gegenteil blieben die Gewaltäußerungen der Neonazis ohne Konsequenzen, rechte Gewalt wurde von Seiten der Polizei klein geredet. Außerdem wolle man, so die Beamten vor Ort, eine Eskalation vermeiden, da man es sonst potenziell mit 1100 Gewalttätern zu tun habe.
Dieses Verhalten wussten auch die Neonazis zu schätzen. So nennt der bekannte Hamburger Naziaktivist und Mitorganisator des Aufmarsches, Christian Worch, auf im rechtsextremen Internetportal Altermedia das „Verhalten der Polizei überwiegend korrekt beziehungsweise kooperativ“ und fügt im Hinblick auf die Polizeiführung hinzu: „Schikanöse Behandlung von Teilnehmern scheint es eher nicht aufgrund einer `Weisung von oben´ gegeben zu haben, sondern wohl eher durch einzelne übereifrige Beamte.“
Während ihres Aufmarsches konnten sich die Neonazis frei außerhalb der Demonstration bewegen und Passanten anpöbeln. Die Polizei ließ es zu, dass sich Neonazis als Medienvertreter getarnt, aber ohne Presseausweis, frei im Areal bewegen konnten. Dabei filmten und fotografierten sie protestierende Bürgerinnen und Bürger und Klingelschilder der Häuser, aus denen Protest gegen die Neonazis kamen. Diese Fotos finden sich anschließend auf Neonazi-Seiten im Internet wieder - mit Aufruf zur Repression oder dem Aufruf, persönliche Daten der Fotografierten zu verraten.
Bei der „Aktion 65 plus“, einer Initiative von Seniorinnen und Senioren, hat die Polizeiführung weder Fingerspitzen- noch Taktgefühl bewiesen. Sie hat restriktiv reagiert und den Zugang zu den Stolpersteinen, Gedenkstätten des Naziterrors, verhindert. Damit nicht genug: Den Initiatoren droht der Polizeipräsident mit rechtlichen Konsequenzen, obwohl ein Polizeibeamter vor Ort zunächst sein Einverständnis für diese spontane Aktion gegeben hatte. Erst im Verlauf stellte sich die Polizei quer, woraufhin sich dieser friedliche Protest ebenso friedlich auflöste.
Schließlich muss ausgelotet werden, welche Spielräume die Stadt zur Einschränkung solcher Naziaufmärsche hat. Auch wenn in NRW die Polizei zugleich Versammlungsbehörde ist, haben andere Polizeipräsidenten ganz andere Möglichkeiten zur Beschränkung der Aufmärsche genutzt bzw. sind ganz anders mit dem Thema umgegangen (siehe z.B. in Köln am letzten Wochenende bei der als Kundgebung angemeldeten sogn. Anti-Islam-konferenz von pro Köln).
Fazit dieses 06. September ist, dass Polizeipräsident Hans Schulze einmal mehr seinen Unwillen bzw. seine Unfähigkeit, gepaart mit moralischer Verwahrlosung an den Tag gelegt hat.
Wir bleiben dabei: Wir fordern den sofortigen Rücktritt des Polizeipräsidenten Dortmund, Hans Schulze!
In diesem Zusammenhang haben wir auf der antifaschistischen Kundgebung am 6.09. auf dem Platz der alten Synagoge eine Unterschriftenkampagne für den Rücktritt von Herrn Schulze gestartet. Druckt Sie bitte aus, sammelt und schickt die vollen Listen an die auf der Liste angegebene Adresse.
Offener Brief an den Polizeipräsidenten der Stadt Dortmund, Herrn Hans Schulze
Dortmund, den 24.April 2008
Dortmund bleibt unsere Stadt – weltoffen und demokratisch!
Schluss mit der Duldung und Verharmlosung von Nazigewalt!
Sehr geehrter Herr Polizeipräsident,
„Dortmund ist unsere Stadt“ – immer öfter tragen Neonazis T-Shirts mit diesem Aufdruck. Die Parole geht zurück auf die Ermordung des Punkers Thomas „Schmuddel“ Schulz durch mehrere Messerstiche eines 17-jährigen Neonazis an der U-Bahnstation Kampstrasse am 28.März 2005. Die neonazistische „Kameradschaft Dortmund“ veröffentlichte damals eine Stellungnahme, in der es hieß: „Kamerad wegen Mordversuch in U-Haft. Die Machtfrage wurde gestellt und wurde für uns befriedigend beantwortet: Dortmund ist unsere Stadt.“ Schmuddels Mörder aber wurde als verwirrter jugendlicher Einzeltäter ohne politischen Hintergrund verurteilt.
