DSW21: Datenschutz mangelhaft
Im April führte ein Call-Center im Auftrag der DSW21 eine Umfrage unter den Sozialticket-InhaberInnen durch. Nicht nur die Umfrage war unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes unzulänglich, auch das Formular zur Beantragung des Sozialtickets genügte nicht dessen Anforderungen.
Richard Kelber ist der Sache auf den Grund gegangen. Er hakte bei DSW21 nach und kontaktierte die Datenschutzbeauftragte. Die Westfälische Rundschau berichtete am 30. April. Selbstverständlich haben die Stadtwerke, wie das in solchen Fällen immer geschieht, flott die Behauptung aufgestellt, es sei alles ganz prima mit der Umfrage gelaufen und alle Bestimmungen des Datenschutzes seien beachtet worden.
Schon in einer Zwischennachricht hatte die Datenschutzbeauftragte des Landes NRW den Stadtwerken und Richard Kelber mitgeteilt, dass sie dies nicht so sieht. Eine ausführlichere Stellungnahme und die Beantwortung offener Fragen seitens DSW21 zu der Angelegenheit hat die Datenschutzbeauftragte eingehend geprüft. Sie kommt in ihrer Antwort an DSW21, deren Inhalt sie auch in einem Schreiben an Richard Kelber dargelegt hat, zu einem Schluss, der das ist, was in unseren Medien in der Regel als „schallende Ohrfeige“ bezeichnet wird. Da sind nicht mal so eben ein paar Details zu beklagen, die bei der Umfrage nicht beachtet wurden. Die Datenschutzbeauftragte kritisiert in der abschließenden Stellungnahme schon die Erhebung der Daten, die DSW21 bei der Antragstellung für ein Sozialticket verlangt (u.a. die Telefonnummer, ohne die es zu der Umfrage mit allen ihren Mängeln und Problemen nicht hätte kommen können).
26.04.2008: Schreiben an DSW21
08.05.2008: Die Antwort der DSW21 ließ nicht lange auf sich warten
13.05.2008: Was nicht unkommentiert bleiben sollte
14.06.2008: Erste Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten
28.06.2008: Die Westfälische Rundschau berichtet
30.06.2008: der Leserbrief von Richard Kelber dazu
06.11.2008: Die abschließende Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten
11.11.2008: Die Ruhr Nachrichten berichten
26.04.2008: Schreiben an DSW21
Sehr geehrte Herren,
wie ich gehört habe, lassen Sie von einem mir namentlich nicht bekannten Institut telefonisch Sozialticket-InhaberInnen befragen. Sie interessieren sich für viele schöne Dinge wie: Fahr- und Benutzungsverhalten vor Verfügung über das Ticket, aktuelles Fahr- und Benutzungsverhalten hinsichtlich Häufigkeit und Zielen, Kenntnis der mit dem Ticket gegebenen Möglichkeiten (Mitnahme anderer Personen...), Verfügung über ein anderes Mobil (Auto...).
Ich vermute mal, dass Sie mit dieser Umfrage Erkenntnisse darüber gewinnen wollen, ob und in welchem Umfang das Sozialticket für DSW21 ein „Zuschussgeschäft“ ist. Denn wenn sich herausstellt, dass Sozialticket-InhaberInnen vor Erwerb des Tickets für Fahrten mit DSW21 weniger als 15,-- € ausgegeben haben, stellt sich die Beurteilung anders dar, als wenn sie vorher das Ticket 1000 oder 2000 hatten.
Gegen den Inhalt der Umfrage ist also nichts einzuwenden. Auffällig ist aber, dass Sie dem Institut offensichtlich nicht Telefonnummern mitgeteilt haben, unter denen die zu befragenden Sozialticket-InhaberInnen jeweils zu erreichen sind, sondern Namen und Adressen. Um die Telefonnummern hat sich das Institut möglicherweise selbst gekümmert. Jedenfalls wurden die Auserwählten von den MitarbeiterInnen des Instituts namentlich angesprochen und gefragt, ob sie Sozialticket-InhaberIn und als solche(r) bereit seien, sich an einer Umfrage von DSW21 zu beteiligen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Teilnahme selbstverständlich freiwillig war, was die MitarbeiterInnen des Instituts erwähnt haben, halte ich die Aushändigung eines Sozialdatums dieser Art für nicht gerade die feine Art. Ich habe keine Ahnung, welche Meinung die Datenschutzbeauftragte des Landes NRW dazu vertritt, kann mir aber vorstellen, dass sie von Ihrem Vorgehen nicht zu begeistern ist.
