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Wieso die Energiekonzerne uns dermaßen Ausnehmen können

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Für die monatliche Bürgerfunksendung haben wir uns mit dem Thema Energiepreise beschäftigt. Da nicht alle Informationen in der Sendung Platz hatten, hier der ausführliche Beitrag.

Den gekürzten Beitrag können Sie sich auch anhören.

Die Liberalisierung des Energiemarktes - Strom

Das System zur Stromversorgung in der Bundesrepublik ist über 120 Jahre gewachsen. Zuerst gab es Stadtwerke, die die Stromversorgung in einzelnen Städten aufbauten. Im Laufe der Jahre wurden die Stromnetze dann in die ländlichen Gebieten ausgeweitet.

Die Versorgungsgebiete waren klar abgesteckt. Durch Konzessionsverträge erteilten die Kommunen jeweils einem Elektrizitätswerk das Recht zum Aufbau und zur Nutzung der Infrastruktur. Die Unternehmen wiederum schlossen unter sich Demarkationsverträge ab, die untersagten, auf dem Gebiet des anderen tätig zu werden. Die Energiekonzerne konnten unkontrolliert Preise diktieren und Gewinne einfahren.

1998 sollte sich das mit der Liberalisierung des Energiemarktes eigentlich ändern. Im Energiewirtschaftsgesetz heißt es in Paragraf 1:

(1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.

Mehr Wettbewerb sollte dazu führen dass die Peise sinken. Kurzfristig war das auch so. Seit 2001 steigen die Energiepreise jedoch wieder.

Der Markt änderte sich allerdings tatsächlich. Die alten Gebietsmonopole entfielen und viele der altbekannten Unternehmensnamen verschwanden:

  • Die VEW wurden von den RWE geschluckt,
  • die VEBA fusionierte mit der VIAG zur E.ON,
  • und zuletzt übernahm Vattenfall die Bewag und die HEW sowie die frühere DDR-Energiewirtschaft in Form der VEAG (Vereinigte Energiewerke AG) und LAUBAG (Lausitzer Braunkohle AG).

Kleinere Versorger – insbesondere Stadtwerke – sind vom Markt verschwunden.

Statt eines freien Wettbewerbs ist ein neues Kartell entstanden, welches die Preise nach eigenem Gutdünken bzw. Profitinteressen diktiert. Der deutsche Strommarkt wird heute von vier Konzernen beherrscht: RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall. Konkurrenz halten sie sich durch überhöhte Netznutzungsentgelte vom Hals. Die Durchleitungsgebühren liegen rund dreißig Prozent über dem europäischen Durchschnitt und machen ein Drittel des Endpreises aus.

Mittlerweile gibt es immerhin ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs, daß die Betreiber der Stromnetze Höhe und Angemessenheit der Durchleitungsgebühren nachweisen und offenlegen müssen. Anlass des höchstrichterlichen Beschlusses war die Klage des Ökostrom-Anbieters LichtBlick gegen den Mannheimer Netzbetreiber MVV Energie AG. Die hohen Nutzungsentgelte sind die »entscheidende Stellschraube« der Branchenriesen, den viel beschworenen »Wettbewerb kaputt zu machen«.

Die Liberalisierung des Energiemarktes - Gas

Beim Erdgas sieht es nicht besser aus. Es gibt zwar über 700 Gasversorger, aber die beziehen ihr Gas hauptsächlich von einem einzigen Gasversorger. Die Eon-Tochter Ruhrgas kontrolliert knapp zwei drittel der deutschen Erdgasimporte. Den Rest besorgen einige wenige andere Lieferanten, die zum Teil aber auch wieder mit Ruhrgas zusammen arbeiten. Ein lukratives Geschäft, denn die Endkunden haben keine Wahl. Ein Wechsel des Gaslieferanten ist nicht möglich.

Ruhrgas ist nicht nur Großhändler in Sachen Gas, sondern auch weltweit an Gas produzierenden Unternehmen wie z.B. Gasprom in Russland beteiligt. Zur Zeit deckt Ruhrgas seinen Gasbedarf zu 5 % aus eigener Produktion - dieser Anteil soll in den nächsten Jahren deutlich steigen.

Der Gaspreis ist an den Ölpreis gebunden. Steigt der Ölpreis, steigt etwas später auch der Gaspreis. Diese Regelung stammt aus den 60er Jahren. Da Gas bei der Erdölförderung sowieso anfällt, begannen damals einige Konzerne das Gas zu vermarkten. Wegen der enormen Investitionskosten die zunächst entstanden, wurde der Gaspreis an den Ölpreis gebunden. Heute soll die Regelung angeblich die Verbraucher schützen. Sinkt der Ölpreis, könne man sich damit gegen überzogene Forderungen der Produzenten wehren.