„Dortmund ist unsere Stadt“ – dieses Gefühl müssen Neonazis spätestens seit dem 1. Mai 2007 haben. Damals haben Sie, Herr Polizeipräsident, trotz massiver Proteste eines breiten Bündnisses von Nazigegnern, die Neonazis mit städtischen Bussen zu ihrem Kundgebungsplatz chauffieren lassen. Zuvor hatten Ihre Beamten entlang der Aufmarschstrecke der Neonazis antifaschistische Plakate, unter anderem der Gewerkschaften, entfernt und den Aufmarschplatz von Jauche reinigen lassen. Die braunen Gäste sollten sich offenbar in Dortmund wohl fühlen. Kein Wunder, wenn sie sich dadurch ermutigt fühlten, ausgerechnet am Antikriegstag, dem 1. September, im Dortmunder Westen erneut aufzumarschieren.
"Dortmund ist unsere Stadt" - Diese Parole entspricht dem Selbstverständnis der Dortmunder Neonazi-Szene. Bewaffnete Überfälle auf Linke und MigrantInnen, auf Grüne und AntifaschistInnen – bis hin zu Mordaufrufen - werden mittlerweile genauso im Wochentakt bekannt wie Attacken auf die Gaststätte „Hirsch Q“, Steinwürfe auf linke Wahlkreisbüros und rassistische Pöbeleien. Eine vom Bündnis Dortmund gegen Rechts erstellte Chronik listet mehr als 90 Vorfälle, von Hakenkreuzschmierereien über Neonazi-Aufmärsche bis zum Mord, innerhalb der letzten sechs Jahre auf.
„Dortmund ist unsere Stadt“ – diese Parole wurde am 21. Mai 2007 auf die zuvor bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen eingeworfene Scheibe des Wahlkreisbüros der Partei DIE LINKE in der Münsterstraße gesprüht. Die Nazis wollen zeigen: Wer aktiv gegen die rechtsextremen Umtriebe ist, muss mit gewaltsamen Konsequenzen rechnen. Hier im linken Zentrum hatte sich zuvor das Bündnis gegen den Naziaufmarsch vom 1. Mai getroffen.
„Dortmund ist unsere Stadt“ – unter dieser Losung versuchen militante Neonazis seit Jahren die Ruhrgebietsmetropole zur rechten Hochburg im Westen und zur No-Go-Area für alle, die nicht in ihr Weltbild passen, zu machen.
Von Ihrer Seite, Herr Polizeipräsident, wurde bislang ignoriert und beharrlich geleugnet, dass Dortmund ein Nazi-Problem hat. Selbst, wenn Neonazis am Ort eines Überfalls „Sieg Heil“ rufend angetroffen oder offensichtliche Nazisymbole wie Hakenkreuze geschmiert werden, heißt es von Seiten der Polizei routinemäßig: “Ob die Tat einen rechtsextremen Hintergrund hat, ist derzeit nicht bekannt und Gegenstand weiterer Ermittlungen.”
Wir fordern Sie auf, endlich konsequent gegen rechtsextrem motivierte Gewalt- und Straftaten vorzugehen, anstatt Überfälle als unpolitische Schlägereien von Jugendlichen zu verharmlosen. Wir erwarten von Ihnen, aktive Antifaschistinnen und Antifaschisten nicht weiter zu kriminalisieren oder zu behindern.
Selbst die Stadtspitze sieht jetzt ein, dass Dortmund ein Problem mit Neonazis hat und dringend etwas gegen diese braune Pest unternommen werden muss. Dazu hat sie einen Aktionsplan erstellt und ein Koordinierungsbüro im Rathaus eingerichtet. Nun ist es Zeit, dass auch Sie, Herr Polizeipräsident, endlich offen zugeben, dass Rechtsextreme und Neonazis sich in Dortmund immer dreister breitmachen und immer aggressiver auftreten. Das lässt sich nicht länger ignorieren oder schönreden!
Herr Schulze, unsere Geduld ist am Ende.
Handeln Sie endlich oder treten Sie zurück – wegen Unfähigkeit oder Unwilligkeit bei der Bekämpfung rechtsextremer Straftaten.
Der Ruf unserer Stadt hat schon genug gelitten. Jetzt gilt es zu handeln. Denn Dortmund soll unsere Stadt bleiben - weltoffen und demokratisch, gegen Rassismus und Rechtsextremismus“.
Quelle: Bündnis Dortmund gegen Rechts