Wer verabreicht denn demnächst die Impfung?
Ulla Schmidt sprach von "Geiselhaft", in die Ärzte ihre Patienten gestern nahmen, Dr. Uwe Garnitz entgegnet der Gesundheitsministerin: "Wir lassen unsere Patienten nicht im Regen stehen."
Und genau aus dem Grund öffnete der Hausarzt an der Paderborner Straße 79 in Körne am Montag auch seine Praxis. Es war kaum 11 Uhr, da hatte Garnitz gut 30 Patienten versorgt. Mit Wut im Bauch. Aber natürlich nicht auf die Kranken, sondern die Ministerin: "Frau Schmidt behauptet, es gehe uns um die Honorare. Das tut es nicht. Es geht uns um die Basisversorgung. Wer verabreicht denn den Patienten demnächst die Grippeschutzimpfung, wer wechselt ihre Verbände und stellt kurzfristig wichtige Untersuchungstermine sicher?"
Seit 1988 ist der praktische Arzt niedergelassen. Seine Praxis betreut insgesamt rund 1100 Patienten: "Man muss weiter denken, als die Politik das tut." Schon heute stünden 30 Prozent der Ärzte unter Bank-Aufsicht.
Zur Erklärung: Das bedeutet, sie müssen ihre Honorarforderungen monatlich an ihre Bank abtreten. Ihnen steht also - finanziell gesehen - das Wasser bis zum Hals.
Jede in die Pleite geschlitterte Praxis bedeutet aber eine schlechtere Versorgung von Patienten. "Ulla Schmidt sagt, die Interessen der Lobbyisten interessieren mich nicht. Also 80 Millionen Lobbyisten interessieren sie nicht?", fragt Dr. Garnitz kritisch nach und meint damit natürlich die gesamte bundesdeutsche Bevölkerung.
Ihn stören die Fehlinformationen aus dem politischen Lager. Während er gestern - wie viele seiner Kollegen - bei Kerzenschein die Praxis betrieb, um auf die "ausgehenden Lichter" im Gesundheitswesen hinzuweisen, standen vor der Praxis ein Zelt und Info-Tafeln.
Das war also am Montag, dem bundesweiten Aktionstag der Gesundheitsberufe. Da hatte der Hausarzt bereits 88 Stunden Arbeit in den Knochen, denn auf eine komplette Arbeitswoche folgte am Wochenende die Rufbereitschaft. Dr. Garnitz hatte Notdienst, fügt aber hinzu: "Ein Hausarzt ist eigentlich ständig 24 Stunden im Dienst." Der praktische Arzt spricht vielen Kollegen aus der Seele. - bö
Quelle: Ruhr Nachrichten vom 04. Dezember 2006