In Großbritannien gibt es eine solche Regelung nicht. Nach Logik der deutschen Energieriesen wären die Verbraucher dort arm dran, völlig schutzlos den frei herumwabernden Preisen ausgesetzt. Doch die sind dort erstaunlicherweise rund 40 % niedriger als bei uns. Tatsächlich ist die Ölpreisbindung heute eine Lizenz zum Gelddrucken. Die Pipelines sind abgeschrieben und das Marktsegment sicher - halb Deutschland heizt mittlerweile mit Gas. Jeder verheerende Hurrican ist für die Gasversorger wie ein Lottogewinn. Der Ölpreis schnellt hoch und für die Gaskunden werden höhere Abschlagszahlungen fällig.

Trotz der Liberalisierung 1998 behielten die Energiekonzerne die Leitungsnetze. Sie können selbst entscheiden, ob und zu welchen Konditionen Wettbewerber Strom oder Erdgas durchleiten dürfen. Festgelegt wurden die Durchleitungsbedingungen in einer Selbstverpflichtung der Branche. Diese Regeln für den Leitungszugang sorgten dafür, dass wenig Chancen für dritte bestanden Gas billig durchzuleiten und damit preiswerter zu sein als der Leitungsbesitzer. Eine staatliche Aufsicht gibt es nicht. Die Energiekonzerne dürfen sich selbst beaufsichtigen.

Das Bundeskartellamt und die Monopolkommission befürworteten Ende der 90er Jahre diese Selbstverpflichtung als marktgerecht, obwohl die europäischen Nachbarn schon längst staatliche Aufsichtsbehörden einrichteten. Auch Brüssel schaute dem Treiben der deutschen Energiekonzerne fünf Jahre zu. Erst im Frühsommer 2003 platzte den Brüsseler Marktwächtern der Kragen - spätestens bis Juli 2007 muss eine Aufsichtsbehörde für den deutschen Strom- und Gasmarkt eingerichtet werden.

Für Verbraucher ist das aber nicht unbedingt ein Grund zum Jubeln. Die Energiekonzerne basteln schon längst an Ausweichstrategien. Statt die Gewinne wie bisher in den Netzsparten anfallen zu lassen, sollen sie demnächst in den Betriebsteilen anfallen, die die Energie erzeugen. Die werden nämlich nicht von der neuen Bundensnetzagentur kontrolliert.

Dortmunder Verhältnisse

In Dortmund ist die Stadtwerke-Tochter DEW für die Strom- und Gasversorgung zuständig. Neben den Dortmunder Stadtwerken ist die RWE zu 47 % an dem Unternehmen beteiligt. Auf Kosten der Dortmunder Energieverbraucher haben die DEW im letzten Jahr fast 60 Millionen Euro Gewinn eingefahren.

Um die Bevölkerung mit Energie zu versorgen sollte es doch ausreichen, dass ein städtisches Unternehmen kostendeckend arbeitet. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass die DEW auf Kosten der Gas- und Stromkunden Millionengewinne erzielt und damit unter anderem einen Flughafen subventioniert.

Die Aufsichtsräte

Die RWE hat im letzten Jahr einen Betriebsgewinn von 6 Mrd. Euro erzielt. Im Aufsichtsrat von RWE sitzen mehrere Oberbürgermeister aus dem Ruhrgebiet - auch der Dortmunder OB Dr. Langemeyer. Für sein Aufsichtsratsmandat erhielt er laut Geschäftsbericht 2004 von RWE eine Vergütung von schlappen 107.000 Euro.

Außer den Oberbürgermeistern sitzen im Aufsichtsrat der RWE auch Frank Bsirske (verdi) und Berthold Huber (IG Metall) und etliche Betriebsratsvorsitzende von RWE-Töchtern. Die Interessen der Verbraucher vertreten diese Gruppen dort aber offensichtlich nicht.

Was tun ?

Klagen gegen Preiserhöhung

Die Gaspreissteigerungen der vergangenen Monate sind eindeutig überhöht. Unter Berufung auf die fehlende Billigkeit können Verbraucher die Zahlung der Erhöhungen verweigern. Erste Urteile bestätigen dies.