Mit freundlichen Grüßen
Richard Kelber
08.05.2008: Die Antwort der DSW21 ließ nicht lange auf sich warten
13.05.2008: Was nicht unkommentiert bleiben sollte
Ihr Schreiben „Umfrage Sozialticket“ vom 08.05.08
Sehr geehrter Herr Pohlmann,
Ihr Schreiben habe ich dankend erhalten und mit Interesse gelesen. Zielsicher haben Sie in Ihrem Schreiben einen Punkt herausgepickt und thematisiert, den ich freundlicherweise für Sie offen gelassen hatte. Allerdings haben Sie ihn prompt deproblematisiert: „Eine Zuordnung der Antworten zu den befragten Personen findet selbstverständlich nicht statt.“ Aha. Da sitzt also jemand vom „Institut O-Ton Call Center Services“ am Telefon, spricht mit Frau oder Herrn XYZ, notiert die Antworten und depersonalisiert die dann zügig. Soll ich mir das so vorstellen?
Allein die Tatsache, dass Sie durch die Art Ihrer Umfrage die Möglichkeit schaffen, die von Ihnen erfragten Daten einer Person zuzuordnen, sollte Sie darüber nachdenken lassen, die Art der Befragung zu verändern. Sie wissen vielleicht, dass wir einen Innenminister hatten, der in seiner Amtszeit den Menschen am liebsten bis in jede Ecke hätte nachkriechen lassen, um als Abgeordneter vom Bundestag beschlossene Auskünfte über seine berufliche Tätigkeit zu verweigern. Sein Nachfolger verweigert zwar diese Auskünfte nicht, hat aber nicht weniger das Verlangen, alles und jedes über jede und jeden in Erfahrung zu bringen, damit diese nicht etwas treiben, was er für kriminell hält.
In einem solchen politischen und gesellschaftlichen Umfeld eine Umfrage zu starten, bei der die Befragten nicht selbst die Möglichkeit haben, ihre Anonymität zu wahren, ist ziemlich unsensibel, finden Sie nicht? Ich bin gespannt, was die Datenschutzbeauftragte des Landes NRW zu Ihren DSW21 entlasten sollenden Argumenten zu schreiben hat.
Mit freundlichen Grüßen
Richard Kelber
14.06.2008: Erste Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten
28.06.2008: Die Westfälische Rundschau berichtet
Stadtwerke kontern Bedenken der Datenschützer
Call Center befragte Sozialticket-Inhaber - DSW 21 sieht Freiwilligkeit nicht gefährdet
Eine Telefonumfrage zum Sozialticket der Stadtwerke hatte im Mai die Landesbeauftragte für Datenschutz (LDI) kritisiert. Jetzt liegt der Bericht der Datenschützer unserer Zeitung vor.
Seine Bedenken hatte Horst Dressler, Leiter des LDI-Verkehrsreferats deshalb geäußert, weil es sich bei der Erhebung der Firma "O-Ton Call Center Services" im Auftrag von DSW21 "um die Weitergabe ganz sensibler Daten handelte". Denn bei den Nutzern des Sozialtickets (15 Euro) handelt es sich um hilfebedürftige Menschen, unter anderem Bezieher des Arbeitslosengeldes II und der Grundsicherung im Alter. Unser Leser Richard Kelber hatte die Datenschützer auf die Umfrage aufmerksam gemacht und sich besonders daran gestoßen, dass DSW nicht selbst, sondern ein Call Center die Kunden befragte.
Nach Prüfung der Umfrage schickte Horst Dressler nun die Ergebnisse an die DSW zurück. Darin steht, dass grundsätzlich nichts dagegen spreche, eine Firma wie O-Ton mit einer Telefon-Umfrage zu betrauen, wenn O-Ton " eine Liste mit Namen und Telefonnummern erhält und diese (...) wieder an die DSW zurückgibt". Jedoch stellte der Datenschützer fest, dass nicht ausreichend auf die Freiwillikgeit der Umfrage hingewiesen worden sei. "Das sehen wir nicht so", sagte DSW-Sprecher Bernd Winkelmann. Der Umfrage sei eine lange Einleitung vorausgegangen und niemand sei zu einer Teilnahme gezwungen worden. Den Einwand der Datenschützer, dass DSW seine Kunden schriftlich auf die Umfrage hätte hinweisen können, um so für mehr Datenschutz zu sorgen, geht nach Ansicht Winkelmanns zu weit. "Solche Befragungen werden immer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Der Aufwand, Kunden anzuschreiben, dass sie eventuell für eine Kundenumfrage angerufen werden könnten, wäre zu groß."
30.06.2008: der Leserbrief von Richard Kelber dazu
Richard Kelber an Westfälische Rundschau, 30. Juni 2008
Betr.: „Stadtwerke kontern Bedenken der Datenschützer“, WR 28.06.08
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wenn Sie Ihren Bericht titeln „Stadtwerke kontern Bedenken der Datenschützer“, erwecken Sie den Eindruck, DSW21 habe alle Bedenken der Landesdatenschutzbeauftragten gegen die Umfrage unter Sozialticket-InhaberInnen ausräumen können. Das ist zweifelsohne nicht der Fall. Es heißt vielmehr im Schreiben der Behörde an mich:
1. „Bei Befolgung meiner Kritik und Änderungsvorschläge dürfte keine Besorgnis gegen die telefonische Kundenbefragung bestehen.“ Gemeint ist offensichtlich: „keine Besorgnis mehr, wenn...“
2. Die „Verwendung eines Freitextfeldes ist problematisch, wenn die inhaltliche Ausgestaltung nicht vorher festgelegt ist.“ Bei DSW21 hatten die InterviewerInnen eine „Gestaltungsmöglichkeit“.
