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"Wie menschlicher Abfall"

"Ich habe früher auch immer gesagt, 'wer arbeiten will, der kriegt auch was'. Aber nach einem halben Jahr kam die Ernüchterung." Mittlerweile ist Monika Beile seit zwei Jahren arbeitslos. "Ich bin einfach zu alt", stellt die 53-Jährige fest.

Dabei sieht Monika Beile wirklich nicht aus, als bräuchte sie schon einen Krückstock. Die zierliche Frau wirkt agil, sehr gepflegt, kann sich ausdrücken. Doch das nutzt ihr alles nichts. Als vor zwei Jahren die Firma, in der Monika Beile zuvor neun Jahre als Sachbearbeiterin gearbeitet hatte, pleite ging, fing der Spießrutenlauf an. "Ich war zuvor nie vom Staat abhängig. Ich bin früh Witwe geworden und habe meine beiden Kinder allein groß gezogen." Was ohne Zweifel eine ziemliche Leistung ist. Nach der aber niemand fragte, sondern nur nach ihrem Alter. "Wenn ich gesagt habe, wie alt ich bin, dann merkte ich sofort, dass kein Interesse mehr da war." 50 bis 60 Firmen, so schätzt sie, hat sie angerufen, angeschrieben und bei manchen ist sie einfach so vorbeigegangen. Genutzt hat es nichts. "Null-Resonanz."

"Ich hätte sogar zur Probe gearbeitet oder erstmal ein unbezahltes Praktikum gemacht, auch nichts." Jetzt muss die 53-Jährige nach 19 Jahren aus ihrer Wohnung raus. "Bei 77 qm ist die Grundmiete einfach zu hoch", erzählt sie. Demnächst zieht sie in eine Wohnung mit 50 qm. "Das ist schon wie ein Peitschenhieb".

Ähnlich wie ihr geht es auch den übrigen 13 Teilnehmern in einer Fortbildungsmaßnahme der Gesellschaft für Bildung und Beruf (GBB), die von der Agentur für Arbeit gefördert wird. Zurzeit macht die bunt gemischte Gruppe, alle über 50, ihren Europäischen Computerführerschein. Außerdem haben sie sich überlegt, dass sie Senioren an das Internet heranführen wollen. Manfred Kutschera hat sich schon vorsorglich Visitenkarten als "EDV-Senioren-Trainer" gestaltet. Er ist mit Mitte 40 arbeitslos geworden. "Versuchen Sie da mal, noch was im Außendienst zu bekommen. In den Stellenanzeige ist das Höchstalter 30, 35." Jetzt will der 57-Jährige Senioren z. B. vermitteln, "wie sie ganz einfach ihren Enkeln mal eine e-Mail schreiben können."

Mit in der Gruppe ist auch Manfred Meyer. "Bewerb' dich doch auf den Spargelfeldern", sei ihm schon an den Kopf geworfen worden. Rund 30 Jahre war er im Außendienst tätig, bevor der Groß- und Einzelhandelskaufmann vor drei Jahren seinen Job verlor, weil seine Firma "Anpassungsmaßnahmen" durchführte. "Ich habe drei Kinder groß gezogen, zweimal ein Haus gebaut und dabei selbst mit Hand angelegt. Ich habe oftmals zehn Stunden und mehr am Tag gearbeitet. Und dann muss man sich sagen lassen, man sei ein Schmarotzer", klingt bei dem 52-Jährigen die Verbitterung durch. "Dass ich mal so lange arbeitslos bin, hätte ich mir nie vorstellen können", sagt er ein bisschen leiser. Dann wird er wieder lauter: "Und dann sagt der Müntefering (Anmerkung der Redaktion: Arbeits- und Sozialminister), wer nicht arbeitet, braucht auch nicht zu essen. Dann soll er uns mal sagen, wo die bezahlte Arbeit ist."

"Im Fernsehen sieht man die Hartz-IV-Fälle, die in Saus und Braus auf Mallorca leben. Aber ich kenne niemanden, der so lebt. Das sind doch alles nur Einzelfälle", schüttelt Monika Beine den Kopf über Medienberichte, die die Wirklichkeit arg verzerrt darstellen. Und Manfred Meyer fühlt sich bei dem, was er sich von so manchem Zeitgenossen sagen lassen muss, "wie menschlicher Abfall". - Bettina Kiwitt

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 16. Mai 2006

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