In Hamburg haben sich über 50 Verbraucher gegen die Erhöhungen der Gaspreise ihres Versorgers E.ON Hanse gewehrt. Das Hamburger Landgericht hat E.ON Hanse dazu verpflichtet die Preiskalkulation offen zu legen. Dies wird der Versorger wohl verweigern. Und zwar mit der Begründung, sich nicht schutzlos der Konkurrenz ausliefern zu können. Bei einem vergleichbaren Verfahren in Heilbronn wurde die Gaspreispreiserhöhung daraufhin für unwirksam erklärt.

Das Amtsgericht Heilbronn gab einem Gaskunden Recht und erklärte die Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 für unwirksam. Auch wenn sich das Urteil nur auf eine persönliche Klage bezieht, können alle Heilbronner Gaskunden aufatmen. Wer Widerspruch gegen die zehnprozentige Preiserhöhung eingelegt hat und seitdem nur den alten Preis bezahlt, kann davon ausgehen, dass das Heilbronner Gaswerk keine Nachforderungen stellt.

Nahezu alle Verbraucherzentralen empfehlen mittlerweile, die Preiserhöhungen nicht kommentarlos hinzunehmen. Wichtig ist dabei, sich auf § 315 BGB zu beziehen und die Preiserhöhungen als "unbillig" abzulehnen. Das hört sich kompliziert an, ist aber ganz einfach. Bei den Verbraucherberatungen und im Internet gibt es alle erforderlichen Informationen und wasserdichte Musterschreiben. Die Chancen sich erfolgreich gegen hohe Energiepreise zu wehren, sind derzeit so gut wie nie. Sie müssen nur selbst aktiv werden.

Verweigern Sie die Zahlung, werden Sie zunächst nicht durch höhere Gaspreise belastet. Möglicherweise verklagt Sie aber ihr Energieversorger. Da die Unternehmen ihre Kostenkalkulation nicht offen legen möchten, verzichten sie bisher meistens darauf. Bis September dieses Jahrs sind nur zwei Verfahren bekannt geworden, in denen Gasversorger von sich aus Verbraucher verklagt haben.

Sollte das Gasunternehmen Sie verklagen, müssten Sie versuchen, die Argumente des Unternehmens durch ein Sachverständigen-Gutachten zu entkräften. Dadurch kann der Spass ziemlich teuer werden. Es sei denn sie tun sich mit anderen zusammen und reichen eine Sammelklage ein. Ohne Gutachten betragen die Prozesskosten für die unterlegene Partei in der ersten Instanz ca. 250 Euro. Zusätzliche Kosten wegen Zahlungsverzug entstehen übrigens nicht.

Verweigern Sie die Zahlung, müssen Sie auch in Erwägung ziehen, dass der Versorger eventuell die Gaszufuhr sperrt. Nach Auffassung der Verbraucherzentralen ist das allerdings nicht zulässig.

Die 2. Möglichkeit: Zahlung unter Vorbehalt

Preiserhöhungen werden meist während der aktuellen Heizperiode angekündigt, ohne dass sich die laufenden Abschlagszahlungen ändern. Darauf brauchen Sie nicht sofort zu reagieren. Die Abschlagszahlungen sind nur vorläufige Zahlungen auf eine noch nicht feststehende Schuld. Mit einer Abschlagszahlung in unveränderter Höhe erkennen Sie auf keinen Fall die mitgeteilte Preiserhöhung an.
Erst mit der Jahresabrechnung wird der Preis endgültig festgelegt und dann sollten Sie reagieren.

Fordern Sie Ihr Versorgungsunternehmen auf, die Preiserhöhung plausibel zu begründen. Kündigen Sie an, dass Sie den höheren Preis nur unter Vorbehalt zahlen. So kann das Unternehmen nicht behaupten, dass Sie durch die bloße Zahlung die Forderung anerkannt haben.

Zahlen Sie unter Vorbehalt, müssten Sie dann in einem Rückforderungsprozess den Beweis erbringen dass die Preiserhöhung unberechtigt war. Liefern Sie plausible Argumente dafür dass die Preiserhöhung nicht gerechtfertigt war, muss das Unternehmen die Kalkulation offen legen. Im Endeffekt dürften die Unterschiede hinsichtlich der Beweislast nicht sehr groß sein, gleichgültig, ob Sie die Zahlung verweigern oder ob Sie unter Vorbehalt zahlen.

Zumindest was den Strom angeht gibt es noch eine Möglichkeit: Wechseln Sie den Anbieter!
Dies ist wahrscheinlich die beste Möglichkeit den Stromriesen zu zeigen, was Sie von deren Geschäftspolitik halten.

Links

http://www.gaspreise-runter-owl.de

http://www.energienetz.de

http://www.verbraucherzentrale-nrw.de

 

 

 

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