3. Die Datenschutzerklärung von O-Ton Call Center Services entspreche in wichtigen Punkten nicht dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Insbesondere würden „eindeutige und notwendige Weisungen“ im Sinne BDSG ebenso vermisst wie eine Qualitätskontrolle durch Mithören oder Aufzeichnen von Gesprächen (bei Einverständnis der GesprächspartnerInnen). Weder auf dem Fragebogen noch bei der elektronischen Erfassung hätten Name und Telefonnummer erfasst werden dürfen.
4. Weil der Vorspann des Fragebogens nicht BDSG-gerecht gewesen sei, konnten „keine wirksamen Einwilligungen“ erteilt werden, was problematisch sei, wenn Daten nicht anonym gespeichert worden seien.
DSW21 hat sich damit herausgeredet, es sei „niemand zu einer Teilnahme gezwungen worden“. Es geht aber nicht um Straf-, sondern um Datenschutzrecht. Das weiß Herr Winkelmann, Pressesprecher von DSW21, ganz genau. Und er weicht deshalb in seiner Stellungnahme von den ernsten Punkten auf nebensächliche aus. Herausreden ist aber weder eine Erklärung noch eine Entschuldigung ? und schon gar kein „Kontern“, sondern ein Eingeständnis von Schuld.
Mit freundlichen Grüßen
und der Bitte um Veröffentlichung
Richard Kelber
06.11.2008: Die abschließende Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten
11.11.2008: Die Ruhr Nachrichten berichten
Sozialticket: Befragung freiwillig
DSW21 reagiert auf Datenschützer-Kritik
Es ist eine späte Genugtuung für den Ex-Grünen-Ratsvertreter Richard Kelber. Im Frühjahr hatte er mit Blick auf den Datenschutz Kritik an einer von den Stadtwerken (DSW21) in Auftrag gegebenen Befragung von Sozialticket-Nutzern geübt. Die ließen über ein Call-Center ermitteln, ob die Sozialticket-Kunden schon vorher mit Bus und Bahn gefahren sind - nicht zuletzt, um zu erfahren, mit welchen Kosten die Einführung des Sondertarifs für Bedürftige zu Buche schlägt.
Jetzt bekam Kelber von der Datenschutz-Beauftragen Recht - und DSW21, wie Kelber meint, eine "schallende Ohrfeige". Mehrere Details der Befragung, aber auch schon der Antragsformulare für das Sozialticket u.a. mit der Erfassung der privaten Telefonnummer der Antragssteller, entsprächen nicht den Vorgaben des Bundes-Datenschutz-Gesetzes, bescheinigen die Experten. Die Durchführung der Kundenbefragung "erschiene verbesserungsbedürftig", heißt es in dem Schreiben der Datenschützer.
Immerhin haben die Stadwerke nach Rücksprache mit der Landesbeauftragten für Datenschutz prompt reagiert. Sowohl der Fragebogen für die Telefon-Interviews als auch das Antragsforumular seien angepasst worden. Die Bedenken der Datenschutz-Beauftragten seien auch schon bei der gerade abgeschlossenen zweiten Befragung berücksichtigt worden, betont DSW-Sprecher Bernd Winkelmann. vor allem werde deutlich gemacht, dass es keinerlei Zwang für die Befragten gebe, an der Befragung teilzunehmen. "Die Freiwilligkeit galt aber natürlich auch schon für die erste Befragung", betont Winkelmann.
13.11.2008: Und der Leserbrief von Richard Kelber dazu:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wie schon im Frühjahr reden sich die DSW21-Herren Winkelmann und Herbrand im Auftrag von Vorstand Pehlke darauf raus, die Teilnahme an der Befragung von Sozialticket-NutzerInnen sei "freiwillig", was ja wohl selbstverständlich ist. Aber das wurde offensichtlich bei der ersten Fragerunde nicht deutlich gemacht, die eigentlich gar nicht hätte stattfinden dürfen, weil DSW21 nicht berechtigt war, die Telefonnummer der Betroffenen zu erheben oder gar zu einer Befragung zu benutzen.
Es handelt sich nicht um "Details", die DSW21 nicht beachtet hat, sondern um eine ganze Latte von Verstößen gegen den Datenschutz. Deshalb frage ich mich, wo die Entschuldigung des DSW21-Vorstands bei jenen bleibt, mit denen und mit deren Daten Schindluder getrieben worden ist - um das Sozialtickt zu Fall zu bringen.
Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Veröffentlichung
Richard Kelber
Quelle: Richard Kelber, 10.11.2008